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Sommerhitze Juli 2018 - Wenig Wasser zum Baden in der Dreisam

Sommerhitze Juli 2018 – Wenig Wasser zum Baden in der Dreisam

Allmende – Weiden, die keinem und allen gehören
Es ist ein Begriff, der nicht in die vom Besitzdenken bestimmte Gegenwart zu passen scheint: Allmende. So nennt man Flächen, die niemandem privat gehören, sondern allen in der Gemeinde. Alle dürfen dort ihr Jungvieh weiden lassen, mancherorts gab es auch das Recht, Ackerbau zu treiben. Allmende ist ein Wort aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Gemeindeflur oder Gemeinbesitz. Ohne solche Allmenden hätten große Teile der ärmeren Landbevölkerung nicht überleben können.
An der Allmende interessiert heute freilich die wenigsten Menschen deren Geschichte. Sie nehmen vielmehr diese großen Weideflächen auf den Höhenlagen des Südschwarzwalds als zauberhafte offene Landschaft wahr, durch die man, sobald man aus dem Wald heraustritt, einen freien Blick über Täler und Berge rundum genießen kann. Auf Münstertäler Gemarkung finden sich mit
Sonnhaldeberg, Sittener Berg, Brandenberg,
Kinschbrunnen, Köpfle, Kälbelescheuer-Sirnitz
und Teilen des Belchen
gleich mehrere dieser prägnanten Hochwiesen, die im Vergleich zum eher düsteren Nordschwarzwald den besonderen Reiz dieser Gebirgszone ausmachen.

Magerrasen und Strauchheiden bieten geschützten Arten Lebensraum
Diese nur von kleinen Einzelgehölzen unterbrochenen Wiesen bieten auch im Detail Attraktionen, über die Naturschützer leicht ins Schwärmen kommen: Weil sie nur extensiv bewirtschaftet werden als Sommerweide, insbesondere für das Schwarzwälder Hinterwälder-Rind, bieten ihre Magerrasen und Strauchheiden Lebensräume für eine Flora und Fauna, die unter Schutz steht, etwa für diverse Schmetterlings- und Bienenarten oder Vögel wie den Neuntöter. Diese Flächen offenzuhalten, dazu bedarf es einer lebensfähigen Landwirtschaft – oder großen Einsatzes von Landschaftspflegern. Denn sonst holt sich der Wald sie wieder zurück – was Gemeinden wie Münstertal schon allein wegen der touristischen Bedeutung zu verhindern suchen.

Aber es würde zu kurz greifen, den Erhalt dieser Landschaft nur wegen ihres Erlebniswertes für Wanderer zu betreiben. Denn die Allmendweiden sind Teil der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes. Entstanden sind sie im Hochmittelalter, als wegen eines starken Bevölkerungswachstums auch weniger ertragreiche Lagen in den Tälern und Höhen des Schwarzwaldes unter Bewirtschaftung genommen wurden. Dazu schuf man nicht private Besitzrechte, sondern reklamierte diese Flächen als Besitz der Gemeinde und damit ihrer Bürger. Die meist steilen, oft mit Felsen durchsetzten Hänge wurden als „Weidberg“ gemeinsam genutzt – womit auch jene Bauernfamilien, die unten im Tal nicht zuletzt wegen der Realerbteilung (gleiche Erbanteile für jeden Nachkommen des Erblassers) nur wenige Wiesen und Äcker besaßen, zumindest im Sommer ihr Vieh, zusammen beaufsichtigt von einigen Hirten, weiden lassen konnten: So war auch für sie ein halbwegs auskömmliches Wirtschaften auf ihrem kleinen Hof gesichert.

Das Wegenetz ist dünn
Diese Wiesennutzung prägte in der Folge die Landschaft: Es entstanden große offene Flächen hoch oben am Berg, auf denen Sprösslinge der Waldbäume gegen die grasenden Kühe oder Ziegen keine Chance hatten und die bis heute nur durch Weidemauern und Steinriegel etwas gegliedert sind. Entsprechend dünn ist das Wegenetz, das die Allmende erschließt – man braucht ja nicht mehr für deren Nutzung. Zeitweilig machte die Allmende 40 Prozent der Gemarkungsfläche einer Schwarzwaldgemeinde aus. Dass man dies im Nordschwarzwald nicht findet, hat mit der dort seit dem 17. Jahrhundert üblichen Erbregelung zu tun, die bewirkte, dass der Hof ungeteilt an einen Erben überging – und Privatbesitz wichtiger war als Gemeindebesitz, weil es kaum Kleinbauern zu versorgen gab.

