Nachricht Kommentar trennen

Allein aufgrund seiner Biografie kann kein Journalist so ganz neutral sein kann. Aber warum wird deshalb nun das Prinzip „Trennung von Nachricht (Fakten) und Kommentar (Meinung)“ von Hans Joachim Friedrichs komplett abgeschafft zugunsten von „Alles ist Meinung„? Ein solcher Journalist verhält sich doch wie ein Chirurg, der auf Hygiene verzichtet, da man den Operationssaal ja ohnehin nie zu 100 % steril bekommt. Moderner Journalismus entspricht somit der Chirurgie des frühen Mittelalters: OP auf dem Markpplatz mit schmutzigen Händen.
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So richtig neu ist diese jetzt auch vom SPIEGEL (s.u.) verkündete Art von Journalismus freilich nicht. Die deutschen Mainstream-Medien haben die als altmodisch deklarierte Trennung von Nachricht und Kommentar seit Budapest 9/2015 erst zögerlich und vereinzelt, inzwischen jedoch mehrheitlich überwunden. Der große Konformitätsdruck hat obsiegt. Qualitätsjournalismus verkommt zu Haltungsjournalismus, geprägt von Moral (man „schreibt was sich gehört“) und Gesinnungsethik bis hin zur Gesinungsdiktatur.
Traurig für den Bürger, da er in den sog. Qualitäsmedien Faz, Focus, Spiegel, SZ, Waz, Welt, Zeit usw. mehr oder weniger dasselbe zu lesen bekommt: RND und dpa liefern. Traurig auch für die Journalisten, da die fehlende Konkurrenz und Abhängigkeit vom Redaktionschef nur der intellektuellen Langeweile dienlich ist.
14.6.2020
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Gegenwart und Zukunft des Journalismus: Die Zeit der Neutralität ist vorbei
Der Meinungschef der „New York Times“ musste gehen, weil er einen Gastbeitrag im Trump-Duktus veröffentlicht hat – und einem überholten Ideal von neutralem Journalismus nachhing.
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Das amerikanische Journalismusmodell, das vor 20 Jahren auch mir an der Journalistenschule in New York eingeimpft wurde, basiert auf einer strikten Trennung zwischen Fakten und Meinung. Persönliche Ansichten von Autoren sind grundsätzlich nur auf den dafür kenntlich gemachten Seiten zugelassen, der Rest der Zeitung habe aus quasi objektiven Fakten zu bestehen. Deswegen ist bis heute bei Institutionen wie der “New York Times” das Meinungsressort räumlich und personell vom Rest der Redaktion isoliert wie eine Quarantänestation.

All dies soll Neutralität gewährleisten. Neutralität galt jahrzehntelang als Qualitätsmerkmal, als noble Erhabenheitsgeste der seriösen Presse. Die Einsicht, dass hinter jedem Text mit noch so großem Neutralitätsanspruch ein Autor mit eigener Biografie steckt, die sich in der komplizierten Welt von heute mit all ihren vielfältigen und verschränkten Identitäten kaum mehr missachten lässt, hat sich erst in den vergangenen Jahren im Journalismus niedergeschlagen. Der Neutralitätsjournalismus, der scheinbar von einer “Position aus dem Niemandsland” kommt, wie es der New Yorker Medienforscher Jay Rosen bezeichnete, wirkt heute nicht nur uninteressant und unaufrichtig. Er versagt vor allem in seinem Auftrag als “vierte Gewalt”.
… Alles vom 11.6.2020 bitte lesen auf
https://www.spiegel.de/kultur/new-york-times-die-zeit-der-neutralitaet-ist-vorbei-a-5ccaa4e4-eca2-4a2e-b2d7-22e6a484f8ce
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Medienexperte Bolz sieht „extreme Konformität“ in den Medien
Wie ändert sich das Meinungsklima in der Corona-Krise? Ihre wirtschaftlichen Folgen, meint Medienwissenschaftler Norbert Bolz, könnten die Gewichte zwischen Utopisten und Realisten neu justieren. Unternehmer und Naturwissenschaftler sollten mehr Platz in der öffentlichen Debatte fordern.

