Multis im Inland steuerfrei

Multis zahlen kaum Steuern in Deutschland, auch nicht in der EU – ganz legal. Die Gewinnsteuer geht in Teilen an die Bundesländer. Ist ein Unternehmen mit mehreren Produktionsstandorten in unterschiedlichen Bundesländern tätig, so muß das Steueraufkomen verteilt werden. Da es schwierig ist, die in den jeweiligen Ländern anfallenden Gewinne zu errechnen bzw. zuzuordnen, geht man über die Lohnsummen. Werden 40% der Löhne in Bayern und 60% in Hessen bezahlt, dann fließen die Gewinnsteuern ebenfalls im Verhältnis 40% zu 60% in diese Länder.
Bei einem multinationalen Konzern könnte man genauso verfahren: Zahlt ein Unternehmen 55% seiner Löhne in Deutschland aus, 30% in Indien und 15% in Polen, dann gingen 55% der Gewinnsteuern an den deutschen Fiskus. Tun sie aber nicht. Multis verlagern ganz legal ihre Gewinne auf Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern. Dazu zwei Beispiele.
Beispiel 1 „Verrechnungspreise für Lieferanten“: Ein Unternehmen besitzt ein Zulieferunternehmen Z im Niedrigsteuerland Irland und die Endmontage E im Hochsteuerland Deutschland. E bezahlt an Z einen internen Verrechnungpreises P für die Vorprodukte. Auf den Bruttokonzerngewinn vor Gewinnsteuerabzug hat P keinen Einfluß: Bei Erhöhung von P müsste E mehr an Z bezahlen, was den Gewinn von E mindert, den Gewinn von Z aber um den gleichen Betrag erhöht. Der Nettokonzerngewinn nach Steuerabzug hingegen steigt gewaltig, da im Niedrigsteuerland ein höherer und im Hochsteuerland ein kleinerer Gewinnbetrag zu versteuern ist. Der Trick überhöhter Verrechnungspreise lohnt sich – nicht der Brutto-, sondern der Nettogewinn zählt.

Beispiel 2 „Nutzungsrechte für Marken“: Es ist cool, Markenklamotten zu tragen. Eine Diesel-Jeans ist mehr wert als eine normale Jeans, auch wenn beide Hosen exakt gleich sind in Stoff und Schnitt. Und da es „in“ ist, den Markenlabel Diesel aussen am Jeansgesäß zu tragen, gibt sich der teuer zahlende Kunde noch als kostenloser Werbeträger her. Der Markenname ist das wertvolle, er allein dient als Gewinnbringer. Deshalb gründet das Modeunternehmen in einem Steuerparadies wie Liechtenstein oder den Bahamas eine Tochterfirma, der es die Nutzungsrechte an der jeweiligen Marke überträgt. Natürlich fordert die Tochter saftig hohe Lizenzgebühren zur Nutzung der Marke und schon ist die gewaltige Steuerersparnis da: Auf den Bahamas steigt der Gewinn, der zuvor in Deutschland drastisch gefallen ist.

In beiden Beispielen entgehen dem deutschen Fiskus große Steuerbeträge. Lagen in Beispiel 1 wenigstens noch reale Warenlieferungen vom Aus- ins Inland vor, wurden in Beispiel 2 nur noch Rechte transferiert, aber steuerlich trickreich.
Warum verbietet man nicht die in den Beispielen genannten Tricks?  Warum erhebt der deutsche Staat seine Gewinnsteuer nicht auf jenen Anteil am Gewinn, der dem inländischen Anteil an der weltweiten Lohnsumme des Multis entspricht? Warum prangern unsere Politiker die Steuerumgehungen internationaler Unternehmen lautstark an, tun aber nichts dagegen? Es ist die Angst davor, daß die Unternehmen ihre Niederlassungen ins Ausland verlegen, wenn man ihnen die o.a. Steuerumgehungsstrategien nimmt. Deutschland steht in einem weltweiten Standortwettbewerb um Unternehmensansiedlungen. Und ein Steuerrecht, das Steuerlast sinken lässt, ist ein wichtiger Standortfaktor. Auch hier zeigt sich, dass zumindest innerhalb der EU die Steurervorschriften harmonisiert werden sollten.
1.12.2012

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