Nahrungsmittelspekulation

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Blick nach Südwesten über Maisfelder bei Ettenheimweiler am 26.10.2009 – rechts oben der Heubergturm

 

 

Volumen des weltweiten Mais und Weizen:
1/3 Geschäft der Händler mit tatsächlich vorhandenem Getreide
2/3 Geschäft der Trader mit Finanzpapieren bzw. Finanzderivaten zum Getreide

 

 

Warum wird an Rohstoffbörsen täglich ein Mehrfaches des Weltgetreideverbrauchs gehandelt?
Selbst das Handelsblatt, dem man sicher keine Ferne zu den Interessen von Börsenspekulanten nachsagen kann, kleidete diesen Sachverhalt kürzlich vorsichtig in Frageform . Der Börsenexperte Dirk Müller hat in einer Expertise für das Hilfswerk Misereor die gängigen Behauptungen der Spekulanten widerlegt. Jochen Schumann, als investigativer Journalist bekannt, hat sich in seinem Buch „Die Hungermacher: Wie Deutsche Bank, Allianz und Co. auf Kosten der Ärmsten mit Lebensmitteln spekulieren“ mit den Argumenten der Finanzwirtschaft auseinandergesetzt. Diese Untersuchungen werfen folgende Fragen auf: Warum wird das Brot für die Welt überhaupt über Börsen gehandelt, und das noch dazu von Kapitalanlegern, die weder mit der Produktion noch mit der Verarbeitung von Nahrungsmitteln in Verbindung stehen? Welchen wirtschaftlichen Sinn macht es, dass an den Rohstoffbörsen täglich ein Mehrfaches des Weltgetreideverbrauchs gehandelt wird? Wer zahlt für die Gewinne der Anleger, wenn nicht die Verbraucher? Könnte es nicht doch sein, dass die Spekulation mit Agrarrohstoffen den Preisauftrieb und damit die Not von Millionen Menschen zwar nicht verursacht, aber doch drastisch verschärft?
Die Befürworter aus der Finanzwelt behaupten, für den Zusammenhang zwischen Spekulation und Preisauftrieb gebe es keine Beweise. Sie suggerieren sogar, durch ihre Spekulation, an denen sie bestens verdienen, einen Beitrag zur „Marktberuhigung“ zu leisten. Doch mindestens ebenso viele unabhängige Experten haben ernstzunehmende Studien vorgelegt, in denen sie genau das Gegenteil belegen. Statt Antworten zu geben, fällt Herrn Kramer nichts anderes ein, als die Hilfswerke, die sich redlich um eine Lösung der weltweiten Nahrungsprobleme bemühen, als naiv zu diffamieren und den löblichen Ausstieg der DZ Bank aus der Agrarspekulation zynisch mit „miese Folgen“ und „schade“ zu kommentieren. Was haben seine Forderungen, einerseits weiterhin mit Agrarrohstoffen zu spekulieren und andererseits höhere Beträge in Bildung, Landwirtschaft und Korruptionsbekämpfung zu investieren, miteinander zu tun? Woher soll das Geld für die zu Recht geforderten Investitionen kommen? Möglicherweise genau von den UN-Institutionen und Hilfswerken, deren Argumente gegen die Spekulation er einfach unter den Tisch fallen lässt? Oder vielleicht doch aus einer Finanztransaktionssteuer, deren Einführung er sich vermutlich genauso vehement widersetzt wie die Bankenlobby, zu deren Sprachrohr er sich macht?
21.6.2013, Prof. Dr. Viktor Lüpertz, Oberried

Zu: „Ausstieg aus der Agrarspekulation – Gute Absicht, miese Folgen“, Bernd Kramer vom 31. Mai 2013:
https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/ausstieg-aus-der-agrarspekulation-gute-absicht-miese-folgen–72361479.html

 

 

