Parteien mit Realos und Fundis

Demokratie braucht Opposition, im Parlament über Parteien und außerparlamentarisch über Demos, Initiativen, … Auch innerparteilich gibt es Opposition, sie zeigt sich in der Polarisierung von Realos und Fundis. Realos verfolgen eine pragmatische Realpolitik, Fundis orientieren sich ideologisch streng an den Zielvorgaben ihrer Partei.
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In der CDU haben sich Fundis zur Werteunion zusammengetan, um nach dem von Merkel initiierten politischen Linksrutsch die politische Rechte zu stärken.
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Die Fundis innerhalb der Linken – Kommunisten, Ex-Stasi bzw. Kader – werden trotz ihrer Systemgegnerschaft im Bundestag toleriert, um so das gesamte Spektrum linker Stimmen im Parlament abzubilden. Sahra Wagenknecht hat von den Fundis zu den Realos gewechselt, seit sie sich für kontrollierte Grenzen bzw. die Friedman’sche These „Entweder Sozialstaat oder offene Grenzen, aber nicht beides“ einsetzt.
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Bei den Grünen hat es viele Jahre gedauert, bis sich die Realos gegen ihre beiden Fundi-Strömungen durchsetzen konnten: Gegen die Pädophilie-Fundis um Daniel Cohn-Bendit und die marxistischen Öko-Fundis um Jürgen Trittin. Ulrich Vosgerau beschreibt dies so: „Die innere Spaltung der Grünen endete, als die Realos Minister wurden. Jürgen Trittin wurde durch den Anblick des Dienstwagens von Joseph Fischer über Nacht vom Kommunismus geheilt.“
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Wie den Grünen muß es auch der AfD gelingen, ihre Fundi-Probleme zu lösen – siehe dazu die Rede des Realos Jörg Meuthen auf dem AfD-Parteitag in Kalkar am 28.11.2020. Das Problem der AfD als bürgerliche konservative Partei am rechten Rand ist vielschichtig. Dazu nachfolgend die Punkte (1) bis (6 ):
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(1) Die Demokratie braucht eine rechte Partei wie die AfD
Die folgenden Meinungen werden in der Gesellschaft von zahlreichen Bürgern vertreten:

  • „Die EU kann auf Dauer nur als Verbund souveräner Nationalstaaten bestehen“
  • „Entweder Sozialstaat oder Migration über offene Grenzen, aber nicht beides (Milton Friedman)“
  • „Eine Energiewende hin zur Nachhaltigkeit ist auf Kernkraft angewiesen (Bill Gates)“
  • „Schutz vulnerabler Gruppen bei Herdenimmunität statt Lockdown-basierte Coronapolitik“
  • „Der Euro setzt eine gemeinsame Fiskal-/Steuerpolitik voraus.“
  • „Wie in den USA: Kein Land in Europa haftet für die Schulden eines anderen Landes“
  • „Bürgerbeteiligung durch Elemente der direkten Demokratie“
  • „Deutsches Recht rangiert an erster Stelle“
  • „NGOs durfen nicht vom Staat finanziert und somit zu GOs gemacht werden“
  • „Meinungsfreiheit statt Cancel Culture, Deplatforming, Zensur, Political Correctness“
  • „Das Volk ist der Souverän. Deshalb darf die Staatsquote nicht weiter zunehmen“
  • „Die Familie muß gemäß GG – auch bezüglich Gender – als Basis erhalten bleiben“
  • „Die Medien dienen als Vierte Gewalt der Kontrolle der drei anderen Gewalten“.

