Nibelungenmythos – di Fabio

Deutschland ist in den meisten Rankings das beliebteste Land weltweit. Beliebt bei Touristen, Geschäftsleuten wie Flüchtlingen. Durch sein System sozialer Ordnungen, bestehend aus Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Demokratie, gewährt Deutschland seinen Bürgern ein beispielloses Maß an persönlicher Freiheit. Darum werden wir beneidet und daran wollen viele teilhaben. Eingebettet in transatlantisches Bündnis und EU, übt Deutschland mit seinen offenen Grenzen eine große Sogwirkung aus: „Heute jedoch ist die atlantische Welt von Frieden, Wohlstand und Selbstbestimmung in Gefahr. Der wirtschaftlich potente, dynamische Westen hat Offenheit in Richtung fortgesetzter Entgrenzung übertrieben – und gefährdet damit heute seine Offenheit.“
Mit Entgrenzung meint der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio nicht nur die Staatsgrenzen, sondern auch Grenzen bei Finanzystem (Grenze zwischen Bankgeschäft und Investmentgeschäft), Zentralbank EZB (Grenze zwischen Geld- und Wirtschaftspolitik), Lobbyismus (Grenze zwischen Wirtschaft und Politik), Digitalisierung (Grenze zwischen Privat und öffentlichem Raum) bzw. Humanismus (Grenzen zwischen wiss. Machbarkeit – Umbau des menschlichen Genoms – und Moral/Recht).

Dem Ansturm von über 1,3 Mio Flüchtlingen in einem halben Jahr hat Schengen wie Dublin zusammenbrechen lassen, offene Grenzen und Asylrecht funktionieren unter Druck nicht. „Und das läßt einen intellektuellen Streit entstehen über die Nowendigkeit von klaren Grenzen.“ Doch nur scheinbar intellektuell, denn hier meldet die Strömungslehre der Physik: Entweder offene Grenzen (dann strömt von A nach D so lange, bis Gleichgewicht A=D) oder kontrollierte Grenzen (dann bleibt Ungleichgewicht, wobei D seine Politik gegeenüber A neu ausrichten kann und muß).
Kein wie immer definiertes Staatsgebilde kommt ohne kontrollierte Grenzen aus. Die Diskussion darüber darf nicht durch eine Alternativlosigkeitspolitik a la Merkel (rigide Grenzsicherung ist unmöglich) verhindert werden: „Nicht jede Einschätzung sollte sich mit der Behauptung, die allein mögliche Realpolitik zu sein, gegen Kritik immunisieren.“
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Di Fabio ist gegen Zeitkauf, weiterso bzw. Klein-beigeben und schaut optimistisch in die Zukunft: „Der Westen hat enorme Gestaltungskräfte, und niemand sollte ohne Not die Melodie vom Untergang des Abendlandes anstimmen, zumal im Land des Nibelungenmythos. Viel spricht dafür, dass Schritt für Schritt ein national gestaffeltes und an den Außengrenzen allmählich gestärktes europäisches Grenzsicherungssystem greifen wird.“
20.2.2016

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