Unter denen, die am meisten darunter leiden, sind die Ärmsten der Armen

Ich bin seit 23 Jahren in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig. Bei meiner Arbeit begegne ich extrem armen Menschen, die nicht einmal über einen Dollar am Tag verfügen. Denen es am Allernötigsten fehlt, für die jeder Tag ein Kampf ums Überleben darstellt. Gerade jetzt bin ich aus Äthiopien zurückgekehrt und habe in der Hauptstadt Verwahrloste gesehen, die wohl dem Tod nahe sind. Ein äthiopischer Kollege meinte, dass es abseits der Kongresszentren und Luxushotels „viel leises Sterben“ gebe, an den Straßenrändern, wo manche bis zuletzt auf ein Almosen hoffen. Diese Ärmsten der Armen litten in den letzten Jahren unter ungewöhnlich hohen Preisschwankungen bei Nahrungsmitteln. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sieht darin eine wesentliche Ursache für den Anstieg der Zahl der Hungernden auf mehr als eine Milliarde Menschen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) kam zu dem Schluss, dass ein hohes Maß an Spekulation an den Terminmärkten extreme Preisspitzen mit verursache. Von renommierten Forschungseinrichtungen durchgeführte Studien belegen, dass es in bestimmten Jahren trotz guter Ernten zu extremen Preisanstiegen für Weizen auf den Weltmärkten kam. Diese Preisanstiege wurden unter anderem durch Hedge-Fonds-Manager verursacht, die Nahrungsmittel im großen Stil aufkauften und den Verkauf dann so gestalteten, dass mit künstlich verknappten Rohstoffen hohe Gewinne erzielt werden konnten. Der von Ihnen beschriebene Großbauer, der an den Terminmärkten nach einer Absicherung seiner zu verkaufenden Ware sucht, ist unterdessen in der Minderheit. 70 bis 80 Prozent der Akteure an Terminmärkten sind mittlerweile reine Spekulanten.
Natürlich sind Nahrungsmittelspekulationen nur eine von vielen Ursachen für Hunger. Sie haben völlig recht, wenn Sie die Nutzung von Agrarflächen für Bio-treibstoffe anprangern. Und natürlich wären höhere Investitionen in Bildung und Landwirtschaft sowie die gesteigerte Bekämpfung der Korruption wünschenswert. Aber soll man die Mitschuld von stark zugenommener Nahrungsmittelspekulation an der Verteuerung von Grundnahrungsmitteln ignorieren, nur weil es noch andere Ursachen für Hunger gibt? Und ist es nicht ein sehr erfreuliches Zeichen von Kundennähe, wenn sich die DZ Bank und die Fondsgesellschaft Union Investment der Sorgen ihrer Anleger annehmen und künftig auf die Spekulation mit Agrarrohstoffen verzichten?
Die wirklich Betroffenen, jene, für die ein Preisanstieg von Nahrungsmitteln das Aus bedeuten kann, erwähnen sie in Ihrem Leitartikel mit keinem Wort. Stattdessen sind Sie voller Häme für Gegner von Agrarspekulationen. Robin Hoods seien sie. Als Beschützer der Armen und Streiter gegen die Gierigen würden sie sich aufspielen. Die Sichtweise dieser „Volkshelden“ greife zu kurz. Der guten Absicht ständen miese Folgen gegenüber.
Mit dieser Wortwahl setzen sich selbst auf ein hohes Ross. Sie geben vor, die Komplexität von Agrarspekulationen zu überschauen, erwähnen aber die zahlreichen Warnungen internationaler Agrarorganisationen vor den Gefahren von Agrarspekulation mit keinem Wort. Ihr unausgewogener, stellenweise anmaßender Leitartikel ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich zumindest um Lösungen für dringende globale Probleme bemühen.
4.6.2013 , Paul Wolterstorff, Stegen

Zu: „Ausstieg aus der Agrarspekulation – Gute Absicht, miese Folgen“, Leitartikel von Bernd Kramer (Politik, 31. Mai): Sekulation ist also ein komplexeres Feld, als viele Hilfsorganisationen glauben machen wollen. Die Situation der Ärmsten verbessern Ausstiegsforderungen jedenfalls nicht. Höhere Investitionen in Bildung, Landwirtschaft und ein entschiedenes Vorgehen gegen Korruption versprechen mehr Fortschritte beim Kampf gegen den Hunger. …
https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/ausstieg-aus-der-agrarspekulation-gute-absicht-miese-folgen–72361479.html

