Taubergiessen

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Taubergiessen und Auenwälder: Wasserarmut und Libellensterben
Die Auenwälder bei Kappel-Grafenhausen und Rhinau sind in keinem guten Zustand
Wasserarmut, Libellensterben, schlechter werdende Bedingungen für Fische: Das Naturschutzgebiet Taubergießen ist in keinem guten ökologischen Zustand. Eine Studie zeigt, wie sich das ändern ließe.
In einer intakten Auenlandschaft wimmelt es im Sommer normalerweise von Libellen. Das sollte auch im Naturschutzgebiet Taubergießen so sein, doch die Daten, die der Freiburger Libellenkundler Holger Hunger diesen Sommer dort sammelte, bestätigten seinen Eindruck: „Ich war betroffen, wie wenig Libellen es dort gibt“, sagte Hunger bei der Vorstellung der von der EU, der Region Grand Est und des Regierungspräsidiums Freiburg finanzierten Machbarkeitsstudie im französischen Rhinau. Die Ursache: Die Fluginsekten finden durch das mit Steinverschüttungen gesicherte Ufer nicht ausreichend Plätze zur geschützten Eiablage. Stattdessen machen sich eingeschleppte Arten wie Grundel und Körbchenmuschel über die Libelleneier her.

Das ist nicht die einzige schlechte Nachricht aus Taubergießen, das mit knapp 17 Quadratkilometern eines der größten Schutzgebiete in Baden-Württemberg ist. Die drei Staustufen in dem vom Rheinseitenkanal getrennten Rest-Rhein zwischen Rheinhausen und Kappel-Grafenhausen erweisen sich für zahlreiche heimische Fischarten als unüberwindbares Hindernis – was ihr Laichgewässer bedenklich einschränkt. Wasserarmut ist ohnehin ein Problem für den unter dem Ingenieur Gottfried Tulla im 19. Jahrhundert angelegten Rest-Rhein, der auch als Tulla-Rhein bezeichnet wird. Denn das meiste Wasser wird in den im 20. Jahrhundert gebauten Rheinseitenkanal für den Schiffsverkehr und das Wasserkraftwerk gelenkt – die Wasserrechte werden erst im Jahr 2040 neu verhandelt.
Dieser Missstand hat sich in diesem Sommer verschärft. Die Wasserknappheit brachte den Fluss fast zum Stillstand, worauf sich das Wasser an manchen Tagen auf bis zu 25 Grad erwärmte. Bei solchen Temperaturen können Fließgewässerfische wie Lachse nicht mehr leben. Zum Problem geworden ist auch der historische Leinpfad entlang des Tulla-Rheins: Er schneidet den Strom weitgehend vom Auenwald ab.

Die Naturschutzgebiete Ile de Rhinau (Mitte) und Taubergießen (links) von oben Foto: Martin Bildstein
Blick nach Süden – rechts Schoenau im Elsass

Dies ist ein Teil der wenig erfreulichen Befunde, die die Machbarkeitsstudie mit dem Namen Rhinaissance in den vergangenen zwei Jahren in den Naturschutzgebieten Taubergießen und Ile de Rhinau zu Tage förderte. Die grenzüberschreitende Studie kostete 357.000 Euro. Sie wurde zur Hälfte von der EU über das Programm Interreg V finanziert und zu je 25 Prozent von der Region Grand Est und dem Regierungspräsidium Freiburg. Erarbeitet wurde sie von dem französischen Ingenieurbüro Ingérop und dem Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz in Bühl, das an den Naturschutzbund (Nabu) angeschlossen ist. Institutsleiter Volker Späth bewertete das Gebiet nach zwei Jahren Arbeit als wertvolle Landschaft, die aber labil geworden sei.
Die beiden Schutzgebiete umfassen 1650 Hektar – den Experten war frühzeitig klar, dass die Probleme nur gemeinsam angegangen werden können. Marianne Horny-Gouier, gastgebende Bürgermeisterin von Rhinau, erinnerte an den Start von Rhinaissance durch einen Besuch des damaligen Landesumweltministers Franz Untersteller (Grüne) im Jahr 2019. Nachdem nun die Studie vorliege, fordert Horny-Gouier zum schnellen Handeln auf, um dieses „bemerkenswerte Naturschutzgebiet“ zu erhalten.

Doch wie das geschehen soll, darüber gibt es nicht in allen Fragen Einigkeit. Deshalb haben die beauftragten Büros eine sogenannte Pioniervariante vorgeschlagen: Alle Maßnahmen, zu denen es Konsens gibt, sollen angegangen werden. Dafür braucht es aber eine Detailplanung, für die wieder die Interreg-Förderung der EU beantragt werden soll. Bis zum Juli nächsten Jahres könnte die Genehmigung vorliegen, sagt Späth.

Kleinere Vorhaben wie eine geringfügige Uferrückverlegung mit einem flachen Zugang zum Wasser aus Kies und Gehölz könnten in einem Jahr geplant werden. Für aufwändigere wie das Rückverlegen des Ufers um jeweils 80 Meter müsste man eher zwei Jahre einplanen. Den Leinpfad auf französischer Seite könnte man etwas absenken, auf deutscher Seite schweben den Naturschutzexperten mehrere Durchlässe vor. Dazu braucht es aber weitere Untersuchungen. Wie aber die Fördermöglichkeiten in ein oder zwei Jahren aussehen, um die Vorhaben auch umzusetzen, könne man heute nicht abschätzen, sagt Späth mit Blick auf die Energiekrise und Schuldenentwicklung.
… Alles vom 12.10.2022 von Klaus Riexinger bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/wenn-die-libellen-fortbleiben–218792747.html