Viele Allmenden wurden privatisiert
Verschärfte ökonomische Bedingungen für die Landwirtschaft waren Ursache für eine verstärkte Privatisierung der Allmende, die damit in ihrer Nutzung dem Willen der Gemeinde wie dem Gemeinwohl entzogen war. Heute gibt es nur noch rund 10 000 Hektar Allmendeflächen im Südschwarzwald, wobei die Weiden im Münstertal großteils immer noch in Gemeindebesitz sind. Doch auch dort spürt man den wirtschaftlichen Druck, der zu Verpachtungen von Wiesen an einzelne Landwirte geführt hat.

Doch selbst deren Situation wird schwieriger, weil mit der Rückkehr des Wolfs für sie ein neues, nur teuer zu lösendes Problem entstanden ist. Denn nun werden, um das Vieh zu schützen, aufwändige Zäune nötig: für die Landwirte eine Investition, die sich wenig bezahlt macht. Zugleich verändert die Einzäunung die Landschaft, die zunehmend, weil immer weniger Kühe oder Ziegen dort weiden, durch teure Pflegearbeiten vorm Verwalden geschützt werden muss. Fachleute sehen deshalb die Landschaftsform Allmende bedroht. Und zwar nicht nur als Natur-, sondern auch als eine vom Menschen geschaffene Kulturlandschaft.
… Alles vom 16.8.2021 von Wulf Rüskamp bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/allmendweiden-sind-flaechen-die-keinem-und-allen-gehoeren–204117447.html

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Wilde Wald-Weiden am Taubergießen – innovativer Waldnaturschutz?
Vor kurzem wurde von der Gemeinde Kappel-Grafenhausen (Naturschutzgebiet Taubergießen) ein am Oberrhein bislang einzigartiges Projekt gestartet: Wilde-Wald-Weiden. Ziel ist die Wiederherstellung einer extensiven Weidelandschaft, die offenes Grasland ebenso einbezieht wie lichte, von der Eiche geprägte Weidewälder.

Seit 2017 weiden halbwilde 30 Salers-Rinder mit ausladenden Hörnern, eine alte Rasse aus der Auvergne, die schon ähnlich in den dortigen Höhlenmalereien auftaucht sowie mehrere Konik-Pferde (alte Steppenponyrasse aus Polen) ganzjährig auf den nassen „Elzwiesen“ und im angrenzenden Wald. Die Offenlandweide umfasst 30 Hektar. Hinzu kommen 60 ha Waldweide im Schonwald „Lichter Wald“.
Der Schonwald dient insbesondere der Erhaltung, Pflege und Wiederherstellung von großflächigen, lichten Waldstrukturen, in denen vor allem Eichen und Ulmen wachsen. Dabei wird die Waldweide bewusst als Pflegemassnahme zur Schaffung lichter Wälder eingesetzt, da die Salers-Rinder den sehr dichten Unterwuchs, vor allem Haselgewächse, als Futter schätzen und auslichten.

Die Weidetiere sollen in Verbindung mit Überflutungen im künftigen Polder “Elzmündung“ Strukturen schaffen, die u.a. bestmmte Insektenarten zur Vermehrung oder für die Ernährung benötigen. Bodenverwundungen durch Huftritt ermöglichen außerdem die Keimung bestimmter lichtbedürftiger Planzensamen.
Außerhalb des Waldes soll das Projekt die Extensivweiden durch Beweidung dauerhaft offen halten und in eine naturnahe Weidelandschaft rücküberführen. Alte Gewannnamen wie Sau- und Rappenkopf, Gänsweid oder Kälberschollen zeugen von einer vor dem Beginn der großen Rheinkorrekturen noch häufig anzutreffenden kraftvollen Landschaftsgestaltung durch Weidetiere.
Auf den Wilden-Wald-Weiden in Kappel-Grafenhausen können so im großflächigen Weideverbund geschützte Pflanzen- und Tierarten erhalten und die Biodiversität gefördert werden.

Ein weiteres schönes Ausflugsziel, vor allem für Familien, zumal Rinder wie auch Ponys freundlich und wenig scheu sind. Die urig aussehenden Weidetiere sind ein Besuchermagnet, der das Angebot für Naherholung und Tourismus „auch ohne Seilbahn!“ im Naturschutzgebiet Taubergießen positiv bereichert.

