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Blick vom Rheintal bei Colmar über blühende Kamille zu den Vogesen am 13.6.2024

 

Handwerker Baden – Elsass: Bürokratische Hürden
Wer Mitarbeiter auf Baustellen ins Elsass schicken will, muss viele Regeln beachten

Frankreich ist für Deutschland ein wichtiger Handelspartner. Für den Einsatz von Mitarbeitern gelten jedoch strenge Regeln. Schuld daran sei die Entsenderichtlinie, sagen Unternehmer.
„Hier arbeitet nicht ein deutscher Handwerker?“ Nicole Hoffmeister-Kraut kann es beim Blick auf die Großbaustelle in Straßburg kaum glauben. Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin ist mit einer Delegation aus dem hiesigen Handwerk im Elsass unterwegs. Ein Thema: die Hürden beim Einsatz von Mitarbeitern in der französischen Nachbarregion.
Auf dem Programm steht auch der Rundgang durch ein herausragendes städtebauliches Projekt: „Deux Rives“ heißt das Sanierungsgebiet zwischen Stadtzentrum und Rhein im Südosten der elsässischen Hauptstadt. Hier erfindet sich das Straßburg der Zukunft. Auch bei der Energieversorgung (Wärmenetze, die durch die nahe Industrie im Hafen gespeist werden) versteht man sich als Vorreiter. Verständlich, dass man hier gerne dabei gewesen wäre. Keine Baden-Württemberger? „Das müssen wir ändern“, schließt Hoffmeister-Kraut ihren Gedanken ab.
So leicht sich das sagt, scheint dies auch in einem vereinten Europa nicht umsetzbar zu sein. Frankreich hat seit dem Amtsantritt von Präsident Emmanuel Macron nicht einen offenen europäischen Markt erleichtert, sondern – im Gegenteil – mehr Hürden aufgebaut für alle, die in Frankreich unternehmerisch tätig werden wollen. Die restriktiven Vorgaben bei der Entsendung von Mitarbeitern sind seit der Verabschiedung eines entsprechenden französischen Gesetzes 2018 am Oberrhein ein Dauerthema. Auch deshalb besucht Hoffmeister-Kraut Straßburg, um in Hintergrundgesprächen für Erleichterungen zu werben.
Die Unzufriedenheit bei den Handwerksvertretern in ihrem Begleittross ist groß. Frankreich, für die Deutschen innerhalb Europas stets der bedeutende Handelspartner, sei „ein schwieriger Markt“ geworden, betonen etliche. „Der Markt ist regelrecht abgewürgt worden“, sagt Jürgen Sieber, Fensterbauer aus Stetten am kalten Markt. „Heute ist es leichter, nach China zu liefern als nach Frankreich“, sagt Thomas Bürkle, Inhaber einer Elektrotechnikfirma in Stuttgart. Karl Früh, Bauunternehmer aus Achern in der Ortenau, beklagt zudem die Schwierigkeiten, elsässische Mitarbeiter für seine Firma zu gewinnen.
Früher seien sie die tragende Säule, eine Selbstverständlichkeit in den Betrieben am Oberrhein gewesen. Daran ist zwar nicht die Entsenderichtlinie schuld. Ein ernstes Problem ist es für Industrie und Handwerk dennoch. Auch Gabriele Ganz, Elektroinnungsmeisterin aus der Ortenau, wünscht sich, dass „wir wieder auf den Stand kommen, wie er einmal war“.
„Inzwischen haben allerdings viele kleinere und mittlere Betriebe ihre Tätigkeit im Elsass aufgegeben“, sagt Brigitte Pertschy, langjährige Frankreichexpertin der Handwerkskammer Freiburg. Größere Unternehmen, vor allem solche, die regelmäßig im Elsass Aufträge einwerben, hätten sich besser auf die Anforderungen einstellen können. „Wenn sie drei Fenster irgendwo einsetzen sollen, dann lohnen sich der Aufwand und die Unkosten nicht“, sagt Pertschy.

Seit drei Jahren muss jeder Mitarbeiter, der aus Südbaden für einen Kundendiensteinsatz ins Elsass fahren soll, kostenpflichtig angemeldet werden. Bei Aufträgen braucht es einen gesetzlichen Vertreter, der Französisch sprechen muss. Bei Verstößen drohen hohe Geldbußen.
Eine ähnliche Regelung gebe es auch in Deutschland. „Die deutschen Behörden bestehen jedoch nicht darauf, dass der Vertreter Deutsch spricht“, sagt Pertschy. Schlussendlich sei die deutsche Seite auch einfach stärker betroffen, weil mehr südbadische Unternehmen im Elsass aktiv sind als französische in Baden. Pertschy schätzt die Zahl auf das Doppelte.
Hintergrund: Paris hält die Hürden hoch
Hinzu komme die in Frankreich geforderte Zehnjahresgarantie – eine Versicherung, die Auftraggeber schützen soll. Viele seien deshalb davon abgerückt, in Frankreich zu arbeiten, sagt Pertschy und schätzt: Der Markt sei sicherlich um die Hälfte eingebrochen. Allein die gute Auftragslage der zurückliegenden Jahre in Deutschland habe die Situation kaschiert. Und auf Hilfe aus Brüssel habe man bislang vergeblich gehofft.
Cécilia Kieffer, Pertschys Gegenpart bei der elsässischen Handelskammer in Straßburg, rückt das Bild etwas zurecht. „Bei den französischen Vorschriften“, betont Kieffer, „handelt es sich im Wesentlichen um die Umsetzung der europäischen Entsenderichtlinie.“ Mehr Bürokratie sei dadurch überall in Europa entstanden. Nur fühlten sich die Deutschen stärker betroffen, weil mehr deutsche Betriebe im Elsass arbeiteten als umgekehrt. Dass die Entsenderegeln die wirtschaftlichen Aktivitäten im Grenzgebiet erschweren, sieht aber auch sie kritisch. „Eine Ausnahmeregelung für die Grenzregion erscheint mir sinnvoll.“

Als Fazit der Kurzreise ins Elsass nimmt der Stab um die baden-württembergische Ministerin immerhin ausgesprochen positive Reaktionen von französischer Seite mit. Von ernsthaften Gesprächen ist die Rede, und auch von elsässischer Seite sei der Wille erkennbar gewesen, spürbare Verbesserungen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu erzielen.
… Alles vom 3.11.2021 von Bärbel Nückles bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/wer-mitarbeiter-auf-baustellen-ins-elsass-schicken-will-muss-viele-regeln-beachten
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Kommentar:
Wir können als auftraggebender Betrieb mit Sitz in Frankreich diese frustrierende Situation bestätigen. Über Jahre gewachsene Geschäftsbeziehungen mit deutschen Handwerkern und Lieferanten sind einfach weggebrochen. Ein Spontaneinsatz wegen eines Schadensfalls ist so schlichtweg nicht möglich und zu einem geplanten Auftrag haben viele Dienstleister aus den im Artikel beschriebenen Gründen keine Lust. Das ist wirklich sehr sehr traurig und auch für uns schwierig, da wir neue Partner suchen müssen, auch für Wartungsarbeiten, die jahrelang von deutschen Firmen betreut wurden. Mit diesen Regelungen ist man dem europäischen Gedanken massiv in den Rücken gefallen.
3.11.2021, E.SCH.