Oberried Bgm Winterhalter 24

Rückblick auf eine vierundzwanzig-jährige Amtszeit – Gespräch mit Oberrieds Bürgermeister Franz Josef Winterhalter
Dreisamtäler: Herr Winterhalter, sie gehen nun nach vierundzwanzig Jahren als Bürgermeister Oberrieds im April in den Ruhestand. Was fällt Ihnen ein, wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken?
Winterhalter: Als ich anfing, standen sehr viele Aufgaben im Pflichtbereich der Gemeinde an: die Wasser- und Abwasserversorgung musste saniert und erweitert werden. Damals waren noch nicht alle Ortsteile an das Abwassersystem angeschlossen. Das war sehr kostenintensiv und zog sich über viele Jahre hin. Auch bei den Friedhöfen waren Sanierung und Erweiterung nötig, ebenfalls eine Pflichtaufgabe der Gemeinde. Es gab einen Riesennachholbedarf und solange das nicht erledigt war, konnte an nichts anderes gedacht werden. Davon waren die ersten beiden Amtsperioden geprägt. Außerdem wurden in jenen Jahren drei Wohnbaugebiete – Winterhalterhof 2, Schwörerhof und Staudenäcker – und ein Gewerbegebiet erschlossen.
Dreisamtäler: Hat Oberried dadurch sein Gesicht verändert?
Winterhalter: Nein!
Dreisamtäler: Auch nicht durch das Gewerbegebiet?
Winterhalter: Das liegt ja außerhalb des Ortskerns von Oberried und der Kernort selbst hat sein Gesicht gewahrt. Man ging hier sehr sorgsam und traditionsbewusst mit den bestehenden Bauwerken um. Es wurde nicht abgerissen, sondern saniert – siehe Klosterscheune, siehe Gasthof Sternen Post. Die Ortsteile haben ihr Gesicht ebenfalls gewahrt.
Dreisamtäler: Die dritte Amtsperiode war dann anders?
Winterhalter: Da war dann Zeit und auch Geld für die Kür – also für Dinge, die eine Gemeinde nicht tun muss, sie aber tun kann. Für ein Dorf können solche Maßnahmen sehr bedeutsam sein! Dazu gehörte die Einrichtung des Ruhebergs als Besonderheit. Deutschlandweit waren wir die erste Kommune, die diese Möglichkeit der Bestattung unter kommunaler Verwaltung in Angriff genommen hat. Die Sanierungen der Goldberghalle, des Rathauses, des Sportgeländes und natürlich der Klosterscheune waren solche Kür-Projekte. Und nicht zuletzt auch die Einrichtung des Nordic Centers am Notschrei Klosterscheune.
Dreisamtäler: Die Klosterscheune ist für Oberried ein ganz herausragendes Projekt!
Winterhalter: Es ist sicherlich das schönste Projekt, weil damit ein Stück der Geschichte Oberrieds erhalten und in besonderer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die Klosterscheune ist ein wichtiger Kristallisationspunkt der Gemeinde geworden, denn sie schafft Raum für bürgerschaftliche Aktivitäten: es gibt Räume für die Vereine, den Freitagsmittags-Wochenmarkt, Kleinkunstveranstaltungen … Es war nicht die finanzielle Dimension, die dem Projekt Gewichtigkeit verleiht, da gab es kostenintensivere Maßnahmen, es ist die Ausstrahlung auf die Dorfgemeinschaft, die sich mit dem Projekt identifiziert und dadurch näher zusammenrückt.

Dreisamtäler: Da sind wir dann ganz nah an einem weiteren wichtigen Thema, das Oberried beschäftigt: das Mehrgenerationenprojekt, das auch ein bürgerschaftliches werden soll.
Winterhalter: Umsetzen kann ich dieses Projekt nicht mehr, aber es sind alle Vorbereitungen getroffen, um es erfolgreich werden zu lassen. Alle Fachleute die mit der Thematik befasst sind, wie Professor Dr. Klie, Eichstettens  Bürgermeister Kiechle oder der Leiter der Sozialstation Nördlicher Breisgau Michael Szymczak, bescheinigen uns, dass wir auf einem guten Weg sind. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung ist es auch nötig, dass die Gemeinde aktiv wird und die Resonanz aus der Bevölkerung darauf ist sehr positiv.
Dreisamtäler: Was ist denn genau geplant?
Winterhalter: Es geht um die Umnutzung des derzeit leer stehenden Behindertenheims. Dort soll eine Wohngruppe auch für Demenzerkrankte eingerichtet werden. Außerdem sollen barrierefreie Wohnungen, die auch attraktiv für Familien sind, entstehen. Wir wünschen uns mehrere Generationen bunt gemischt unter einem Dach, so dass die Bewohner sich gegenseitig unterstützen können. Desweiteren soll dort auch die Möglichkeit von Tages- und Kurzzeitpflege geschaffen werden. Das Ganze soll aber nicht einfach einem Träger übergeben werden, es soll durch eine bürgerschaftlich organisierte Genossenschaft betreut und koordiniert werden. Klar ist, dass professionelle Pflege eingekauft und bezahlt werden muss, ansonsten soll es eher eine selbstorganisierte Wohnform sein.
Dreisamtäler: Existiert diese Genossenschaft schon?
Winterhalter: Bisher sind es der Gemeinderat und die Verwaltung, die das Projekt vorantreiben, aber die Gründung einer Genossenschaft ist geplant.
Dreisamtäler: Die Gemeinde spielt also eine zentrale Rolle.
Winterhalter: Ja! Ich bin der Meinung, dass die Gemeinde sich verstärkt mit dieser Thematik auseinandersetzen muss. Wenn es um Kinderbetreuung, den Bau von Schulen oder Sportplätzen geht, dann ist es überhaupt kein Thema, dass die Gemeinde aktiv wird und solche Dinge auch finanziert. Was die ältere Generation angeht, so haben sich die Kommunen bisher vornehm zurückgehalten. Es ist jedoch ein Umdenken zu beobachten!
Dreisamtäler: Dieses Projekt ist jedoch nicht als Altenheim gedacht?
Winterhalter: Nein! Es soll eher eine Wohngemeinschaft sein, was auch finanztechnische Vorteile hat. Es soll keine gewinnorientiertes, sondern ein sozialorientiertes, aber dennoch kostendeckendes Projekt sein. Das funktioniert nur, wenn die Bürger die Initiative ergreifen und die Unterstützung der kommunalen Verwaltung haben. Denn die Verwaltung ist kein Selbstzweck, sie ist dazu da, der Bürgerschaft zu dienen!

