Presseclub Quoten-Gesellschaft

Linke Identitätspolitik will randständigen Gruppen eine Stimme zu geben, auch über Gender und Quoten. Wolfgang Thierse (SPD) befürchtet, daß dieses an sich sympathische Ziel von seiner Partei derzeit in einer Vehemenz und Dominanz verfolgt wird, die zu sozialer Fragmentierung der Gesellschaft, Untergrabung demokratische Grundwerte und Vernachlässigung der SPD-Clientel führt.
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Der Presseclub am 14.3.2021 geht auf diese Thematik unter dem Titel „Kampf um Anerkennung – Sprengstoff für unsere plurale Gesellschaft?“ ein. Welch eine positive Überraschung: Entgegen der sonst eher langweiligen, da einseitig links ausgerichteten Talkshow entwickelte sich eine kontrovers geführte, interessante Diskussion um das von Wolfgang Thierse angestoßene Problem der linken Identiätspolitik der SPD.
Besonders interessant und deshalb auch auf Twitter häufig kommentiert der verbale Schlagabtausch zwischen Anna Schneider (NZZ) und Jagoda Marinic im Presseclub (s.u.)
15.3.2021
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Presseclub:
Kampf um Anerkennung – Sprengstoff für unsere plurale Gesellschaft?
https://youtu.be/jKuIaSeoyWg
Mit der Frauenbewegung hat alles angefangen. Die Homosexuellen waren die nächsten, die Gleichberechtigung einforderten. Heute ist die gleichgeschlechtliche Ehe Alltag, keiner regt sich über einen schwulen Gesundheitsminister auf. Wichtige Etappensiege auf dem Weg in eine offene, vielfältige demokratische Gesellschaft.
Jetzt stehen wir vor einer weiteren Herausforderung: Auch andere benachteiligte Gruppen fordern ihr Recht auf Anerkennung: die queere Community ebenso wie Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe. Doch wie weit sollten diese berechtigten Forderungen gehen? Müssen wir unsere Sprache, Kunst und Literatur einer gründlichen Revision unterziehen, um sie von Rassismus und Postkolonialismus zu befreien? Ist das Gendersternchen Ausdruck überspannten Denkens oder ein Muss, weil Sprache Bewusstsein formt? Kann nur eine schwarze Deutsche Texte der schwarzen US-Lyrikerin Amanda Gorman übersetzen, die seit Bidens Amtsantritt berühmt geworden ist?
Die Auseinandersetzung um Identitätspolitik hat derart Fahrt aufgenommen, dass sie jetzt die SPD erschüttert hat.