Diese Meinungen bzw. Positionen sind legitim. Sie müssen auch im Bundestag gehört und vertreten werden, was derzeit nur über die AfD als bürgerliche konservative Partei möglich ist. Würde man die AfD verbieten, dann würden diese politischen Positionen de fakto als illegitim abgetan werden. Denn:
„Wo es Links gibt, muß es auch Rechts geben“ sagt Rüdiger Safranski zum Parlamentarismus in der Demokratie.
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(2) Die AfD wurde in die Opferrolle gedrängt:
Die AfD wird in und außerhalb des Parlaments unfair behandelt. Dazu Prof Patzelt (CDU): „Zweifellos haben sich viele ihrer Gegner von Anfang an unfair zur AfD verhalten. Das begann mit Verleumdungen von Luckes Partei als rechtsextrem, setzte sich fort in der – oft einer „Feigheit vor dem Feind“ gleichenden – Ausgrenzung von AfD-Vertretern aus Podiumsdiskussionen und Talkshows, zeigt sich im Druck auf Hoteliers und Gastronomen, ja keine AfD-Veranstaltungen zu beherbergen, äußert sich in Gewalttaten gegen AfD-Wahlkampfstände oder AfD-Politiker und mündet in unverhohlene Schadenfreude, wann immer AfDler ihre Partei blamieren.“
Gegen keine andere Partei werden so viele politisch motovierte Anschläge verübt wie gegen die AfD. Obwohl größte Oppositionspartei, wird die AfD von den Medien (privat wie GEZ, Print wie TV-Talkshows) am wenigsten berücksichtigt.
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(3) Die AfD trägt durch provokantes Verhalten eine Mitschuld:
Betont mißverständliche Äußerungen (z.B. Vogelschiß, „Denkmal der Schande“) sind der Akzeptanz der jungen Partei nicht gerade förderlich. Dazu Patzelt (siehe „In Sachen AfD: Mit Vernunft und Maß“ unten): „Es haben viele Mitglieder und Anhänger der AfD anscheinend noch nicht begriffen, daß eine strikte Trennung von Regierungskritik und Systemgegnerschaft die Voraussetzung politischer Freiheit ist. Eine Regierung und die sie tragenden Parteien darf man sehr wohl scharf angreifen – nicht aber eine Verfassungsordnung, nur weil deren Spielregeln derzeit den Gegner an der Macht sein lassen.“
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(4) AfD per Verfassungschutz als „verdächtig“ einzustufen ist ein Skandal
Über 13% der Bundesbürger haben die AfD im Jahr 2017 gewählt. Die AfD ist eine demokratische Partei. Wäre sie das nicht, dann müsste sie umgehend verboten werden.
Im Dezember 2020 schrieb Roger Köppel im Leitartikel der Weltwoche.ch dazu: „Deutschland ist die weltweit wohl einzige Demokratie, die den Inlandsnachrichtendienst gegen Parteien einsetzt, die in Konkurrenz zu den regierenden Parteien stehen“. Mit dem Ersetzen seiner Führung (Maaßen durch Haldenwang) hat die Verfassungsschutzbehörde seine Neutralität aufgegeben und ist zum Instrument der Regierungsparteien geworden.
Zum Schaden des demokratischen Rechtsstaats, wie auch Prof Patzelt erklärt:
„In etlichen Bundesländern wurde die AfD vom Verfassungsschutz als extremismusverdächtig eingestuft. Womöglich droht das auch der Bundespartei. Die so bewirkte Ächtung wird es gesellschaftlichen Leistungsträgern bald unmöglich machen, sich für die AfD einzusetzen. Das ist ja auch der erwünschte Effekt. “
Wir Menschen – auch Wähler und Abgeordnete der AfD – sind alle viel leichter zu beeinflussen, als wir selbst glauben. Unter Ächtung leiden alle, auch rechtskonservativ gesinnte Bürger. Die mediale Dauerhetze gegen die AfD hat überall, auch bei deren Mandatsträgern, Spuren hinterlassen.
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(5 ) Realos besiegen Fundis: Der AfD Zeit gewähren wie den Grünen
Die Streitereien zwischen Realos und Fundis innerhalb der Partei der Grünen dauerte jahrzehntelang. Niemand forderte ein Parteiverbot, obwohl von den damaligen Fundis auch systemfeindliche Ziele (Legitimierung der Pädophilie contra Kinderrechte, Abschaffen des Eingentumsrechte) proklamiert wurden. Es dauerte lange, bis sich die Realos durchsetzten. Warum gewährt man eine solche Zeit der innerparteilichen Selbstfindung nur den Grünen, nicht aber auch der AfD? warum gibt man der AfD nicht die Chance, dem Beispiel der Grünen zu folgen, also ihre „Fundis“ zugunsten der „Realos“ niederzuringen?
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(6) Gleichbehandlung am politisch linken und rechten Rand
In der Partei der Linken sind viele Funktions- bzw. Mandatsträger aktiv, denen systemfeindliche Ziele nachgesagt werden, also Ziele, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung (FDGO) entgegenstehen, die also an der Grenze von „links“ und „linksextrem“ anzusiedeln sind. Diese äußerste Linken werden seit 1989 im Parlament toleriert, obwohl sie sich weiterhin mehr oder weniger offen als Systemgegner gerieren. Man tut dies aus drei Gründen: 1) Einbinden der Positionen in die innerparamentarische Diskussion, 2) damit Kontrollmöglichkeit dieser Positionen und 3) den innerparteilichen Klärungsprozess zugunsten der Realos unterstützen.
Warum gewährt man dieses Prozedere der Linken, nicht aber AfD. Linksextremismus wie Rechtsextremismus zerstören die FDGO und sind mit allen Mitteln zu bekämpfen. Links- und Rechtsetremismus lassen sich auch nicht gegeneinnder aufrechnen. Aber Linksextremismus läßt sich nicht bekämpfen, in dem man die politische Linke verbietet. Und Rechtsextremismus läßt sich nicht bekämpfen, in dem man die politische Rechte verbietet.
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Fazit von (1) bis (6):
Es ist stets im Sinne der Demokratie, außerparlamentarische Opposition von der Strasse ins Parlament einzubinden, um dort Argumente und Gegenargumente von politischen Gegnern (nicht Feinden) zu diskutieren und abzuwägen. Über die Parteien mit ihren Realos und Fundis.
Dass Realos letztendlich die Fundis besiegen, erklärt der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau wie folgt: „Die AfD befindet sich nun im Griff des Phänomens, das die Älteren von den beiden ersten parlamentarischen Legislaturperioden in den achtziger Jahren der Grünen her kennen: dem Kampf zwischen Realos und Fundamentalisten. Daß in der Politik am Ende nur Realos gewinnen können, liegt in der Natur der Sache. Daß es immer auch Fundis gibt, beruht auf einem individualpsychologischen Phänomen: Wer sich nur die größten, absoluten Ziele setzt, eine neue Welt, ein anderes Leben, wird davon entlastet, im täglichen, von Rückschlägen begleiteten Dicke-Bretter-Bohren Politik als unabwendbare Plackerei zu erleben, bei der so oft die schäbige Konkurrenz gewinnt. Das steckt hinter der blauen Blume der Romantik“ (Beitrag von Vosgerau ganz unten).
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Eine Demokratie, die das Wahlvolk beschneidet, indem sie Bürger am linken oder rechten Rand von der politischen Teilhabe ausschließt, gleitet in den Totalitarismus ab: Es entsteht eine rechte bzw. linke Diktatur.
21.2.2021
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In Sachen AfD: Mit Vernunft und Maß
von Werner J. Patzelt
In etlichen Bundesländern wurde die AfD vom Verfassungsschutz als extremismusverdächtig eingestuft. Womöglich droht das auch der Bundespartei. Die so bewirkte Ächtung wird es gesellschaftlichen Leistungsträgern bald unmöglich machen, sich für die AfD einzusetzen. Das ist ja auch der erwünschte Effekt. Zwar versteht man, daß deshalb über eine politische Funktionalisierung des Verfassungsschutzes geschimpft wird. Doch die richtige Reaktion wäre es, sich nun erst recht so zu verhalten, daß Zweifel an der Treue zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zerstreut werden. Und natürlich dürfen entsprechende Bekenntnisse nicht vorgeblendet sein, sondern müssen der tatsächlichen inneren Haltung entsprechen – und den Taten erst recht.

