Jungbauern

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Störche im frisch geernteten Getreidefeld im Dreisamtal bei Freiburg 25.6.2023

 

Jungbäuerinnen übernehmen Langenhof St.Märgen, Zinggehof Lenzkirch
Warum entscheiden sich junge Frauen, einen Bauernhof zu übernehmen? Wie fühlen sie sich in einer Branche, die immer noch stark von Männern dominiert wird? Zwei Jungbäuerinnen erzählen.
Sie sitzen bei Nusskranz in der guten Stube des Langenhofs bei St. Märgen: Den hat Carina Göppert (31) vor vier Jahren von ihren Eltern übernommen. Anna Vogelbacher (30) wird den Zinggehof in Lenzkirch in drei Jahren übernehmen.
BZ: Fragen Sie sich ab und zu: Bin ich denn verrückt geworden, dass ich einen Bauernhof übernehme?
Göppert: Manchmal, wenn ich abends die Büroarbeit mache und sowas wie den Subventionsantrag ausfüllen muss, frage ich mich das schon. Ich habe den Eindruck, die Vorschriften von Seiten der Ämter werden mehr und komplizierter. Aber schon im Kindergartenalter habe ich zu meinen Eltern gesagt: Ich will mal den Hof! Ich bin nun mal gern im Stall bei unseren 32 Kühen. Wenn ich Stress mit den Kindern hatte, bringt mich die Arbeit dort runter. Ich mag es, meine eigene Chefin zu sein, ich kann mir die Arbeit einteilen, wie ich will, kann während der Arbeit die Kinder bei mir haben. Dieses Leben gefällt mir.
Vogelbacher: Es sind eher meine Eltern, die fragen: Willst Du Dir das wirklich antun? Ich habe mich klar dafür entschieden, denn ich bin damit aufgewachsen. Ich liebe die Arbeit mit den Tieren, ich fahre gern Traktor, arbeite gern mit den Maschinen. Klar: Ich bin 365 Tage im Jahr im Stall, habe Verantwortung für die Tiere. Wenn nachts um 11 Uhr die Kuh kalbt, muss ich raus. Die Jahreszeiten geben die Arbeit vor, und die ist immer wieder anders – mal Mist ausfahren, mal mähen, mal ernten. Diese Abwechslung gefällt mir sehr.

BZ: Heutzutage müssen Landwirte fit sein in Digitalisierung, die Technisierung schreitet schnell voran. Sind Sie eher Managerin statt Bäuerin?
Vogelbacher: Diese Veränderungen spürt man zwar, aber im Schwarzwald ist das sicher noch nicht so weit vorangeschritten wie bei großen Ackerbau- und Milchviehbetrieben in anderen Teilen Deutschlands.
Göppert: Bei uns auf dem Hof hält sich die Digitalisierung in Grenzen. Aber vieles ist sehr praktisch, etwa Apps fürs Herdenmanagement. Die App zeigt mir an, wann die Kuh kalbt oder besamt werden soll.
Vogelbacher: Ich schreibe das immer noch mit der Hand auf. Melkroboter haben wir beide noch nicht. Klar, die neuen Traktoren und Maschinen haben viel mehr Elektronik, für alles gibt es ein Knöpfle, vieles ist dadurch einfacher. Selber reparieren kann man die Dinger aber leider oft nicht mehr. Manche neue Technik ist sehr sinnvoll: Sensoren etwa, mit denen man beim Mähen Rehkitze erkennt.

BZ: Die Landwirtschaft ist immer noch stark eine Männerdomäne. Ist das manchmal schwierig für Sie?
Göppert: Nein. Manchmal rufen Futtermittelvertreter an und nehmen mich nicht ernst, fragen nach meinem Mann. Dann sage ich: Sie sind bei mir schon richtig. Klar, früher brauchte es bei vielen Arbeiten mehr Kraft – und halt mal einen Mann. Heute kann man viel mit dem Traktor, mit Technik machen.
Vogelbacher: Die Branche wird weiblicher. In der Landwirtschaftsschule waren wir damals nur drei Frauen in der Klasse, heute beträgt der Frauenanteil oft 50 Prozent. Klar, als ich meinem Vater gesagt habe, dass ich Landwirtin werden will, meinte er: Du spinnst, a Maidle wird kein Landwirt, geh’ ins Büro, da hast Du mehr Geld und Urlaub. Ich hab mich dann einfach, ohne ihn zu fragen, an der Schule angemeldet, da war er sauer.