 

 

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) appelliert an die Abgeordneten des Bundestages, den

Nahrungsmittelspekulation eindämmen – Offener Brief von 12 NGOs an EU

NGOs wie Oxfam und Foodwatch haben jeweils eigene Studien publiziert und Banken und Versicherer für das Zocken mit dem Essen immer wieder scharf kritisiert. Am 29.10.2012 haben sich zwölf Organisationen, darunter auch die Welthungerhilfe und Attac, zusammengeschlossen und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aufgefordert, die Spekulation einzudämmen:

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,
die Deregulierung der Finanzmärkte hat die Weltwirtschaft in eine tiefe Krise gestürzt, unter der wir alle heute noch leiden. Zu den Exzessen der ungebändigten Finanzmärkte gehört auch die Spekulation an den Rohstoffterminbörsen. Diese dienen schon lange nicht mehr nur der Preisabsicherung von Rohstoffhändlern und der Preisfindung. Die Warenterminmärkte werden inzwischen von Hedgefonds, Banken, Investmentfonds und Versicherungen dominiert, die in völlig neuer Weise an diesen Märkten auf die Preise von Weizen, Soja oder Mais wetten. Mit fatalen Folgen: Es gibt erdrückende Belege dafür, dass diese exzessive Spekulation die Ausschläge an den Börsen auf die Spitze treibt, die Märkte destabilisiert, die Schwankungen der Lebensmittelpreise auf Rekordniveau hievt und dadurch Hungerkrisen verschärft, unter denen besonders die Ärmsten der Armen leiden. In den nächsten Wochen wird der Europäische Rat der Finanzminister darüber entscheiden, ob die Rohstoffterminmärkte so effektiv reguliert werden, dass solche spekulativen Preiserhöhungen bzw. -schwankungen und ihre katastrophalen Auswirkungen eingedämmt werden können. Eine der wichtigsten Maßnahmen für dieses Ziel ist es, die Anzahl der von Händlern und Händlergruppen an den Börsen geschlossenen Verträge durch  Positionslimits effektiv zu beschränken. Der aktuelle Vorschlag des Rates enthält jedoch gefährliche Schwächen. Besonders kritisch ist, dass die vorgeschlagenen Limits nicht – wie es in den USA bereits beschlossen wurde – den außerbörslichen Handel, also die Schattengeschäfte einschließen.  Die Finanzindustrie wehrt sich heftig gegen derartige Limits. Es kommt jetzt darauf an, dass der Ministerrat sich mit einer effektiven Regulierung durchsetzt. Und die Stimme des deutschen Finanzministers hat hier ein besonderes Gewicht!
Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble, Sie haben kürzlich zur Deregulierung der Finanzmärkte gesagt: „Alle haben bei diesem Wahnsinn mitgemacht, ich auch.“ Wir bitten Sie: Tragen Sie dazu bei, diesen Wahnsinn jetzt zu stoppen! Machen Sie von Ihrem Einfluss als deutscher Finanzminister Gebrauch. Überlassen Sie das Feld nicht ein weiteres Mal den Interessen der Finanzlobby! Setzen Sie sich nachdrücklich für verpflichtende Positionslimits gegen exzessive Spekulation ein, die für einzelne Händler und Händlergruppen, alle Handelsmonate und alle Arten von Verträgen gelten, auch für diejenigen, die außerbörslich gehandelt werden. Ihr Einsatz für eine effektive Regulierung der Rohstoffterminmärkte entscheidet über das Leben und die Gesundheit von Menschen.
29.10.2012

Den Offenen Brief haben unterzeichnet (in alphabetischer Reihenfolge): Attac, Campact, foodwatch, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), medico international, Misereor, Oxfam Deutschland, Südwind, terre des hommes, WEED (Institut und Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung) und die Welthungerhilfe.

