Pauschalisierung und Einzelfall

„Postfaktisch“ ist „Unwort des Jahres“ 2016. Gäbe es einen „Unsatz des Jahres“ als Pendant, dann hätte der Satz „Diesen tragischen Einzelfall nicht für Pauschalurteile nutzen“ den ersten Platz verdient. Nach jeder Straftat eines Migranten erfolgt dieser warnende Satz, auch Freiburgs OB Dieter Salomon stimmte nach dem Mord an Maria L. ein. Dabei ist der Satz dreifach falsch – im Hinblick auf (1) Tragik, (2) Einzelfall wie (3) Pauschalisierung:

(1) Tragik: Hier liegt ein furchtbarer, aber kein tragischer Mord vor. Mit Tragik (i.S. von Aristoteles) wird die Tat als unabwendbares und unentrinnbares Ereignis außerhalb jeglichen Hinterfragens von Schuld und Ursache gestellt. Politik und Kirche entledigen sich damit elegant der Verantwortung für ihr Tun in der Flüchtlingspolitik
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(2) Einzelfall: Hier liegt kein Einzelfall vor. Dann wären all die Sorgen der „einfachen“ Bürger (wie: No go-Area in der Stadt, Angst beim Nachhauseweg, Gefühl der Unsicherheit, Tag für Tag geht ein kleines Stück Freiheit verloren, Angemache von Frauen, …) Erfindungen. Dann wären alle Maßnahmen der Behörden (wie: Sicherheitszonen um den Kölner Dom, Aufstockungen von Polizei, Ordnungsdienste, Patroullien, Rucksack abgeben im Geschäft, Videoüberwachung) überflüssig.
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(3) Pauschal: Mit dem ständigen oberlehrerhaften Verweis „Bitte nun keine pauschalen Vorverurteilungen der Flüchtlinge“ wird der Bürger für dumm und unmündig erklärt. Zudem hält permanentes und reflexartiges Nudging keinen Bürger davon ab, seine Meinung zu korrigieren – im Gegenteil.
Die deutsche Bürgerschaft hat über 70 Jahre eine demokratische Gesellschaft aufgebaut, um die uns die ganze Welt beneidet. Unsere Bürger sind imstande, sich ihres Verstandes ohne fremde Hilfe (Kant) zu bedienen und kritisch (Aufklärung) ihr eigenes Urteil zu bilden – ohne vorgekaute Ratschläge oder Warnungen.
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Durch ständiges Wiederholen von Warnungen vor Pauschalisierung, Generalverdacht uzw. Vorverurteilung soll dem braven Bürger anscheinend eingebleut werden, er sei tatsächlich ein Pauschalisierer. Der Spieß hat sich längst umgedreht: die eigentlichen Pauschalisierer sind die, die uns als Volk vorwerfen, alle Flüchtlinge für Kriminelle zu halten. Traurig. Etwa gar ein links-gutmenschliches Wunschdenken? Die Rhetorik vom Generalverdacht a la „Diesen tragischen Einzelfall nicht für Pauschalurteile nutzen“  ist schlicht Unsinn. „Deutschland ist kein neurotischer Aggressionskindergarten“ (Wolfram Weimer im Presseclub 11.12.2016).
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Wolfgang Bosbach (CDU) bringt es anschaulich auf den Punkt mit einem Vergleich:
Nach der Meldung „Der des Mordes Tatverdächtige ist ein Kölner“ werden weder die Kölner unter Generalverdacht gestellt noch eine Generalverdachts-Warnung von OB’in Reker ausgesprochen.
Nach der Meldung „Der Tatverdächtige ist ein Afghane“ werden die Afghanen nicht unter Generalverdacht gestellt, wohl aber Generalverdachts-Warnungen bundesweit hinausposaunt, mit dabei OB Salomon. Bosbach moniert dies und fordert Gelassenheit, Normalität und Gleichbehandlung: „Ein Kölner ist doch nicht schlechter als ein Afghane?“
11.12.2016

Dreisam-Mord: Ein Einzelfall von immer mehr Einzelfällen und alle haben Recht (3.12.2016)