Doch so haben sich viele AfDler in den letzten Jahren gerade nicht verhalten. Manche haben die Einstufung ihrer Partei als rechtsextremistisch nachgerade provoziert. Auch hat die AfD erst spät – und weiterhin ohne Unterstützung der ganzen Partei – mit juristischer Gegenwehr begonnen. Statt dessen geben sich manche AfD-Politiker stolz darauf, vom „System“ sozusagen verfolgt zu werden, denn man wähnt sich im Widerstand gegen eine neue Nationale Front. Dabei wird übersehen, daß die dem SED-Staat Widerstehenden einen ganz anderen Tonfall pflegten als die AfD, und daß gegnerische Fouls in einer Demokratie etwas anderes sind als Staatsterror in einer Diktatur.
Es haben viele Mitglieder und Anhänger der AfD anscheinend noch nicht begriffen, daß eine strikte Trennung von Regierungskritik und Systemgegnerschaft die Voraussetzung politischer Freiheit ist. Eine Regierung und die sie tragenden Parteien darf man sehr wohl scharf angreifen – nicht aber eine Verfassungsordnung, nur weil deren Spielregeln derzeit den Gegner an der Macht sein lassen.
Doch in der AfD meinen inzwischen viele, nicht nur das ihnen verhaßte System der „Altparteien“ gehöre auf den Müllhaufen, sondern unsere ganze politische Ordnung. Warum nur erkennen die nicht, daß solches zur nachträglichen Bestätigung derer gerät, die schon Bernd Luckes AfD als Wiedergängerin der Nazis ausgaben? Offenbar sind der AfD allzu viele Leute zugelaufen, die gut in die NPD paßten, wichtigtuerische Selbstdarstellung mögen oder biographische Wunden durch Beifall eines rhetorisch angefixten Publikums zu heilen versuchen
Zweifellos haben sich viele ihrer Gegner von Anfang an unfair zur AfD verhalten. Das begann mit Verleumdungen von Luckes Partei als rechtsextrem, setzte sich fort in der – oft einer „Feigheit vor dem Feind“ gleichenden – Ausgrenzung von AfD-Vertretern aus Podiumsdiskussionen und Talkshows, zeigt sich im Druck auf Hoteliers und Gastronomen, ja keine AfD-Veranstaltungen zu beherbergen, äußert sich in Gewalttaten gegen AfD-Wahlkampfstände oder AfD-Politiker und mündet in unverhohlene Schadenfreude, wann immer AfDler ihre Partei blamieren.
Auch am Ende dieses Jahres wird eine klar systemgegnerische AfD in vielen deutschen Parlamenten eine große oder gar die größte Oppositionsfraktion sein. Doch dann? Was nutzt es eigentlich, wenn diese Rolle keinerlei Machtperspektiven bietet?