16.12.2018, Hans-E. Homlicher, Freiburg

 

Weide 4.0

Weidende Kühe werben auf immer mehr Milchpackungen in den Supermarktregalen, wie auch in Tourismusprospekten. Schafe, Ziegen, Lamas, Yacks usw. scheinen Konjunktur in der Landschafts-pflege zu haben. Die Agrarpolitik gewährt sogar Weideprämien. Doch wenn man mit offenen Augen durchs Land fährt, fallen weidende Tiere immer seltener auf, wohl aber große neue Ställe. Wandert man durch den Schwarzwald trifft man Weidevieh in der Regel an steilen Hängen, wo sie aber öfter auch von Mulchgeräten oder bald auch von Mährobotern ersetzt werden. Weide also Marktingmode, Auslaufmodell oder doch mehr?

Weide ist die älteste Landnutzugsform

Eigentlich hat die Geschichte der Landnutzung mit der Weide begonnen. Dabei ist offen, ob das Gras oder die Weidetiere als Graser zuerst da waren. Denn sie sind eine Lebensgemeinschaft, die die besten Böden der Welt, die Steppen und Prärien mit ihren Schwarzerdeböden hervorgebracht hat. Weil die Graser den Wuchs des Grases durch Abbeißen fördern und damit das Wachsen seiner Wurzeln, die zusammen mit den Exkrementen der Graser die Basis für den Humus sind. Deshalb waren diese steppenartigen Landschaften auch der Lebensraum für die ersten Menschen als Jäger und Sammler. Überall dort aber, wo der Boden zu karg und das Klima für diese Lebensgemeinschaft zu rau war, entwickelte sich Wald.

Weide als Rodungsfolger

Als die Menschen sesshaft wurden, rodeten sie Wald für den Ackerbau und als Bau- und Brennmaterial. Für ihre Viehzucht dienten die noch nicht gerodeten Wälder und das wieder aufgegebene Brachland als Weide. Damit begann in fast allen Kulturen ein Prozess, der später als Schicksal der Allmende beschriebenen wurde. Weil zum Überleben immer mehr Tiere gehalten wurden, vor allem Ziegen, die die entwaldeten Berge kahl fraßen und durch Übernutzung den Humusaufbau der Weide in die Verkarstung verkehrt haben.

Dem Schwarzwald als Spätsiedelgebiet ist diese Entwicklung erspart geblieben, obwohl auch er vor 250 Jahren beinahe entwaldet war. Ob die Wiederbewaldung eine Folge der Gesetze zur nachhaltigen Waldnutzung oder der Entdeckung der Kohle als Alternative zum Holz ist, ist unklar. Klar ist, dass das Verhältnis zwischen Weide und Wald seither gestört ist, obwohl Wald zum natürlichen Lebensraum fast aller Weidetiere gehört hat. Dennoch sind nicht wieder Mischwälder entstanden, weil die Jagdlust Hirsche und Rehe hegte. Dienten zuvor Zäune nur dem Schutz von Gärten und Äckern vor den Weidetieren, begann jetzt die Einzäunung der Weiden. Nur in den Hochgebirgen konnten die Viehherden weiter dem Graswuchs nachwandern.

Die Weide als Verlierer in der landwirtschaftlichen Revolution.