BZ: Was macht die junge Generation anders?
Göppert: Wir Jungen probieren mehr aus. Ich wollte auf Bio umstellen, wir konnten es letztlich nicht wegen unserer Schnapsbrennerei. Aber Bio war ganz und gar nicht die Philosophie meines Vaters, da haben wir viel diskutiert. Unser neuer Kuhstall würde für die Biorichtlinien passen. Viele Bauern gehen ja sowieso eine Art Mittelweg zwischen bio und konventionell, der Graben ist da längst nicht mehr so tief wie früher.
Vogelbacher: Bei uns in der Familie gab es eine lange Debatte, ob wir statt eines festen Stands für den Wochenmarkt einen Verkaufswagen anschaffen, um nicht ständig ein- und ausladen zu müssen. Da kam von den Eltern der Spruch: Das haben wir aber schon immer so gemacht. Wenn die Veränderung dann da ist, sind die Älteren ganz zufrieden damit. Ich glaube außerdem, dass wir Junge uns auch mehr vernetzen, andere Höfe nicht als Konkurrenz sehen, sondern uns austauschen und bei Problemen öfter helfen.
Göppert: Ich wollte unseren Kuhstall vom Anbindestall zum Laufstall umbauen. Ich will den Kühen auch ihre Hörner lassen, statt sie zu enthornen. Da scheiden sich innerhalb der Familie schon mal die Geister. Ich finde aber auch, wir müssen die große Erfahrung der Alten schätzen, auf ein Miteinander achten. Die Familie ist wichtig für den Hof, ohne sie klappt das nicht.

BZ: Viele Jüngere schauen auf die Work-Life-Balance. Ist das bei Ihnen ein Thema?
Vogelbacher: Schon meine Eltern haben auf Pausen bei der Arbeit geachtet. Am Sonntag nimmt man sich nur den Stall vor, sonst nichts – und man macht mal einen Ausflug. Aber wenn man die Verantwortung für einen Hof hat, ist die Gefahr groß, immer zu arbeiten. Arbeit und Privates liegen halt an einem Ort.
Göppert: Meine Eltern sind das erste Mal in Urlaub gefahren, als ich alt genug war, um den Stall zu machen. Das muss man sich mal vorstellen.

BZ: Kennen Sie Bauern, die verzweifelt sind und nicht mehr können?
Göppert: Viele würden sowas außerhalb der Familie nicht zugeben. Von einem Bauer wird verlangt, dass er ein starker Mann ist. Erschöpft zu sein, nicht mehr zu können, Zukunftsangst zu haben: Das ist in der Landwirtschaft immer noch ein großes Tabuthema. Der Hof beschäftigt einen ständig. Auch finanziell ist oft Druck da, wenn man einen Stall baut und die Milchpreise nicht sicher sind. Viele Landwirte müssten stärker auch auf sich selbst achten.

BZ: Was macht Ihnen am meisten Sorgen?
Vogelbacher: Die vielen Vorschriften und die Dokumentation, etwa was wir wo und wann anbauen oder wie viel wir düngen. Und der Wolf. Wir Bauern passen 365 Tage im Jahr darauf auf, dass es unseren Viechern gutgeht. Auf einmal bist du machtlos und musst damit klar kommen, dass der Wolf ein Tier reißt, dass es langsam verendet, dass Du es vielleicht erlösen musst. Das will keiner von uns.
Göppert: Die Erzeugerpreise könnten besser sein, aber für mich ist das keine akute Sorge. Auch der Klimawandel ist etwas, was mich beschäftigt, aber wir werden damit irgendwie umgehen. Schlimmer finde ich, dass wir Landwirte uns oft überwacht fühlen, da ist viel Misstrauen statt Vertrauen in unsere Arbeit.

BZ: Sie haben einen Wunsch frei!
Göppert: Ich wünsche mir, dass die Kunden die Lebensmittel mehr schätzen. Dass sie sehen, welchen Aufwand wir dafür betreiben. Beim Handy ist vielen der Preis egal, beim Quark geht’s ihnen um jeden Cent.
Vogelbacher: Dass die Leute uns mehr nach unserer Arbeit fragen. Dafür ist es aber auch wichtig, dass wir Landwirte mehr auf die Leute zugehen.
… Alles vom 24.4.2023 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/viele-muessten-staerker-auf-sich-achten

Carina Göppert hat auf ihrem Langenhof neben 32 Milchkühen auch Wald, Grünland, eine Schnapsbrennerei. Göppert hat eine Hauswirtschafts- und Landwirtschaftsausbildung gemacht.
https://www.freiburg-schwarzwald.de/zwerisberg.htm#Langenhof (Bilder von 2008)

Anna Vogelbacher wird den Zinggehof in Lenzkirch übernehmen, ein Biobetrieb mit 120 Tieren in der Mutterkuhhaltung, 16 Milchkühen, 15 Schweinen, 8 Ziegen und 110 Hühnern. Die Landwirtschaftsmeisterin ist auch Kreisvorsitzende des BLHV im Hochschwarzwald.
https://www.badische-zeitung.de/auf-dem-zinggehof-in-lenzkirch-ist-die-biobutter-ist-der-renner–176866125.html
https://www.sweb.de/hochschwarzwald/die-zukunft-des-zinggehofs;art116,773