Nigeria – perspektivlose Jugend

Nigeria ist de fakto geteilt in einen christlichen Süden und einen muslimischen Norden mit jeweils 85 Mio Einwohnern. Von einem KriegMuslime gegen Christen“ zu sprechen, ist falsch. Das Hauptproblem Nigerias liegt nicht in „Bibel oder Koran“, sondern in „Arbeit und Zukunft oder nicht“: Jeder zweite der 170 Mio Nigerianer ist unter 15 Jahre alt, Millionen junger Männer wachsen ohne Hoffnung heran, ohne Perspektive auf Arbeit und Anstellung. Dies

in einem Land, das sechstgrößter Erdölexporteur der Welt ist, 95 Universitäten hat bei gleichzeitig 40 % Analphabeten und UN-Friedensmissionen in viele Krisenstaaten entsendet, obwohl zuhause Chaos nahe des Bürgerkriegs herrscht. In dem Film „Krieger Gottes – Gottes Feinde“ bringt es der interviewte katholische Priester in der Stadt Jos auf den Punkt: Die arbeitslos herumhängenden Jugendlichen verbringen ihre Zeit mit Nixtun, Drogen sowie Waffenhandel und warten sehnsüchtig darauf, durch das nächste religionsbedingtes Scharmützel „Christ gegen Muslim“ oder „Muslim gegen Christ“ an Geld, Handy, Mofa, Zigaretten, Alkohol usw. zu kommen. Zudem ist der Islam mit seinem ganzheitlichen Ansatz (totale Unterwerfung an unumstößliche Regeln, klares Feindbild) für die Jungen attraktiver als das Christentum mit seinem durch die Aufklärung bedingten Zögern (wird ein Koran verbrannt, dann ist auch in Nigeria blutige Rache gefordert – geht eine Bibel in Flammen auf; dann sind Fürbitten für den Brandstifter erbeten).
Nach dem Kriegsforscher Gunnar Heinsohn entstehen durch bevölkerungspolitisch verursachte youth bulges die Voraussetzungen für Bürgerkrieg, Völkermord, Imperialismus und Terrorismus. Wenn große Teile der männlichen Jugend zwar ausreichend ernährt sind, aber keine Aussicht haben auf Zukunft, stehe ihnen als einziger Weg die Gewalt offen: Gewalt nach innen gegen die Andersgläubigen, da in Nigeria das Ventil nach außen versperrt ist (Nigeria hat keinen äußeren Feind). Nigeria gesellt sich so zu den typischen „youth bulge“-Ländern Pakistan, Bangladesch, Kongo, Iran, Irak, Somalia, Sudan, Afghanistan, aber auch Ägypten, Westjordanland und Gaza
1.6.2014

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Gottes Krieger – Gottes Feinde
Die Produktion „Gottes Krieger – Gottes Feinde“ ist die erste TV-Dokumentation, die sich auf der Suche nach den Hintergründen der seit Jahren anhaltenden, blutigen Konflikte an die Geburtsstätte des islamistischen Terrors in Nigeria begibt. Sendung So. 01.06.14, 22.30 Uhr
https://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/gottes_krieger_gottes_feinde/844307?datum=2014-06-01

Nigerias Besonderheit und größtes Problem, liegt in dem einzigartigen Umstand, dass rund die Hälfte der geschätzten 150 Millionen Einwohner Christen, die andere Hälfte Muslime sind. Das hat bereits dazu geführt, dass sich Afrikas bevölkerungsreichster Staat praktisch zweiteilt: in einen vornehmlich muslimischen Norden, der weitestgehend unter der islamischen Gesetzgebung der Scharia regiert wird, und einen christlich dominierten Süden. Dazwischen verläuft eine unsichtbare Trennungslinie, entlang des sogenannten „Middle Belts“, jener kulturell-religiösen Verwerfungszone zwischen dem nordafrikanischen Sahel und Schwarzafrika, der Region Nigerias mit den meisten gewalttätigen Auseinandersetzungen. Nur naheliegend also, die Stadt Jos im Bundesstaat Plateau im Middle Belt zum Ausgangspunkt der Recherchen nach den Ursachen für die jahrelang andauernden gewalttätigen Konflikte zu machen.