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Kein Einzelfall?
Anscheinend leidet Herr Salomon unter Realitätsverlust. Bekanntlich hatten wir kürzlich noch eine zweite Vergewaltigung inklusive Mord in Endingen. Hier gibts ein Verzeichnis von Sexualstraftaten, welches laufend aktualisiert wird: https://www.politikversagen.net/rubrik/vergewaltigung
Das muss nicht weiter kommentiert werden. Bekanntlich hat sich die Bürgermeisterin von Garmisch-Patenkirchen schon im Oktober an die bayerische Landesregierung gewendet, weil sie den Laden nicht mehr unter Kontrolle haben und die Touristen zunehmend wegbleiben. Das wird wohl kein Einzelfall bleiben.
11.12.2016, Markus Sumser, WO
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Salomons Pauschal-Warnungen eher zynisch
Wenn der Freiburger Oberbürgermeister Dieter Salomon in diesen Tagen vor Pauschalurteilen warnt, ist das angesichts der vorliegenden Fakten doch wohl eher zynisch. Denn seit Jahren hat Freiburg Probleme mit unbegleiteten minderjährigen Ausländern. Schon vor den Silvester-Ereignissen in Köln hatte eine Gruppe von 40 minderjährigen Ausländern aus Nordafrika im Frühjahr 2014 Anwohner und Passanten am Stühlinger Kirchplatz terrorisiert. Von Januar bis Mitte Mai 2014 zählte die Polizei allein an diesem Platz 232 Straftaten. Das spricht doch Bände!
14.12.2016, Bernhard Löbbert, Freiburg , BO

Über 600 UMA neu in 2016 – Überforderung endlich zugeben
Es graust uns, wenn wir lesen, dass in diesem Jahr erneut mehr als 600 dieser mehr oder weniger anonymen jungen Menschen zu uns geschickt werden. Minderjährige, deren Sozialisation, Moral und Motiv wir nicht kennen und die nicht nur wegen ihrer Herkunft, sondern auch wegen ihres Alters sexuell problematisch sind, männliche Jugendliche. Sollte nicht endlich zugegeben werden – und der Mord und die diversen kriminellen Übergriffe beweisen das –, dass die bisherigen Auffangnetze und -regeln damit überfordert sind? Aber wieso wird jetzt nicht reagiert?
14.12.2016, Rolf Schädler, Freiburg, BO
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Kriminelle Flüchtlinge – Warum Vertuschung anstatt Hinterfragen?
Warum zieht man einen Vergleich, wer für mehr sexuelle Übergriffe verantwortlich ist – Flüchtlinge oder deutsche Staatsbürger? Was will man damit erreichen? Nach dem Motto, Deutsche machen das genauso! Trotzdem darf man in diesem Zusammenhang doch hinterfragen: Warum begehen Menschen, die vor Gewalt, Folter und Verfolgung aus ihren Ländern geflohen sind, in dem Land, das ihnen ein Leben in Freiheit und Sicherheit bietet, kriminelle Handlungen? Ist die Silvesternacht 2015/16 schon vergessen, weil keine Frau zu Tode gekommen ist? Es gibt nicht nur den körperlichen, sondern auch den seelischen Tod. Von wem sind diese in einer ungeheuren Brutalität ausgeführten kriminellen Handlungen vorgenommen worden? Haben so massive Verbrechen in dieser Größenordnung in einer Nacht jemals vorher stattgefunden? Warum wird in Deutschland jedes Hinterfragen im Thema „kriminelle Flüchtlinge“ sofort mit dem Wort „AfD“ vom Tisch gewischt? Liegt vielleicht der Grund darin, dass man keine Diskussion darüber wünscht und auch nicht zulassen will? Ob man damit den in der großen Mehrzahl friedliebenden Flüchtlingen einen Gefallen tut, wage ich zu bezweifeln. Wird dadurch der Rechtsradikalismus nicht gestärkt?
14.12.2016, Ulf Kowohl, Heitersheim, BO
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Flüchtlinge in BW: 0,9 % der Einwohner, aber 5 % der Sexualstraftäter
Zu: „Begehen Asylbewerber mehr Sexualstraftaten“, Beitrag von Sebastian Kaiser (Politik, 6. Dezember):
Das einzig wirksame Mittel gegen rechte Hetze, aber auch gegen linke Schönfärberei ist solide, faktenbasierte Information und deren sachgerechte Interpretation.
Auf die Frage in der Schlagzeile „Begehen Asylbewerber mehr Sexualstraftaten?“ gibt der BZ-Autor zwar nicht ausdrücklich, aber doch suggestiv die klare Antwort: „nein“. Denn die Aussage „In Baden-Württemberg wurden rund 95 Prozent der Sexualdelikte nicht von Flüchtlingen begangen“ suggeriert im Umkehrschluss, dass „nur“ bei fünf Prozent der Sexualdelikte Asylbewerber und Flüchtlinge als Täter ermittelt wurden. Außerdem wird behauptet, „als Tätergruppe“ seien „Flüchtlinge und Asylbewerber … nicht überproportional vertreten“. Die entscheidende Vergleichszahl zur Überprüfung dieser Behauptung – die Gesamtzahl der in Baden-Württemberg lebenden Menschen – wird jedoch nicht genannt, sondern muss vom kritischen Leser durch eigene Recherche ermittelt werden.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten im Jahr 2015 in Baden-Württemberg insgesamt rund 10,88 Millionen Menschen. Die von der Badischen Zeitung für das Jahr 2015 angegebene Zahl von 98 000 Flüchtlingen und Asylbewerbern in Baden-Württemberg entspricht also einem Anteil von 0,9 Prozent an der Gesamtbevölkerung dieses Bundeslandes. Das bedeutet dann aber auch, dass die Zahl der Straftaten, bei denen Asylbewerber und Flüchtlinge als Täter ermittelt wurden, mit einem Anteil von rund fünf Prozent um ein Fünffaches höher ist als im Schnitt der Gesamtbevölkerung! Populisten würden daraus vielleicht eine Schlagzeile machen. Ein Journalismus, der den Anspruch auf eine solide Hintergrundinformation erhebt, sollte diese unangenehme Wahrheit aber zumindest nicht suggestiv verschleiern wollen.
14.12.2016, Martin Albert, Seelbach, BO