Die richtige Reaktion auf solche Fouls wäre es, gerade nicht zum von Gegnern lustvoll gezeichneten Zerrbild zu werden. Doch immer, wenn genau das in den Reihen der AfD versucht wurde, standen selbstberauschte Rechts­demagogen dagegen auf. Oft setzten sie sich durch. Erst Jörg Meuthen – selbst spät zur Einsicht gelangt – konnte für die „Realos“ zwei, drei aufsehenerregende Etappensiege erringen.

Womöglich gewinnen aber doch wieder die „Fundis“ beim zentralen Richtungsstreit ihrer Partei. Bei ihm geht es darum, ob die AfD im deutschen Parteiensystem einfach den von der Union wider viele Warnungen verlassenen Raum zwischen der rechten Mitte und dem rechten Rand besetzen, ansonsten aber ein ganz normaler Mitbewerber um Wählerstimmen sein sollte.

Zur AfD gelangte Wutbürger und einflußreiche Anführer wollen genau das nicht. Sie wünschen sich eine Anti-System-Partei, die irgendwann „aufräumt“. Taktisch sind sie davon überzeugt, Anziehungskraft und Mobilisierungswirkung auch auf klar Rechtsradikale wäre ein legitimes, ja unverzichtbares Mittel zum Zweck weiterer Wahlerfolge.

Diese Rechnung kann bei den kommenden Wahlen sogar aufgehen. Immerhin muß – und will – sich die Union fortan alternativlos auf Regierungsbündnisse mit den Grünen einlassen, allenfalls ergänzt um eine weitere Partei. Die zur AfD abgewanderten Wähler möchte die Union ohnehin nicht mehr zurückgewinnen. Sie könnte das auch gar nicht mehr. Denn bei den von der Union zur AfD Übergegangenen ist die Empörung über Vertrauensbrüche der CDU-Kanzlerin gegenüber Nicht-Linken einfach zu groß. Die erkennen sie bei der Euro-Politik, bei der Energiepolitik, erst recht bei der Migrationspolitik.

Zwar mögen AfDler die nun dauerhaft zu erwartenden schwarz-grünen und grün-schwarzen Koalitionen inhaltlich nicht. Doch sie passen der AfD bestens ins strategische Kalkül. Als einzige gegen Schwarz-Grün stehende Kraft kann die AfD nämlich sehr wirkungsvoll auf die von ihr abgrundtief verachtete CDU einschlagen.

