Pressekodex als Selbstzensur

Der Pressekodex verpflichtet Journalisten, bei Straftätern deren ausländische Herkunft zu verschweigen. Zwei Gründe legen die Abschaffung von Richtlinie 12 nahe: 1) Der Kodex sieht das Publikum als vorurteilsbeladen und verführbar an; Journalisten müssen aber für mündige Bürger schreiben, denen sie auf Augenhöhe begegnen, sonst bringt ihre Arbeit die Gesellschaft nicht voran. 2) Die Bürger informieren sich zunehmend online statt print – was hilft da, wenn bei Twitter, Facebook, Blog, Infoportal, … die Täter als Bayern, Algerier oder Ostfriesen benannt werden, in der Zeitung jedoch nicht.

Pressekodex des Deutschen Pressserats
In der Richtlinie 12.1 des Pressekodex haben die im Deutschen Presserat zusammengeschlossenen Verleger- und Journalistenverbände vereinbart: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. . Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
https://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/#panel-ziffer_12____Diskriminierungen

Schluss mit der Selbstzensur
Wie viele fordert auch der Dortmunder Journalistik-Professor Horst Pöttker die Streichung der freiwilligen Selbstverpflichtung, die er „Selbstzensur“ nennt. „Journalisten sollten nicht die Erzieher der Nation sein“, die rassistische Diskriminierung in Deutschland sei ein Problem der Vergangenheit. In 2007 wurde im Pressekodex „schutzbedürftige Gruppen“ durch „Minderheiten“ ersetzt: „Aber sind die 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die heute in Deutschland leben, tatsächlich schutzbedürftig? Als der Presserat das Wort 2007 strich, hatte er offenbar bemerkt, dass das nicht (mehr) der Fall ist.“
Alles zu „Schluss mit der Selbstzensur – Der Pressekodex muss geändert werden: Journalisten sollten die Herkunft von Straftätern nennen dürfen“ von Horst Pöttker vom 11.10.2013 bitte lesen auf
https://www.zeit.de/2013/41/pressekodex-straftaeter-herkunft

Pöttker führt als Beispiel an: 12/2012 prügeln bei Amsterdam Jugendliche nach einem Fussballspiel so brutal auf den Linienrichter ein, der am tags darauf stirbt. Niederländische Medien melden sofort, dass die drei Jugendlichen Marokkaner sind, in Deutschland erfährt man dies erst nach Tagen aus rechten Blogs. Warum verheimlichen seriöse deutsche Medien die Herkunft der Totschläger? Warum können holländische und englische Medien den deutschen Journalismus als unfrei, zensiert, überängstlich der Political Correctness verpflichtet bzw. bevormundend fürsorglich bezeichnen?

Gruppenzugehörigkeiten nicht einfach weglassen
Wie verzerrt nehmen bekommen wir unsere Wirklichkeit präsentiert? Gestern am 15.1.2015 las ich im Spiegel online ein Bericht zur hemmungslosen Gewalt einer ganzen Sippe in Hameln gegen Polizei und Ärzte, nachdem ein des Raubes verdächtigter Mann auf der Flucht im Gerichtssaal umgekommen sei. Der vermeindliche Räuber sein ein gebürtiger Hamelner. Ich konnte mir das irgendwie kaum vorstellen, dass es in Deutschland so viel Familienzusammenhalt gibt. Erst bei der Internetsuche nach weiteren Artikeln stieß ich zufällig auf eine Überschrift „hameln-gewaltexzess-durch-libanesische-grossfamilie“ – dies war aber die „Junge Freiheit“ – eine Zeitschrift, die ich eigentlich nicht lesen möchte. Die m.E. unvollständige Berichterstattung im Spiegel zwang mich diese Zeitschrift zum ersten mal virtuell zu lesen. Später fand ich, dass es wohl eine kurdische Familie war – dass passte dann vielleicht nicht zum Freund-Feind Schema der JF.
Die Presse sollte natürlich vorsichtig und reflektiert mit Gruppenzugehörigkeiten umgehen, sie aber einfach komplett zu ignorieren, scheint mir nicht der richtige Weg zu sein. Mein DANK an die ZEIT!
16.1.2015, Munibert

 

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