 

Spekulation mit Getreide treibt die Preis hoch

Den Recherchen von Foodwatch und Dirk Müller zufolge haben Pensionsfonds, Versicherungen, Stiftungen und andere Großinvestoren, aber auch Kleinanleger, über Investmentfonds oder börsengehandelte Indexfonds weltweit mehr als 600 Milliarden Dollar (478 Milliarden Euro) an den Rohstoffbörsen angelegt. Sie beeinflussen damit die Nahrungsmittelpreise, ohne dass sie ein Interesse haben, Weizen oder Mais wirklich zu kaufen oder zu verkaufen. Die Anleger setzen auf Futures, auf Papiere, die den eigentlichen Handel mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln nur nachbilden – im Gegensatz zu Termingeschäften, bei denen sich Bauern oder Brotfabriken gegen unerwünschte Preisentwicklungen schützen können. Solche weithin als sinnvoll anerkannten Absicherungsgeschäfte allerdings, so sagen die Kritiker, machten heute nur noch etwa ein Fünftel des Geschäftes mit Rohstoffen aus. Vier Fünftel, so rechnen sie vor, dienten ausschließlich der Kapitalanlage und damit der Finanzspekulation.
Grundnahrungsmittel werden  nicht mehr nur auf realen Märkten gehandelt, nach Angebot und Nachfrage, sondern auch auf so genannten Waren-Terminmärkten. Zwar gibt es auch Waren-Termingeschäfte schon seit Jahrhunderten, wenn etwa ein Bauer mit einem Müller im voraus einen Preis für seine Ernte verabredet. Doch inzwischen wird mit solchen Verträgen gewinnbringend spekuliert, auf Preisentwicklungen gewettet. Mit den wirklichen Verhältnissen haben die Preise dann nicht mehr viel zu tun. Virtuelle Einkäufe, Spekulationen, Wetten: An der Börse sind Nahrungsmittel zum Spekulationsobjekt verkommen. Anleger legen virtuell Weizensäcke in den Keller, treiben damit den Preis nach oben und verkaufen teuerer an die Hungernden. Für den Börsenexperten Dirk Müller ist das ein Skandal.
Allein im Monat Mai 2011 werden an der Börse in Chicago 358 Millionen Tonnen Weizen gehandelt, rund die Hälfte der globalen Weizenproduktion. Ihr Wert: etwa 90 Milliarden US Dollar, Tendenz steigend. Eine solche Preisentwicklung kann nicht mehr mit physischen Faktoren wie Ernteausfällen oder Überschwemmungen erklärt werden. Auch die weltweit zunehmende Herstellung von Agrartreibstoffen führt nicht zu solchen Spitzen. Doch welche Faktoren sind dann ausschlaggebend? Schuld sind Spekulationsgeschäfte.
Hunger durch Spekulationen. Darf man so etwas zulassen? Nahrungsmittel sind Lebensgrundlage. Sie müssen an der Börse anders gehandelt werden als Kupfer oder Aluminium. Dirk Müller hat für das Hilfswerk Misereor die Studie „Unschuldsmythen – Wie Nahrungsmittelspekulation den Hunger anheizt“ verfasst. Er hat nachgewiesen, dass mit dem Hunger von Menschen Geld verdient wird. Für ihn gibt es jetzt nur eine Lösung: Lebensmittel müssen aus dem Spekulationsgeschäft genommen werden. Es gibt keinen volkswirtschaftlichen Grund, warum Investoren erlaubt werden sollte, Lebensmittel zu horten ohne sie verbrauchen zu wollen und den Preis nach oben zu treiben, nur um von der Preissteigerung zu profitieren, so der Börsenexperte.

 

Misereor-Studie von Mr Dax – Drei Mythen – Drei Postulate

Der bekannte Börsenfachmann Dirk Müller, auch häufig als Mr. Dax bezeichnet, weist auf seiner Webseite www.cashkurs.com auf die Petition gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln hin. Seit Jahren weist Dirk Müller auf den Missbrauch der Spekulanten hin, die auf Kosten der Armen die Nahrungsmittelpreise manipulieren. In einer Studie für Misereor hat er die Problematik eindringlich dargestellt:

Studie von Dirk Müller alias Mr Dax im Auftrag von Misereor
https://www.misereor.de/fileadmin/redaktion/Analyse_Nahrungsmittelspekulation_111005.pdf
https://www.cashkurs.com/fileadmin/user_upload/PDF/Misereor_1_.pdf