Mit der Industrialisierung stieg der Nahrungsmittelbedarf in den Städten. Im Zentrum standen das Brot und damit die Intensivierung des Ackerbaues. Die Viehhaltung musste dazu Mist als Dünger liefern, weshalb man zur ganzjährigen Stallhaltung überging. Mit dem eisernen Pflug konnten Weiden leichter umgebrochen werden. Als Futter für das Vieh und zur Förderung der Boden-fruchtbarkeit wurde auf dem Acker im Fruchtwechsel Klee angebaut. In niederschlagsreichen Regionen wie dem Schwarzwald war diese Intensivierung des Ackerbaues durch den Unkrautdruck nicht möglich. Hier entstand die Feldgraswirtschaft, die den aufgebauten Humus der Weiden nutze, um ein paar Jahre Getreide und Kartoffeln anzubauen um die Brache dann wieder der Selbstberasung zu überlassen. Wenn nach einem Jahrzehnt die Weide den Humus wieder aufgebaut hatte, konnte man darauf wieder ein paar Jahre Ackerbau treiben.
Mit der Eisenbahn verlor die lokale Versorgung mit Getreide ihre Bedeutung. Aber erst die Not der beiden Weltkriege lenkte den Blick wieder auf die Weiden, die in den Katastern oft als Öd- oder Unland geführt wurden. Im Focus der Ernährungssicherung wurde nun auch eine gezielte Beweidung dieser Restflächen mit Jungvieh oder Schafen angestrebt. Während in den sehr graswüchsigen Küstengebieten und im Alpenvorland Kuhweiden in Form der Koppelwirtschaft entstanden, galt in den anderen Gebieten die Stallfütterung weiter als effizienter als die Weide. Erst mit dem elektrischen Weidezaun wurde das rationierte Weiden wieder aktuell. Doch mit dem wirtschaftlichen Druck zu größeren Kuhzahlen wurden die Weideflächen um den Hof zum kappen Faktor. Deshalb wurde mit der immer schlagkräftigeren Mechanisierung in den letzten Jahrzehnten die ganzjährige Fütterung mit Silage zum Standard der Milch- und Rindfleischerzeugung.

Weide als Weg zu einer nachhaltigen Agrarkultur
Hinter den weidenden Kühen auf immer mehr Milchpackungen stehen zwei Einsichten. Die eine ist, dass Weide billiger als konserviertes Futter ist und mit den Bildern diese Milch am Markt platziert werden soll. Die andere Erkenntnis ist, dass Milch und Fleisch von der Weide für unsere Gesundheit eine günstigere Zusammensetzung an lebensnotwenigen Fettsäuren haben. Da direkte Werbung mit Gesundheitsaspekten nicht zulässig ist, nutzt man dazu Bilder. Bemerkenswert zu diesem Marketing der Weide ist die Reaktion des klassischen Weidelandes Irland. Auf ihrer Homepage versuchen sie sich mit folgenden Weidewahrheiten abzuheben: 1. Wir machen keine halben Sachen, darum sind gleich 2/3 Irlands grün. 2. Unsere Kühe verbringen fast 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche und fast 300 Tage im Jahr auf der Weide.

Natürlich kann und darf man Irland nicht mit dem Schwarzwald vergleichen, aber die irischen Weidewahrheiten sollte man ernst nehmen. Denn mit dem Tierwohltrend werden wohl mehr Kühe für ein paar Stunden in den Sommermonaten rausgelassen, ernähren tun sie sich aber überwiegend im Stall. Diese Siestaweide könnte die zu kleinen Weideflächen übernutzen und den Weidetrend zum Strohfeuer machen. Zumal mit den zunehmenden Trockenperioden durch die Klimaerwärmung der Nachwuchs der Weiden unregelmäßiger und unsicherer wird.

Dennoch wird die Bedeutung der Weide im Blick auf eine nachhaltige Zukunft zunehmen. Denn die moderne Landwirtschaft verbraucht ein Mehrfaches an Kalorien an Energie als sie als Nahrung erzeugt und ist so kaum nachhaltig. Weiden dagegen erzeugen in Verbindung mit Wiederkäuern mehr Kalorien Nahrung als dafür an Energie eingesetzt werden müssen. Hinzu kommt ihr Humusaufbau, der hilft das klimaschädigende CO2 zu binden. Weide ist aber eine interdisziplinäre Kunst, nämlich den Bedarf der Tiere mit dem natürlichen Graswuchs in Einklang zu bringen, was in unserer arbeitsteiligen Zeit schwerfällt. Denn in Wissenschaft und Lehre sind Gras und Graser getrennt. Es war die Kunst der Hirten, die lateinisch und niederdeutsch Pastor heißen. Weiden als ökologisches System zu verstehen ist die große Herausforderung in der Transformation in eine nachhaltige Zukunft. Dabei wird es weniger um Pflege und Offenhaltung der Landschaft gehen, sondern mehr um die Zusammenhänge wie wir wirtschaften und leben. Auf dem Weg zur Weide 4.0 werden aber weniger digitale Karten und Weidejournale eine Hilfe sein, sondern die Beobachtungs-gabe der Hirten. Pastoren also vielleicht neuer Beruf werden.

19.8.2018, Siegfried  Jäckle, info@forumproschwarzwaldbauern.de
Erschienen auch in „Der Schwarzwald„, 3/2018, Seite 14f., , https://www.Schwarzwaldverein.org

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