Und bei einer von Rot-Grün – mit oder ohne FDP – aus ihren Regierungsstellungen vertriebenen Union kann sie das auch noch mit berechtigter Häme tun. Es hat sich nämlich die Union selbst um ihre einst selbstverständlichen Chancen gebracht, durch Repräsentation nicht nur der politischen Mitte, sondern auch der meisten Wähler zwischen der rechten Mitte und dem rechten Rand der zentrale Machtblock in der Bundesrepublik Deutschland zu bleiben.

Also wird eine klar systemgegnerische AfD auch am Ende dieses Jahres in vielen deutschen Parlamenten eine große – oder gar die größte – Oppositionsfraktion sein. Doch dann? Was nutzt es eigentlich, wenn diese Rolle keinerlei Machtperspektiven bietet? Und solche können sich auch gar nicht auftun, solange nicht die AfD dem Beispiel der Grünen gefolgt ist, also ihre „Fundis“ zugunsten der „Realos“ niedergerungen hat.

Gestaltungsmacht würde die AfD nämlich nur dann gewinnen, wenn sie von einer Anti-Establishment-Partei zu einer solchen Partei geworden wäre, die nicht bloß ein medial wirksames Anderssein, sondern ein – dann auch politisch nachzuweisendes – Bessersein zu ihrem Anspruch machte.

Die AfD sollte in den Parlamenten seriöse Arbeit leisten und deren Wirkungen nicht durch skandalisierbare Polemik verderben. Und sie sollte in den eigenen Reihen und in ihrer Anhängerschaft nicht Ressentiments fördern, sondern mäßigend wirken.

Lächerlich ist jedenfalls die Hoffnung mancher AfDler, es reiche irgendwann zur absoluten Parlamentsmehrheit ihrer Partei. Auch relative Mehrheiten wird es allenfalls in ostdeutschen Landtagen geben; und selbst diese bringen so lange keine Macht ein, wie die AfD keinen Koalitionspartner findet. Doch auf eine rechtsdemagogische oder rechtsradikale AfD kann sich niemand einlassen, der moralisch oder politisch bei Trost ist.

Also treibt gerade jene AfD, die von Luckes zu Höckes Partei geworden ist, unser Land zu einem Kurs, den zwar Grüne und Linke wollen, jene aber gerade nicht, die einst in der AfD ein Korrektiv Merkelscher Politik erhofften.

Dem letzteren dienliche Ratschläge bekam die AfD während der vergangenen Jahre oft. Sie trafen freilich auf taube Ohren, häufiger noch auf selbstgefällige Besserwisserei. Doch sie bleiben richtig: Die AfD sollte in den Parlamenten seriöse Arbeit leisten und deren Wirkungen nicht durch skandalisierbare Polemik verderben; sie sollte sich keinesfalls als „NPD light“ aufstellen; und sie sollte nicht zur thematisch beschränkten Protestmaschinerie werden, sondern ein stimmiges, wirklichkeitstaugliches Politik­programm entwickeln.

Dieses Programm bräuchte gewiß nicht für Linke plausibel sein. Doch einleuchten sollte es all jenen, die sich weder als mittig noch als links empfinden, sondern als rechts – und dabei gerade kein Verlangen nach Chauvinismus oder Rassismus hegen. Auch sollten AfD-Sprecher stets betont sachlich und gemäßigt bleiben, wenn ihre Gegner, wie so oft, emotional und hyperventilierend auftreten.

Die Partei sollte sich ferner von den Lieblingszielscheiben ihrer Gegner trennen oder diese zumindest ins Abseits stellen. Und sie sollte in den eigenen Reihen und in ihrer Anhängerschaft nicht Ressentiments fördern, sondern mäßigend wirken – wie einst, zum Besten unseres Landes, die SPD hinsichtlich der revolutionären Linken.

Doch zumal in ihren ostdeutschen Landesverbänden will man eine solche AfD mehrheitlich nicht. Deren Wortführern bundesweit zu folgen machte das AfD-Milieu deshalb dauerhaft zur rechtsradikalen Schmuddelecke unseres Landes. Diese trägt jetzt schon viel zur Vergiftung von Deutschlands politischer Kultur bei – teils direkt durch Reden und Handeln dort, teils indirekt über Reaktionen von etablierten Parteien und Antifa, die sich ihrerseits nicht an die Spielregeln unserer freiheitlichen Demokratie halten.