Bis heute gilt Jos als Keimzelle der heute andauernden Gewalt zwischen Christen und Muslimen in Nigeria. Alles begann mit einer Attacke auf eine junge Frau, die die jahrzehntelangen unterschwelligen Aggressionen zur Eruption brachte. Ruth wollte während des muslimischen Freitagsgebets eine Straße mit betenden Muslimen queren. Diese fühlten sich von ihr gestört, sahen ihre Religion durch die Christin beschmutzt. Binnen weniger Minuten verwandelte sich die brutale Hatz auf die junge Frau in einen tödlichen Flächenbrand über die Stadtgrenzen hinaus.
Die Zerrissenheit und Gewalttätigkeiten Nigerias werden jedoch nirgendwo deutlicher sichtbar als an dem derzeit wohl gefährlichsten Ort des Landes, der Stadt Maiduguri im nördlichen Borno State. Von den Regierenden zur „Heimat des Friedens“ deklariert, ist sie in Wahrheit eine Stadt im permanenten Kriegszustand. Als Geburtsort der islamistischen Sekte Boko Haram und deren Gründer Mohammed Yusuf ist sie auch das Zentrum der militärischen Offensive der nigerianischen Sicherheitskräfte gegen den islamistischen Terror: Tausende Soldaten der Joint Task Force (JTF), verschiedene Einheiten von Armee, Polizei, Geheimpolizei und anderen verdeckt operierenden Sicherheitsdiensten kontrollieren die Straßen und praktisch jeden Winkel der Stadt.  Ihnen werden massive Menschenrechtsverletzungen, Folter und jährlich Tausende Morde zugeschrieben.
Als Journalist bis nach Maiduguri vorzudringen ist schier unmöglich: Reisegenehmigungen in die Stadt werden praktisch nicht erteilt, sofern doch vorhanden, wird deren Gültigkeit von der örtlichen Kommandantur grundsätzlich in Abrede gestellt. Die Gefahr von Entführungen oder Attentaten durch Boko Haram, die westliche Medien explizit zu Feinden ihrer islamistischen Weltanschauung erklärt haben, ist allgegenwärtig. Ein hartes Vorgehen der JTF gegen Journalisten – sollten diese sich „illegal“ aufhalten – ist die Regel, denn die nigerianischen Behörden lassen nichts unversucht, um die Presse an der freien Berichterstattung über die Zustände in Krisengebieten und die zweifelhaften Polizeimethoden bei der „Befriedung“ des Landes zu hindern. Die Einschüchterung durch mehrfache Festnahmen, Verhöre, Hausarrest und Ausweisung musste das Filmteam am eigenen Leib erfahren. An einem Ort wie diesem nach den Hintergründen des Konflikts zu suchen ist lebensgefährlich. Ein beinahe tödlicher Überfall auf das Team brachte dessen Arbeit zunächst zu einem vorzeitigen Ende. Die Stadt des Terrors ist verhüllt in einen unsichtbaren Schleier des Schweigens. Wer als Fremder die Gefahr auf sich nimmt, an diesen Ort zu reisen, muss vorab verlässliche Kontakte aufgebaut haben.

Erster Anlaufpunkt ist der christliche Journalist Ibrahim Mshelizza. Er steht vor dem Rohbau seiner neuen Kirche. Das alte Gebäude zählt zu jenen zerstörten 50 von insgesamt 52 christlichen Gotteshäusern der Stadt. Dennoch ist es nicht vorrangig sein Glaube, der Ibrahim das Leben kosten könnte. „Als Journalist muss ich hier noch mehr um mein Leben fürchten denn als Christ.“ Wenige Wochen nach einem geheimen Treffen wird ein wichtiger Informant und Unterstützer des Filmprojekts auf offener Straße von Unbekannten exekutiert. Ibrahim legt den Kontakt zu einem muslimischen Journalistenkollegen, der wiederum als Verbindungsmann zu Boko Haram fungiert. Letztlich gelingt es dem Filmteam, ein Interview mit zwei Boko-Haram-Kämpfern zu führen und auch mit Aisha Wakil, jener Anwältin und selbst ernannten Menschenrechtlerin, die als „Mutter der Boko Haram“ fungiert.

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