In der Studie räumt Müller mit drei Mythen auf:

Mythos 1: Finanzspekulation stabilisiert die Nahrungsmittelpreise
Der Rohstoffhandel mit Nahrungsmitteln wie Getreide (Weizen, Mais, Soja), Zucker, Orangensaftkonzentrat, Fleisch oder Kakao findet in zwei Formen statt. Spot trading (Ware gegen Geld) und Terminhandel (Menge und Preis jetzt festgelegt, Lieferung und Bezahlung hingegen auf festgelegten Zeitpunkt X in die Zukunft verlegt). Termingeschäfte können daher auch als „Preiswetten“ begriffen werden: Man geht long (Verpflichtung, das Getreide in Zukunft zum heutigen Preis zu kaufen) oder short (in Zukunft zum heutigen Preis verkaufen – also auf sinkende Preise setzen). Die Knackpunkte:
a) Heute führen nur 2% der Termingeschäfte zu einer tatsächlichen Lieferung, die anderen 98% werden vorher aufgelöst (glatt gestellt) und das freigewordene Geld kleich wieder in ein neues Geschäft investiert (roll-over).
b) Es wird auf Pump spekuliert. Bei Mais z.B. beträgt die Eigenkapital-Sicherheitsleistung (Margin) nur 7%, die restlichen 93% sind Kredite.
Dies lockt immer mehr ‚reine‘ Spekulanten an, die gar nicht an der physischen Lieferung des virtuell besessenen Getreides interessiert sind und deshalb den Kontrakt kurz vor Fälligkeit immer wieder verkauft  bzw. rolliert.

Mythos 2: Finanzspekulation reagiert bloß auf Entwicklung der realen Getreidemärkte
Früher was dies so: Erntemengen und Wetterereignisse determinierten den Preis. Heute nicht mehr, denn sonst dürfte eine große Dürre (die Mißernte, Getreideknappheit und Preissteigerungen nach sich zieht) nur in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs ‚passieren‘. Heute dominieren die Finanzmärkte die Preise der realen Güter.

Mythos 3: Finanzspekulation hat keine Auswirkungen auf die Getreidemärkte
Investoren legen sich virtuelle Weizensäcke in den Keller, um sie später teuer zu verkaufen. Im Metallbereich entstehen neuerdings physisch unterlegte Rohstofffonds (riesige Lagerhallen anmieten und mit Kundengeldern tonnenweise Rohstoffe einlagern). Eine solche Entwicklung (reale Weizensäcke in den Keller) muß beim Getreidehandel verhindert werden.
Die Finanzspekulation trifft die ärmsten Länder am heftigsten: 80% des Einkommens werden für Nahrungsmittel ausgegeben (in D nur 5%). Preissteigerungen des Weltmarktes schlagen voll auf regionale Märkte durch.

Dirk Müller formuliert drei Postulate an die Politik. Im Rahmen der G20 bzw. EU müssen unverzüglich Regeln ohne Schlupflöcher aufgestellt werden um die Nahrungsmittelspekulation auf Kosten der Hungernden zu verhindern.

Postulat 1: Transparenz schaffen
Börsenzwang für Rohstofftermingeschäfte und Derivate einführen.
Die Unterscheidung zwischen Getreideproduzenten und SWAP-Dealer (Geld-/Warenhändler) aufheben: Großbanken beteiligen sich zunehmend an Großproduzenten. „Wenn Agrarkonzerne mit immer größeren Summen an den Terminmärkten agieren, als ihre Ernte ausmacht, sind sie dann noch Produzenten oder Spekulanten?“

Postulat 2: Sicherheitsleistung (Margin) anheben
Spekulation ausnahmslos nur mit eigenem Geld und nicht auf Kredit: Die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) muß die Sicherheitsmargin drastisch erhöhen – auch für den OTC-Markt (Over The Counter, also außerbörslich).

Postulat 3: Spekulation mit besonders sensiblen Rohstoffen durch Fonds verbieten
Besonders sensible Soft-Commodities, in erster Linie Mais und Weizen, sollen gar nicht mehr in Fonds gehandelt werden dürfen.

Links

 www.handle-fair.de