Jene AfD-Politiker, deren Bekundung von Zuneigung zu unserem Land mehr ist als bloß ein abwehrender Reflex auf die Verachtung Deutschlands unter Linken, sollten genau an dieser Stelle ihre jetzt zu erfüllende staatspolitische Pflicht erkennen. Die gründet in der Einsicht, daß nur eine vernünftige, gemäßigte, den Respekt auch von Gegnern verdienende AfD zum Partner der politischen Mitte werden kann.
Exakt hier hat die AfD eine Bringschuld abzutragen, weil sie wirklich nicht nur durch Bosheit ihrer Rivalen, sondern weithin durch eigenes Tun und Lassen zum politischen Paria geworden ist. Ob das aber eine Mehrheit der Anführer und Mitglieder der AfD einsieht? Und dann auch die politische Kraft oder überhaupt weitere Gelegenheiten hat, die AfD auf einen solchen Kurs zu führen?
19.2.2021, Junge Freiheit 8/21, Seite 18
https://www.junge-freiheit.de
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Prof. Dr. Werner J. Patzelt, Jahrgang 1953, ist emeritierter Ordinarius für Politikwissenschaft an der TU Dresden. Patzelt ist Mitglied der CDU.
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Falsche Schuldzuweisung
Eine Studie empfiehlt der AfD, sich nicht juristisch gegen Verfassungsschutzbehörden zu wehren: Das Grundgesetz sei das Problem
von Ulrich Vosgerau
Die AfD befindet sich nun im Griff des Phänomens, das die Älteren von den beiden ersten parlamentarischen Legislaturperioden in den achtziger Jahren der Grünen her kennen: dem Kampf zwischen Realos und Fundamentalisten. Daß in der Politik am Ende nur Realos gewinnen können, liegt in der Natur der Sache. Daß es immer auch Fundis gibt, beruht auf einem individualpsychologischen Phänomen: Wer sich nur die größten, absoluten Ziele setzt, eine neue Welt, ein anderes Leben, wird davon entlastet, im täglichen, von Rückschlägen begleiteten Dicke-Bretter-Bohren Politik als unabwendbare Plackerei zu erleben, bei der so oft die schäbige Konkurrenz gewinnt. Das steckt hinter der blauen Blume der Romantik. Millionen Unzufriedene heute sehnen sich aber nach Helmut Schmidt und weder nach politischer Romantik noch den Grabenkämpfen der Weimarer Republik.
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Was hat es auf sich mit der Verfassung und dem Verfassungsschutz? Nicht ganz zu Unrecht meint Schüßlburner: „Wenn (…) die AfD scheitert, was aufgrund der geschilderten Umstände nicht verwunderlich wäre, dann ist dies erkennbar vor allem auf den ‘Verfassungsschutz’ zurückzuführen“, und ergänzt: „Wie dies bei den Republikanern ablief, kann aus journalistischer Sicht (…) nachgelesen werden; abstrahiert man (…) von konkreten Umständen und Personen, können AfD-Leute dort schon das weitere Schicksal ihrer Partei nachlesen.“ Dies ist in der Tat sehr besorgniserregend und man dürfte erwarten, daß die Verantwortlichen nun ihre sämtlichen Anstrengungen dem Ziel unterordnen, eben dies zu vermeiden.
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Die innere Spaltung der Grünen endete, als die Realos Minister wurden. Jürgen Trittin wurde durch den Anblick des Dienstwagens von Joseph Fischer über Nacht vom Kommunismus geheilt. Daß der AfD die Zeit für vergleichbare Prozesse bleibt, ist zu hoffen; denn der CDU steht nach dem Abgang Merkels in der Wählergunst voraussichtlich eine ähnliche Entwicklung bevor, wie sie die SPD seit dem Abgang Schröders genommen hat. Millionen Wähler suchen demnächst neue politische Heimaten. Eine sehr heterogene Gruppe; was sie allein verbindet, ist eigentlich: sie sind für das Grundgesetz, und sie fürchten sich vor Staatsfeinden. Es ist in der Tat zu hoffen, daß das maßgebliche Personal nicht versagt.
… Alles vom 19.2.2021 von Ulrich Vosgerau bitte lesen in: Junge Freiheit 8/21, Seite 21
https://www.junge-freiheit.de
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Dr. habil. Ulrich Vosgerau lehrte Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie Rechtsphilosophie an mehreren Universitäten.

 

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