Oberwiehre-Waldsee Stadtteil

Gespräch mit Karl-Ernst Friederich, dem Vorsitzenden des Bürgervereins Oberwiehre/Waldsee, und Helmut Thoma, seinem Stellvertreter, der auch für die Grünen im Freiburger Gemeinderat sitzt, zu: Bürgerverein, Kartaus-Bebauung, Wohnraum-Mangel, Maria-Hilf, Ganter-Areal, SC-Stadion, Dreisam-Renaturierung, Dreisamradweg, Stadttunnel, ZO, Freiburger Osten.

Dreisamtäler: Herr Friederich, Herr Thoma, Sie engagieren sich seit langen Jahren schon im Vorstand des Bürgervereins Oberwiehre/Waldsee. Welche Funktion hat der Bürgerverein?
Friederich: Wir vertreten etwa 15.000 Einwohner und sind einer der größten Bürgervereine der Stadt Freiburg. Wir sind Ansprechpartner sowohl für die Stadt als auch für die Bürger.
Thoma: Zwar kümmern wir uns um unseren Stadtteil, verlieren dabei aber nicht die Gesamtstadt aus den Augen. Deshalb haben wir bei der Stadt wohl auch ein ganz gutes „Standing“. Wenn der Bürgerverein sich hinter eine Sache klemmt, dann hat das schon eine gewisse Bedeutung, denn es geht uns nicht nur um Einzel- oder Anwohnerinteressen.
Dreisamtäler: Können Sie das konkretisieren?
Friederich: Die Schüler-Lehrer-Häuser des Robert-Bosch-Colleges bei der Kartaus. Was dort architektonisch gebaut wurde, löst bei uns keine Begeisterungsstürme aus. Als Bürgerverein akzeptierten wir die Gemeinderatsentscheidung und versuchten das Beste daraus zu machen. So haben wir erreicht, dass die Häuser von der Kartaus weiter abgesetzt und erdfarben verputzt werden, außerdem stehen sie jetzt versetzt. Wir kämpfen nicht gegen Windmühlen, zumal wir mit der Ansiedlung dieses Institutes dort einverstanden sind. Das ist ein Glücksfall für Stadt!
  
Dreisamtäler: Wohnraumschaffung ist ja das große Thema der Stadt Freiburg. Wie stehen die Chancen für neuen Wohnraum im Ihrem Stadtteil?
Friederich: Das ist ein durchaus heißes Thema! Die Fläche des Maria-Hilf-Areals mit dem denkmalsgeschützen Maria-Hilf-Saal steht zur Bebauung an. Wir traten an die Eigentümerin, die Pfarrgemeinde Maria-Hilf, mit der Idee heran, dass potentielle Investoren jeweils zwei Bebauungskonzepte vorlegen, eines mit Erhalt des Maria-Hilf-Saals und eines ohne dessen Erhalt. Die Pfarrgemeinde hat das Areal nun ganz plötzlich an die Firma Stuckert verkauft. Wir sind enttäuscht über diesen schnellen Verkauf, denn wir hätten uns hier mehr Transparenz gewünscht, die uns eigentlich versprochen wurde.
Thoma: Wir würden uns den Erhalt dieses denkmalsgeschützten Maria-Hilf-Saals wünschen. Der Erhalt eines Denkmals ist aber nur dann verpflichtend, wenn es dem Eigentümer wirtschaftlich zuzumuten ist.
Dreisamtäler: … und die Befürchtung ist, dass der Erhalt eben nicht wirtschaftlich ist …
Thoma: Die Sache noch nicht gegessen. Es gibt jetzt erst einmal  den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan, deshalb kann im Moment nichts passieren. Das Umfeld ist geprägt von Wohnbebauung, von daher wird der Investor auf jeden Fall Wohnungsbau umsetzen können. Die Frage ist nur, in welchem Umfang. Ich würde mir viel Kreativität und Fantasie wünschen, die den Erhalt des Saales – oder zumindest wesentlicher Teile – ermöglichen. Dass so etwas geht, zeigt gerade das Beispiel der Elisabethkirche in Zähringen, wo eine Kirche in Wohnraum umgewandelt wird. Ich schätze den Investor aber auch so ein, dass er eine Lösung sucht, die im Stadtteil Akzeptanz findet.
Friederich: Die Brauerei Ganter braucht künftig nur noch einen Bruchteil der bisher genutzten Fläche, auch da wird Wohnraum entstehen können und zwar um ein Vielfaches mehr als auf dem Maria-Hilf-Gelände. Hier besteht die Absicht, für das Gesamtareal ein Nutzungskonzept zu entwickeln. Eine Wohnbebauung ist entlang der Fabrikstraße denkbar und zwar relativ dicht, so wie sie im Quartier vorherrscht. Dennoch wird es eine hochwertige Wohnlage sein: zentrums- und doch naturnah.
  