Auslöser: Ex-Bundestagspräsident Thierse hatte davor gewarnt, dass der erbitterte Streit über Rassismus, Postkolonialismus und Genderthemen die Gesellschaft zu spalten drohe.
Die (berechtigten) Forderungen benachteiligter Minderheiten dürften nicht die Rechte der Mehrheitsgesellschaft aus dem Blick verlieren. Wenn diese per se als rassistisch und reaktionär beschimpft würde, sei das genauso inakzeptabel. Nicht nur Minderheiten hätten Rechte, sondern auch die Mehrheit.
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Hat Wolfgang Thierse Recht oder ist das die rückwärtsgewandte Haltung eines “alten, weißen Mannes”? Wer bestimmt den Diskurs und wer hat die Deutungshoheit? Die Befindlichkeiten der Opfer, die sich diskriminiert fühlen oder die Mehrheitsgesellschaft?Darüber diskutiert ARD-Programmdirektor Volker Herres mit den Gästen:
– Mohamed Amjahid, freier Journalist
– Jochen Bittner, DIE ZEIT
– Jagoda Marinić, Kolumnistin
– Anna Schneider, Neue Zürcher Zeitungtv
https://youtu.be/jKuIaSeoyWg
… Alles vom 14.3.2021 bitte lesen auf
https://www.phoenix.de/sendungen/gespraeche/presseclub/kampf-um-anerkennung—sprengstoff-fuer-unsere-plurale-gesellschaft-a-2028295.html
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Schlagabtausch zwischen Anna Schneider und Jagoda Marinic auf  Twitter
Wie sollten Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, Geschlechtern und religiösendemo Zugehörigkeiten im Bundestag repräsentiert sein? Durch Quoten?
Ein Schlagabtausch zwischen @a_nnaschneider und @jagodamarinic im #presseclub.
https://twitter.com/i/status/1371117173507260419
4:13 nachm. · 14. März 2021
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Schlagabtausch/Dialog im Text:
Anna Schneider: „Ich glaube, es ist das Ziel aller, daß wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft leben und daß alle dieselben Chancen haben. Aber es ist eine andere Frage, wie man repräsentiert wird. Also schauen sie sich bitte den Bundestag an. Ich glaube nicht, daß wir da bald Quoten bekommen, die wirklich auch den Hauptfarben, Geschlechtern und religiösen Zugehörigkeiten entsprechen, und das ist gut so. Es kommt darauf an, was ein Mensch im Kopf hat, und nicht, was seine äußeren Merkmale sind. Und ich finde auf diese ganz einfache Wahrheit sollte man sich auch einigen können.“
Marinic: „Wäre es für Sie auch OK, wenn nur Männer im Parlament wären, heute noch?“
Schneider: „Absolut!“
Marinic: „Na gut. Dann ist Okay, dann müssen wir auch nicht weiter diskutieren.“
Schneider: „Wieso?“
Marinic: „Wenn es auch okay wäre, wenn auch Männer in der Gesellschaft nur im Parlament sind, die gemischt ist, dann ist das ja eine Setzung, die hat mit Demokratie nichts zu tun. Das haben wir ja vor hundert Jahren erstritten. Darüber müssen wir ja heute nicht mehr streiten.“
Schneider: „Das stimmt nicht ! Wir haben vor 100 Jahren erstitten, daß Frauen dieselben Rechte haben, aber wirklich auch gewählt werden können. Sollte es sich ergeben, daß wirklich nur Männer antreten, die meine Ansicht vertreten, dann ist das gut so. Mich kann ein – um dieses hässliche Chriffre zu verwenden – alter weißer Mann genauso gut vertreten wie eine junge schwarze Frau. Es ist mir tatsächlich egal. Und das sollte es auch sein.“
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Drei Kommentare auf Twitter:
Die Vorstellung der Quoten geht nicht mehr aus den Köpfen. Man hat Tor und Tür für die Einfältigkeit geöffnet. Menschen die von Gleichberechtigung reden und die Menschen nach Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft separieren. Früher waren das Rassisten, heute „wokes“ linkes Bürgertum.
14.3.2021, Fabian
Frau Marinics Versuch, die Diskussion abzuwürgen, weil ihr Frau Schneiders Meinung nicht passte, beweist das antidemokratische Verhalten der „Generation Beleidigt“: „Wenn Sie *dieser* Meinung sind, können wir die Diskussion gleich seinlassen.“ Höre hier:
14.3.2021, K.ST
Proporz? Bei welchen Kriterien würde das enden? Beim IQ? Besitz? Berufsgruppe? Anteil an Straftätern in der Gesellschaft? Was ist so schlecht daran, die zu wählen, welche man für am fähigsten hält? Zumindest in der Evolution hat dich dieser Ansatz bewährt.
14.3.2021, MKZ
Ende Kommentare
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Wolfgang Thierse (SPD) über Identitätspolitik: „Ziemlich demokratiefremd“
Wolfgang Thierse: Meine Beobachtung ist folgende. Wir leben in einer wahrlich pluralen Gesellschaft – ethnisch-kulturell, religiös-weltanschaulich, kulturell-sozial. Dieses Zusammenleben funktioniert nur, wenn wir erstens Ja sagen zu dieser Vielfalt, wenn wir sie akzeptieren – das ist nicht selbstverständlich – und wenn wir zugleich uns Mühe geben, an dem Wir zu arbeiten, an den Gemeinsamkeiten, das was uns verbindet. Eine Gesellschaft kann nicht nur funktionieren, wenn die einzelnen Gruppen, wenn die Verschiedenen nur auf ihrer Verschiedenheit bestehen, auf ihrer Identität, dem Nebeneinander oder Gegeneinander von berechtigten Gruppeninteressen und Ansichten, sondern wenn wir uns immer wieder neu der Mühe unterziehen, das Gemeinsame in unseren Vorstellungen von Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenwürde zu finden, auch in dem, was geschichtlich geprägte kulturelle Normen, Erinnerungen, Traditionen sind. Darauf müssen sich die Anstrengungen richten, und mein Eindruck ist, dass das gegenwärtig viel weniger passiert, als es notwendig ist, dass viel schärfer die Identität hervorgehoben wird, das Gegeneinander, mit einer Radikalität und Engführung, die etwas Beängstigendes hat.

Die Identitätspolitik von rechts ist eine Politik, die zu Ausschließung, zu Hass, ja zu Gewalt führt. Und die Identitätspolitik von links führt, wenn sie weiter so einseitig und in dieser Radikalität betrieben wird, zu Cancel Culture. Das heißt, man will sich nicht mehr mit Leuten auseinandersetzen, diskutieren, den Diskurs führen, die Ansichten haben, die einem nicht passen. Das ist ziemlich demokratiefremd und, wenn ich das sagen darf, demokratiefeindlich.
… Komplettes Interview mit Wolfgang Thiese vom 25.2.2021 bitte lesen auf
https://www.deutschlandfunk.de/wolfgang-thierse-spd-ueber-identitaetspolitik-ziemlich.694.de.html

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