Der Berliner Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz beklagt die zunehmende Gleichförmigkeit der Medien in Deutschland. Die Pluralität gehe verloren, Politiker und Wissenschaftler würden zunehmend nur noch zu Stichwortgebern und lieferten die Meinungen, die die Redaktionen fordern. „Die extreme Konformität in den Redaktionen der meisten Medien kann ich mir nur noch mit der sehr ähnlichen Sozialisation der Journalisten dort erklären“, sagt Bolz im Gespräch mit der am Dienstag erscheinenden Zeitschrift Tichys Einblick. „Es gibt mittlerweile kaum noch einen Unterschied zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medien in der Diskussion der meisten politischen Themen. In einer Zeit, in der schon die Parteien mehr oder weniger an einem Strang ziehen – von der AfD einmal abgesehen –, ist diese Konformität fatal.“

Inzwischen sieht Bolz diesen Trend auch in der Wissenschaft. „Es gibt viele Vertreter der Soziologie, der Politikwissenschaften, der Psychologie, mittlerweile auch der Rechtswissenschaften, die liebend gern als Stichwortgeber in medialen Debatten auftreten. Es findet dafür ein regelrechtes Casting statt: Die besten Chancen, dort zu Wort zu kommen, haben diejenigen, die genau das liefern, was zu bestimmten Themen jeweils von den Redaktionen erwartet wird“, so Bolz. „Dass immer mehr dieser Gefälligkeitswissenschaftler auftreten, ist mittlerweile ein sehr tiefes Problem des akademischen Betriebs.“

Dabei sieht Bolz, der bis 2018 an der TU Berlin lehrte, auch in Zukunft keine Besserung. „Ich bin nicht besonders optimistisch, dass eine künftige Generation von Geistes- und Sozialwissenschaftlern die Fesseln des Paternalismus und Konformismus sprengen wird. Die Leute müssen Karriere machen, und der Staat kontrolliert sie immer schärfer. Gefälligkeitswissenschaftler sind die Folge.“

Das gesamte Interview in Tichys Einblick Ausgabe 07-2020
… Alles vom 10.6.2020 bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/medienexperte-bolz-sieht-extreme-konformitaet-in-den-medien/

Einige Kommentare:
Schreibende Niedriglöhner
Ich wundere mich, welch hehres Ideal der Medien als Maßstab der Kritik noch herrscht. Ein Blick in die Geschichte belehrt eines Besseren: Die längste Zeit waren die Massenmedien nicht mehr als schrille Sprachrohre der herrschenden Meinung, die Schreiber schlecht bezahlte Kläffer, die den Zeitgeist platt und marktschreierisch zu Papier brachten. Die Zeit nach dem II. Weltkrieg bis etwa in die 1990er Jahr, als es in Deutschland und anderen Ländern so etwas wie einen unabhängigen, kritischen Journalismus gab, erscheint daher eher als Ausnahme, denn als Regel. Mit dem schreibenden Niedriglöhner, der die Ansichten der Herrschenden vertritt, ist die schreibende Zunft zu ihren Wurzeln zurückgekehrt – Ausnahmen wie TE und Achgut bestätigen die Regel.
10.6.2020, Ful, TO

Alles RND und dpa
Ich habe heute meine Heimatzeitung gekündigt, weil sie permanent und unverändert die Vorlagen des RND oder dpa übernimmt. Denselben Inhalt lese ich bei Funkemedien oder bei ARD und ZDF, also kann ich mir das Abo sparen
10.6.2020, Rea

Ein sehr guter und selten gewordener Artikel heute in der NZZ
https://www.nzz.ch/meinung/die-cdu-ist-ohne-kompass-ld.1559397

„Unternehmer und Naturwissenschaftler sollten mehr Platz in der öffentlichen Debatte fordern.“:
Meine Einschätzung ist, dass dies nicht funktionieren wird. Es müssen vielmehr eine erhebliche Anzahl reichweitenstarker bürgerlich-freiheitlicher Medien neu gegründet werden. ….
Diese Probleme gibt es in allen demokratischen Staaten in mehr oder weniger großem Ausmaß. Und zwar deswegen, weil es Sprachbegabte zu Medienposten zieht. Über kurz oder lang dominieren sie dementsprechend die Medien, Partien, NGOs etc. Da solche Personen auf bestimmte Weise ticken, bestimmte Studiengänge studieren etc. bevorzugen sie sich gegenseitig, haben Abneigungen gegen Zahlen, Wissenschaft, Ökonomie, Technik etc.
Bösartig könnte man sagen, es ist der Durchmarsch der Schwätzer bzw. Dummschwätzer (wenngleich das natürlich nicht auf alle zutrifft).
In Deutschland ist die Situation ausgeprägter, zum einen aufgrund der Größe (in großen Ländern kann man mehr verschleiern, was man kann, wer man ist; man kann sich besser inszenieren, ist weiter weg von den Bürgern, von der Realität), zum anderen aufgrund des relativen Wohlstandes (niedriger Wohlstand erzwingt mehr Realismus), aber auch wegen der Nationalsozialisten, was es anderen, auch wenn diese nur normale Konservative sein wollen, relativ gesehen schwerer macht.
Ich würde aber auch sagen, dass „die Deutschen“ (wenn man das so sagen kann) eine gewisse Neigung Richtung Romantik haben (dies wird von den Grünen marketingtechnisch gut ausgeschlachtet).
10.6.2020, Bha