 

Woher hat OB Salomon sein „Gutachterwissen“?
Vor dem Hintergrund der hier dargestellten Sachverhalte möchte ich mal die Frage in den Raum stellen, woher OB Salomon sein „Gutachterwissen“ gegenüber dem Spiegel nimmt, wenn er dort sinngemäß behauptet, die Tat in FR habe nichts mit der Herkunft des Verdächtigen oder mit Integrationsproblemen zu tun. Er sagt das frei von jeder Sachkenntnis und aus reinem politischem Wunschdenken oder Kalkül heraus. Ich finde das unerträglich.
@ Frau Birgin: Dass es auch sexuelle Gewalt gibt, die von Deutschen ausgeht, ist ja unbestritten und ebenfalls unerträglich. Allerdings passiert hier vieles in Familien- und Bekanntenkreisen. Und vieles wird nicht angezeigt. Und viele Übergriffe auf Mädchen und Frauen, die von Flüchtlingen verübt werden, spielen sich ebenfalls in Familien- und Bekanntenkreisen oder innerhalb von Flüchtlingsheimen ab, auch hier wird vieles nicht zur Anzeige gebracht. Ihr Beispiel sagt also leider gar nichts aus.
Was mich persönlich an dem Thema sehr aufbringt: In der Wahl meines Partners und meiner Bekannten bin ich frei. Nicht frei bin ich aber, wenn mich im öffentlichen Raum, einem Schwimmbad, beim Einkaufen, in der Strassenbahn oder auf einem Spazierweg ein Mann belästigt, der mich als Frau als Freiwild ansieht, weil er in seiner Heimat entsprechend sozialisiert wurde. Und Belästigung fängt für mich schon weit vor der unerwünschten Berührung an. Eine bestimmte Art von Blicken und sogar ein scheinbar harmloses „Hallo“ kann – mit einer bestimmten Haltung geäussert – ein Übergriff sein, der mich dazu veranlasst, die Strassenseite zu wechseln, schneller zu gehen, bestimmte Orte zu meiden. Meine Freiheit ist bereits jetzt klar eingeschränkt. Und ich empfinde Ohnmacht, die langsam zu Wut wird.
7.12.2016, Theresa Klaiber, BO
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Man würde den Einzeltaten der Politiker doch zu gerne glauben
Es ist noch nicht mal 14 Tage her, da schleift ein Mann seine Ehefrau an der Anhängerkupplung durch die Strassen. Jetzt zündet einer seine Ex-Ehefrau bei lebendigen Leib mitten auf der Strasse an. Nun könnte man wieder von Einzeltaten sprechen, aber leider sind es eben keine Einzeltaten mehr. Wenn die Politik den Mut hätte sich einzugestehen, dass die Integration der bisher hier Angekommenen größtenteils nicht funktioniert hat und das entsprechend auch so kommunizieren würde, würden die Menschen in unserem Land auch den Politikern wieder Glauben schenken und einen neuen Weg gehen. Das sich in die Tasche lügen, erzeugt den wahren Populismus auf beiden Seiten und treibt die Spaltung voran.
7.12.2016, Floria Geyger

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