Dreisamtäler: Das Thema Windkraft steht nach wie vor auf der kommunalen Tagesordnung.
Winterhalter: Mein Eindruck ist, dass sowohl eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung als auch die politisch Verantwortlichen im Dreisamtal, also Gemeinderäte und Bürgermeister, die Nutzung der Windenergie hier wollen, weil sie die Energiewende mittragen wollen. Ein bis zwei Standorte mit bis zu drei Windrädern würden auf breite Akzeptanz stoßen. Ich befürchte jedoch, dass die Umsetzung schwierig werden wird, denn die guten Standorte sind fast alle tot! Da wo der Wind am besten bläst, werden keine Windräder installiert werden können, weil dem der Natur- und Artenschutz entgegensteht. Ein Hoffnungsschimmer besteht noch für den Bereich Hundsrücken. Dort weht ein guter Wind, es bestünden gute Erschließungsmöglicheiten, er wäre landschaftstechnisch ideal, weil er nicht auf irgendwelchen Sichtachsen liegt, und wäre kombinierbar mit Freiburger Projekten. Aber wahrscheinlich gibt es dort Auerhühner – was das Aus dieses Standorts bedeuten könnte.
Dreisamtäler: Manche sehen in dem Windenergie-Erlass des Landes Baden-Württembergs, der ja bis zum Jahr 2020 1200 zusätzliche Windräder ermöglichen soll, ein Instrument der Windenergie-Verhinderung.
Winterhalter: Weil Natur-, Arten- und Landschaftsschutz eine zu hohe Priorität eingeräumt wird. Wenn wir die Energiewende jedoch wollen, dann müsste sich die Politik dazu durchringen, einen gewissen Prozentsatz der Fläche der Nutzung der Windenergie zur Verfügung zu stellen. Das würde bedeuten, dass Natur-, Arten- und Landschaftsschutz dort zurückstehen müssen.
Dreisamtäler: Wenn ein Bebauungsplan verabschiedet wird, ist ein Umweltbericht nötig, der bei zu starken Eingriffen in die Ökologie ökologische Ausgleichsmaßnahmen zwingend erforderlich macht.
Winterhalter: Das wäre ein sinnvoller Ansatz! Man opfert eine Teilfläche für die Windkraft und tut in anderen Bereichen als Kompensation aktiv etwas für den Schutz des Auerwilds. Momentan allerdings besteht eine ungewollte Selbstblockade: Natur- und Umweltschutz stehen dem Klimaschutz im Wege.

Dreisamtäler: Ihre Amtszeit endet in zwei Wochen. Haben Sie Pläne für Ihren Ruhestand?
Winterhalter: Ich werde erst einmal nichts mehr tun!
Dreisamtäler: Das kann ich mir nicht wirklich vorstellen …
Winterhalter: Ich bekomme jeden Tag ein Angebot: ich könnte für den Bundestag kandidieren, die Leitung der Volkshochschule übernehmen … aber ich werde nichts dergleichen tun. Nach vierundzwanzig Jahren Amtszeit, 60-Stunden-Wochen, nie wirklich Urlaub und der ständigen Zurückstellung eigener und familiärer Interessen möchte ich aus dem politischen Geschäft erst einmal aussteigen, mal wieder in Ruhe ein Buch lesen und mich mehr um meine Familie kümmern können. Die Arbeit geht mir jedoch nicht ganz aus: ich bleibe noch Mitglied des Kreistags und Präsident der Muettersproch-Gesellschaft mit über 3000 Mitgliedern. Die Arbeit als Bürgermeister hat mir ungeheuer Freude gemacht. Ich war ein Stück weit mit dem Amt verheiratet und habe es mit Leidenschaft betreiben. Es steckte sehr viel Herzblut drin. Es war aber auch immer ein Spannungsfeld, gerade für die Familie, die das mit tragen musste und das glücklicherweise all die langen Jahre auch getan hat.
Dreisamtäler: Welche Eigenschaften braucht ein Bürgermeister, um die Belastungen auszuhalten?
Winterhalter: Er braucht eine „Rossnatur“, denn er muss körperlich und psychisch belastbar sein. Gott sei Dank war ich das, denn in den vielen Jahren war ich nie krank, abgesehen von einer gelegentlich kurzen Grippe. Er braucht aber auch eine Elefantenhaut, denn er muss Kritik einstecken und damit umgehen können, ohne auf Dauer zynisch zu werden. Kann man das nicht, besteht sehr leicht die Gefahr, dass man die nötige Sensibilität für die Dinge verliert.
Dreisamtäler: Herr Winterhalter, vielen Dank für dieses Gespräch und alles Gute für Ihren Ruhestand!
22.3.2013, Dagmar Engesser, www.dreisamtaeler.de

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