Bolz trifft den Nerv der Sache. Bei diesem medialen Einheitsbrei geht die Demokratie kaputt,
denn sie lebt vom Diskurs. Offensichtlich ist aber genau das gewollt. Das gilt allerdings schon länger, also bereits vor Corona. Schon aus diesem Grund habe ich mich köstlich über die herzerfrischende Polemik von H.Tiedje über Merkel in der NZZ gefreut. Sowas lesen Sie nur im Ausland. Wegen des Bolz-Interviews kaufe ich mir den neuen TE im Kiosk.
19.6.220, F.J.

Genau meine pessimistische Meinung.
Vom Sandkasten zum Abi, nach 5 Jahren Haltungsdressur als untertänige Schreib(Sprech)puppe in die Redaktion, beaufsichtigt von den Führungsoffizieren des RND. Ein eigenes System im Hofstaat. Was soll sich daran ändern, wer sollte es sein? Die AfD nur theoretisch, trotzdem ist die Angst da.
19.6.2020, Kal

Scheindiskussionen
Ich bin ein Fan von Norbert Bolz. Gibt es eigentlich einen anderen deutschen Professor, der es wagt, nicht mit den Wölfen zu heulen?
In den Medienwissenschaften sollte man vor allem die Talk-Shows von Anne Will zum Studienobjekt machen. Dort kann der Student im 1. Semester bereits lernen, wie man ein vermeintliches Streitgespräch aufzieht, bei dem alle derselben Meinung sind, bzw. wie man Scheindiskussionen führt, deren Ausgang von vorneherein klar ist.
10.6.2020, CB

MINT-behaftete Fragestellungen vernachlässigt
Ich möchte gern noch eine provokante These hinzufügen. Ich behaupte, dass ein Großteil der in den Medien beschäftigten Journalisten – zumindest was MINT-behaftete Fragestellungen betrifft (also auch Corona oder Klima oder Energie oder Umwelt), als bildungsferne Schicht bezeichnet werden muss. Ich musste 12 Jahre lang wochenweise pendeln und habe mir für die 3-stündige Zugfahrt am Montag Morgen regelmäßig den SPIEGEL gekauft und intensiv darin gelesen. Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass dieses Magazin bei Artikeln über mein Fachgebiet (chemisch-pharmazeutische Forschung) hanebüchenen Unfug verbreitete. Ich vermute, dass es Wissenschaftlern anderer Fachrichtungen bei Artikeln über ihr Fach genauso geht. Ich habe keine Ahnung von Wirtschaft, vermute aber, dass es bei wirtschaftlichen Fragestellungen nicht anders ist.

Wissenschaftler einladen
Noch ein Aspekt: Journalisten (ich rede immer nur vor den mutmaßlich überwiegenden Mehrheit, also nicht pauschal), insbesondere die allgegenwärtigen Talk-Master, wissen überhaupt nicht, was eine wissenschaftliche Diskussion überhaupt ist.
Auch mit eingeladenen Wissenschaftlern wird nicht wissenschaftlich geredet. Ich kenne wissenschaftliche Diskussionen als argumentativen Kampf um die richtige Interpretation einer Beobachtung, um Erkenntnis. Das kann durchaus einmal laut werden. Aber, um es besonders klar zu machen: wenn mein Kontrahent mir beweisen kann, dass ich Unrecht habe, bin ich nicht der Verlierer, sondern es ist ein gemeinsamer Sieg. Und es gewinnt nicht der, der am lautesten quatscht.

