Neubau gesichtslose Architektur

Gegen gesichtslose Gewerbebauten: Ernst Lavori von der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Bürgervereine (AFB) fordert einen Gestaltungsbeirat für Freiburg. Oft muss sich der AFB-Vorstand die Klage anhören: „Mir ist weit und breit keine andere Stadt bekannt, die ihren über Jahrhunderte gewachsenen städtebaulichen Charakter in so kurzer Zeit dermaßen nachteilig verändert hat.“ Seit einem Jahr wird in der Stadt Freiburg intensiv über die Qualität in Architektur und Städtebau diskutiert. In der Bürgerschaft wird heftig über das Erscheinungsbild von neu gestalteten Gebäuden, Fassaden und Quartieren diskutiert. Nicht nur in der Innenstadt wird über Objekte, störende Elemente oder über den Gesamteindruck im Gegensatz von gewohnten Ensembles geklagt – gefordert wird ein transparentes Reglement für Planung und Realisierung im Baudezernat und Gemeinderat. „Baukultur wird nicht über Gesetze alleine definiert, sondern durch ein nachvollziehbares transparentes Verfahren“ fordert der AFB- Vorstand. Hier soll nun ein neues Begleitorgan für die städtische Bauverwaltung als Korrekturelement eingebracht werden: ein Gestaltungsbeirat. Damit verbinden sich nun Fragen: Was macht dieser Beirat eigentlich? Wozu wird er gebraucht? Wie soll er funktionieren? Den Bürgern geht es um den behutsamen Umgang mit gewachsenen Strukturen, eine verträgliche Gestaltung von Stadtbild und Lebensverhältnissen des nahen Umfeldes in der Stadt. Eine rechtzeitige Beteiligung und Sensibilisierung in Sachen „guter Architektur“ verlangen Bürger, die eine offene und transparente Behandlung städtebaulicher Entwicklungen einfordern. Heute werden die Öffentlichkeit und die Bürgervereine erst im Bauausschuss informiert, wenn die Projekte meist fertig geplant vorliegen und entscheidende Verträge bereits abgeschlossen wurden. Der Anspruch auf  Beteiligung besteht in einem ganzheitlichen Ansatz und berücksichtigt auch wirtschaftliche Interessen, ökologische Kriterien sowie die städtebauliche Lage im Umfeld des geplanten Gebäudes. Im besten Fall gelingt es, Bauherren und Architekten in ihrem Bemühen um ein wirtschaftliches, funktionales und ansprechendes Gebäude zu unterstützen und somit den Gedanken der Nachhaltigkeit im Bauen umzusetzen. Die öffentliche Behandlung der Bauvorhaben fördert den bewussten Umgang mit der bebauten Umwelt, wozu auch die Bürgervereine beitragen. Natürlich kritisieren Investoren und deren Architekten externe Beratung als Gängelung und halten den Bürgervereinen „mangelnde Sachkenntnis“ vor – bürgerschaftlich externe konstruktive Auseinandersetzungen werden meist kritisch bis abwertend behandelt. Gerade bei gewerblichen Bauten tritt diese scheinbare Kluft zwischen Ökonomie, Ästhetik und Folgewirkung auf. Standardisierte Fertigungen von Alltagsarchitektur führen zu immer gleichen Gebäudetypen landauf landab, die als austauschbare und letztendlich gesichtslosen Gewerbebauten errichtet werden; die Konsequenz ist eine verarmte Gebäudelandschaft. Aufgabe des Beirates soll sein, stadtbildprägende Bauvorhaben gestalterisch zu begleiten und die architektonische Qualität von Objekten sowie das Stadt- bzw. Ensemblebild zu sichern und verhindern zu helfen, dass „baulicher und formelmäßiger Wildwuchs“ des städtischen Bauens in Form und Ausmaß „ins Kraut schießt“. Bei bisher üblichen  Beteiligungsverfahren“ wird die Bürgerschaft durch Sachkundige – meist Architekten und Ingenieure – aus der Baubranche innerhalb der Stadt vertreten; die Bürgervereine werden nur zu Projekten in ihrem Quartier im Bauausschuss gehört. In Heidelberg, Tübingen, Konstanz oder Karlsruhe sind in unterschiedlichen Variationen und Besetzungen bereits Gestaltungsbeiräte vorhanden.
14.3.2013, Ernst Lavori, AFB Vorsitzender, www.stadtkurier.de
e.lavori@gmx.de

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