Papst – Eigennutz Kapitalismus

„Land, Wohnung und Arbeit sind unantastbare Rechte“, sagt Papst Franziskus beim Welttreffen der Volksbewegungen in Santa Cruz. In einer Welt, wo es „so viele Kleinbauern ohne Grund und Boden, so viele Familien ohne Wohnung, so viele Arbeiter ohne Rechte“ gilt: „Wir wollen eine Veränderung der Strukturen.“ Wie schon im apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ vom Nov 2013 wendet sich der Papst gegen eine Wirtschaft, die tötet:
„Diese Wirtschaft schließt Menschen aus. Diese Wirtschaft zerstört Mutter Erde.“ Zum einen versuche eine an Eigennutz und Konsumgier ausgerichtetes Wirtschaftsverhalten „alles in Tauschobjekte, Konsumobjekte, alles in Käufliches zu verwandeln.“ Zum anderen würdige die Wirtschaft der Industrienationen die armen Länder zu „bloßen Rohstofflieferanten und Zulieferer kostengünstiger Arbeit“ herab – ein neuer Kolonialismus.
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Papst Franziskus mag wichtige Denkanstöße und Impulse geben – seiner Sicht auf das Wirtschaftssystem Kapitalismus ist in zwei Punkten zu hinterfragen: (1) Ablehnung des kapitalistischen Eigennutzes und (2) Rohstoffausbeutung durch Industrieländer.
(1) Eigennutz: Wer in eine Idee investiert, strebt nach Gewinn und erwartet, am Ende mehr Geld zu haben als am Anfang. Für diesen Eigennutz wird das Risiko eingegangen, dass die Investition scheitert. Der schottische Moralphilosoph Adam Smith erklärte diesen Eigennutz als Antrieb der Marktwirtschaft und forderte, dass der Staat einen strengen Ordnungsrahmen setzt, damit der oft allzu heftige Eigennutz zum allgemeinen Nutzen wird, damit vom Kapitalismus nicht nur wenige profitieren. Diesen gebändigten Eigennutz ignoriert der Papst: Schließlich ist es mit der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland wie der EU gelungen, ein Gleichgewicht zu finden zwischen Eigennutz und Gemeinwohl.
(2) Rohstoffausbeutung: Bis in die 1990er-Jahre ließen sich die Industriestaaten ihre in die Entwicklungsländer teuer exportierten Investitionsgüter und Maschinen gerne durch immer billiger werdende Rohstoffe bezahlen. Dieser ungleichen Kompensationsgeschäfte endeten, seit die Preise für Rohstoffe weltweit explodieren. Die rohstoffreichen Staaten in Afrika, Südost und Südamerika füllen ihre Kassen – allerdings in die Kassen weniger. Der „Fluch der Rohstoffe“ macht Staaten der Dritten Welt zunehmend bequem und verführt zu Klientilismus, Stammesquerelen, Korruption und Mißwirtschaft, nicht aber zum Aufbau von geordnetem Staatswesen und Infrastruktur. Dies hat der Papst (noch) nicht verstanden – wenn er behauptet, für diese Misständer seien die USA und EG verantwortlich, so ist dies schlicht falsch. Mag in Afrika das Gemeinwohl großenteils auf der Strecke bleiben und die Armut zunehmen, z.B. in Fernost haben es Singapur, Taiwan und Südkorea mit ausbalanciertem Eigennutz geschafft, zu Wohlstand für alle zu kommen.
22.7.2015

Hat der Papst mit seiner Kritik an Kapitalismus mitsamt Eigennutz doch recht?
Wenn der Papst angeblich beim politischen Diskurs der 70-iger und 80-iger Jahre stehen geblieben ist, ist es wohl kaum das richtige Argument, ihm die Lehre eines Wirtschaftstheoretikers aus dem 19. Jahrhundert entgegen zu halten, der die rasante und globale Entwicklung unseres Systems noch gar nicht erlebt hat.
Richtig ist, auf den Ur-Antrieb im Kapitalismus hinzuweisen: Geld in ein Unternehmen zu stecken, um noch mehr Geld wieder zurück zu bekommen; das sei der Lohn für das eingegangene Risiko. Und woher soll dieses Mehrgeld kommen ? Es kommt von der Arbeitskraft, die zu möglichst geringem Lohn für die Wertschöpfung arbeitet, und von der Natur, der Umwelt, den Bodenschätzen, die immer mehr ausgebeutet werden. Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer stärker auseinander klafft, und dass Tier und Natur immer starker drangsaliert werden und leiden, wird einfach ausgeblendet
Die Staaten, die diesem Geschehen einen Rahmen geben, können es jedoch nicht beherrschen, auch bei uns nicht. Sie sind bis über beide Ohren verschuldet und mehr oder weniger überfordert, die Neben-produkte, Abfall- und Reststoffe schadlos zu kompensieren oder zu neutralisieren, auch bei uns nicht. Während vom Wachstum erhofft wird, die notwendigen Steuergelder zu bekommen, schafft genau dieses Wachstum schon wieder neue Löcher.
11.7.2015, Tjark Voigts

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