Was ein intellektuelles Fest könnte es z.B. sein, eine öffentliche Debatte (Talk-Runde, von mir aus) zum Corona-Thema zwischen Drosten, Kekulé, Streeck und Lauterbach OHNE Grüne, Schauspieler oder Musiker zu erleben. Dies in wissenschaftlicher Sprache, ohne dass ein Moderator die Aussagen auf Kindergartenniveau herunterbremst. (Ich habe hierzu einen wunderschönen Leserkommentar im „Tagesspiegel“ gefunden: „Ein Virus läßt sich nicht totquatschen“). Oder ein anderes Thema: zwei Wissenschaftler, die die Klimawandel-Thesen unterstützen, und zwei, die sie ablehnen. Setzt sie zwei Stunden ins Studio und laßt sie diskutieren, nur mit einem Schiedsrichter, der die Einhaltung der Regeln überwacht. Wer’s nicht kapiert, schaltet ab. Ich bin sicher, dass so mancher Zeitgenosse nur noch mit offenem Mund staunen würde.
10.6.2020, SCH

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing
Es ist, meiner Meinung nach, weniger die ähnliche Sozialisation, sondern die Frage, was muss ich tun, um heute eine Stelle an der Uni, in den Medien, teilweise in der Industrie zu erhalten. Es gilt der alte Satz der Landsknechte: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Vergessen wird dabei allerdings, dass der Zahlmeister zwar der Staat, oder halbstaatliche Stellen sind, aber wir, die Steuerzahler, den Staat und seine ganze Beamtenschaft finanzieren. Diese staatlichen Stellen haben sich inzwischen aber verselbständigt und ignorieren bislang erfolgreich, wer ihre Gehälter bezahlt und wer in einem demokratischen Staat das Sagen haben sollte.
10.6.2020, Hof.

Vielleicht nehmen wir die ÖRR viel zu ernst, weil sie so teuer sind.
Klar, eine Sendung wie „hart aber fair“ kostet 9 Millionen Euro, aber deshalb wird sie nicht wichtiger oder seriöser. Wir haben einen Bundestag, der ein vielfaches kostet, aber auch der wird nicht seriöser oder erstzunehmender. Der Gipfel der Kosten-Leistungsrechnung ist natürlich der Bundespräsident, aber lassen wir das, ich meine was anderes…

Bildung aus „On-demand“-Medien
Die Generationen unter 50 schauen immer weniger Fernsehen. Die „bilden“ sich aus „On-demand“-Medien wie dem Internet, YouTube, Twitter, usw. wenn sie Lust und Zeit dazu haben. Das vermittelt ja auch Selbstbestimmung, nicht mehr um 20 Uhr die „amtliche“ Tagesschau gucken zu müssen. Außerdem wird einem das Gefühl vermitteln, man wäre viel dichter dran, als die Nachrichtenbeamten mit ihren festen Verkündungszeiten. Und dann der nicht zu unterschätzende Vorteil, daß man „seine“ Nachrichten bekommt. Nichts beunruhigendes, Mainstream, leichtes Newstainment, Meinungsbestätigung oder auch Befehlsausgabe für das Treppenhausgespräch mit den genauso blöden Nachbarn.
Vielleicht überbewerten alle die Kraft dieser Medien, weil sie sie selbst zu oft konsumieren und weil sie so teuer sind.
In den kommenden Jahren wird der Stellenwert der ÖRR deutlich abnehmen und im Grunde das ganze System in Frage stellen, weil eben andere Quellen deren Stelle einnehmen. Die Kosten wird das nicht senken, weil sich um diese Quasi-Behörden ganze Wirtschaftszweige gebildet haben, die man nicht einfach stilllegen kann.
Der Kampf um diese neue Medienordnung ist schon vor Jahren entbrannt. Kunden, denen man Werbung einspielen kann, findet man am leichtesten, indem man deren Meinung bestätigt und damit ein wohliges Gefühl verkauft, daß der Leser die „richtige“ Meinung hat. Liest man einen Artikel, dessen Tenor einem gefällt, beachtet man auch eher die Werbung daneben, man „glaubt“ der Werbung eher als in einem unangenehmen, schwierigen Text.
10.6.2020, C.N.

Nie waren die Medien, die vierte Staatsgewalt, so niveaulos, wie heute
Der links-grüne Ideologie-Terror vieler Parteipolitiker in Deutschland mit Unterstützung der Medien, NGOs sowie gewaltaffinen Antifa und Linksautonomen grenzt abweichende Meinungen selbst in Wissenschaft und Kultur von vornherein aus und versucht mit moralischer Überheblichkeit sogar Wahlen in anderen EU-Ländern und den USA zu beeinflussen.
Die Folge dieser durch Ausgrenzung, berufliches Fertigmachen und selbst Gewaltandrohung zerstörten Streitkultur ist ein stetiger Niedergang der Lehre, Wissenschaften und Kultur in unserem Land. Nie waren die Medien, die vierte Staatsgewalt, so niveaulos, wie heute.
10.6.2020, Vol

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