Dreisamtäler: Der SC möchte ein neues Stadion bauen. Wird dort auch Wohnbebauung kommen?
Thoma: Wir beschäftigen uns natürlich mit dieser Thematik, denn auch in der  Stadtverwaltung denkt man  schon lange darüber nach, wie die freiwerdende Fläche genutzt werden kann. Und je früher wir uns  einbringen, desto größer die Chancen, dass unsere Gedanken auch Eingang in die Abwägungsprozesse finden. Im Moment wird z.B. auch über eine Art Ringtausch nachgedacht: der SC geht – und der EHC bekommt hier ein neues Eisstadion. Denn ob der bislang dafür favorisierte  Standort in Zähringen tatsächlich machbar ist, lässt sich derzeit noch nicht abschließend sagen.
Dreisamtäler: Eine Wohnbebauung auf dem SC-Gelände wird nicht diskutiert?
Friederich: Wohnungsbau dort ist äußerst kritisch und baurechtlich hochproblematisch, da sich in unmittelbarer Nachbarschaft das Strandbad und Sportvereine mit hohen Lärmemmissionen befinden. Konflikte wären da vorprogrammiert. Deshalb wäre uns eine sportliche Nutzung am liebsten. Vorstellbar wäre allenfalls wohnungsähnliches Bauen, zum Beispiel ein Sporthotel. Die Lärmbelastung für die Anwohner sänke, da die Zuschauerzahlen beim Eishockey um den Faktor 10  niedriger liegen als beim Fußball.
Thoma: Wobei ich in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen möchte, dass der SC in unserem Stadtteil willkommen ist! Eine BZ-Umfrage ergab, dass die Bevölkerung hier durchaus für einen Verbleib im Stadtteil Waldsee  ist, obwohl die Belastungen natürlich sehr hoch sind. Von daher ist es unverständlich, dass der mögliche neue Standort trotz optimaler Schallschutz- und Verkehrskonzepte dort so massiv abgelehnt wird.
  
Dreisamtäler: Was gibt es noch an „Baustellen“ im Freiburger Osten?
Thoma: Da steht in allernächster Zeit eine richtig große Baustelle an, nämlich die Dreisam-Renaturierung zwischen Ebnet und dem Sandfang. Die wasserrechtliche Genehmigung ist für Dezember angekündigt und wir hoffen, dass noch in diesem Winter die Bagger anrücken. Die unnatürlich schnurgerade Dreisam wird dadurch ihr Aussehen stark verändern und nach der Maßnahme wieder mäandern!
Friederich: Diese Maßnahme wird übrigens nicht durchgeführt, weil die Stadt zu viel Geld hätte, sondern weil hier Mittel von Ausgleichsmaßnahmen vom Bau des dritten und vierten Gleises der Rheintalbahn eingesetzt werden. Das Regierungspräsidium war schon seit längerem an der Planung, da aufgrund der europäischen Wasserrechtsrahmenlinien Gewässer durchgängig und naturnah ausgebaut werden müssen.
Thoma: Ein „Kollateralnutzen“ dieser Maßnahme ist übrigens auch, dass Überschwemmungsflächen entstehen, die Jahrhunderthochwässer besser aufnehmen können. Darüber freuen sich alle flussabwärts liegenden Gemeinden, da Hochwässer durch diese zusätzlichen Kapazitäten verzögert werden und ihnen die Spitze genommen wird.
  
Dreisamtäler: Sie sind offensichtlich ein sehr aktiver und erfolgreicher Bürgerverein. Woran wirkten Sie denn noch mit?
Thoma: Die Dreisam hat von Ebnet bis Umkirch durchgängig Uferwege; auf der Nordseite für die Fußgänger, auf der Südseite für die Radfahrer. Einzige Ausnahme ist bisher der Bereich um die  Schwabentorbrücke, dort existiert nur auf der Südseite der Radweg. Für die Fußgänger fehlen 200 Meter, und sie müssen entweder über die Straße mit mehreren Ampelanlagen oder den Radweg auf der anderen Seite nutzen. Auf unser Drängen hin wird nun der Lückenschluss gebaut!
   
Dreisamtäler: Da wäre dann noch das Thema „Stadttunnel“.
Thoma: Das ist eigentlich das Mega-Thema! Der Stadttunnel ist in der Prioritätenliste der grün-roten Landesregierung auf Platz zwei positioniert und seine Realisierung rückt damit in greifbare Nähe! Er ist auf dieser Liste als Autobahn deklariert und damit ist auch klar, dass unser Stadtteil einen Vollanschluss bekommt. Das bedeutet, dass in alle Richtungen ab- und aus allen Richtungen aufgefahren werden kann.
Friederich: Alles andere wäre auch großer „Blödsinn“ gewesen. Ein „Halbanschluss“, der gen Osten die Einfahrt in und gen Westen die Ausfahrt aus dem Tunnel erlaubte, würde unseren Stadtteil nur vom Durchgangsverkehr entlasten, der innerstädtische Verkehr würde nach wie vor oberirdisch fließen. Mit dem Vollanschluss ist die Entlastung wesentlich höher!  
Dreisamtäler: Die Realisierung wird dennoch auf sich warten lassen.
Thoma: Das hängt im Wesentlichen von möglichen Rechtsverfahren ab. Die Planung muss jetzt mit Hochdruck vorangebracht werden, damit möglichst bald das Planfeststellungsverfahren beginnen kann. Dort besteht natürlich die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, und bis darüber entschieden  ist, können ein paar Jahre ins Land gehen. Aber die Verwirklichung bis 2025 ist nicht mehr unrealistisch.
  
Dreisamtäler: Wie lebt es sich insgesamt in Ihrem Stadtteil?
Friederich: Die Zufriedenheit in den östlichen Stadtteilen ist überdurchschnittlich hoch. Das liegt sicherlich an der Nähe zur Natur, an den guten Verbindungen in die Innenstadt durch die Stadtbahn oder mit dem Fahrrad. Die Infrastruktur mit Schulen und Kindergärten ist sehr gut und es gibt das ZO als Einkaufszentrum mit gewisser Mittelpunktsfunktion, so dass alle wesentlichen Bedürfnisse im Wohnquartier befriedigt werden können.
Dreisamtäler: Herr Friederich, Herr Thoma, , vielen Dank für das Gespräch!
4.12.2013, Dagmar Engesser, www.dreisamtaeler.de

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