Muenster 1513 – Baustelle Gotik

Am 5.12.2013 vor 500 Jahren wurde der Hochchor des Freiburger Münsters geweiht. Das Augustinermuseum und der Münsterbauverein als Veranstalter mit Peter Kalchthaler als Projektleiter haben die Ausstellung „Baustelle Gotik“ zusammengestellt, die zeigt, wie mühesoll, komplex und langsam Bauen im 13. bis 16. Jahrhundert waren: Laufrad, Gerüste, Transporttechnik, Baupläne (fünf Risse), Ingenieurkunst, ….

Ausstellung „Baustelle Gotik“
Augustinermuseum und Museum für Stadtgeschichte, Freiburg.
Bis 25. Mai 2014, Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr.
Eintritt 7 Euro, ermäßigt 5 Euro, Museumspass frei

 

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(1) Laufrad am 6.12.2013         (2) Laufrad Demo am 4.1.2014

 

Laufrad-Demo am ersten Samstag im Monat: 4.1.2014 und 1.2.2014 von 14 bis 16 Uhr
Oben am fünf Meter hohen Ausleger wird das Seil um das Flaschenzugrädchen gelegt. Dann beginnen die Leute um Laufrad zu marschieren, kraftvoll und schweißtreibend. Die hölzerne Konstruktion beginnt sich zu drehen und  wickelt um die Achse ein Seil, das über den Flaschenzug an einem ca 250 kg schweren Holzbalken befestigt ist, auf dem Stadthistoriker Peter Kalchthaler mit drei weiteren Personen Platz genommen hat. Dieses Quartett wird nun durch die im Laufrad Tätigen in die Höhe gehievt, bis es ca vier Meter überm Augustinerplatz schwebt (2). Dann ändern die im Laufrad Marschierenden ihre Laufrichtung – und der Holzbalken geht langsam wieder bergab.

 


Ausstellung „Baustelle Gotik“: Vom Fegefeuer befreit
Freiburg feiert 500 Jahre Einweihung des Chors im Münster mit der Ausstellung „Baustelle Gotik“. Das Münster, immer wieder das Münster: Die katholische Kirche mit demTurm, der von dem Basler Kunsthistoriker Jacob Burckhard schon 1869 als „wohl der schönste Turm auf Erden“ gefeiert wurde, zieht Freiburgund die Freiburger immer wieder in ihren Bann. Jetzt, 500 Jahre nachdem der Hochchor – der Altarraum – eingeweiht wurde, trumpfen das kirchliche und weltliche Freiburg in einträchtiger Kooperation mit der Ausstellung „Baustelle Gotik“ auf, die gleich an vier Orten stattfindet: Im Münster, im c-Punkt Münsterforum, im Stadtmuseum Wentzingerhaus und im Augustinermuseum. Die am Freitagabend festlich eröffnete Ausstellung im Augustinermuseum ist von den drei Expositionen die zentrale. Dort wird der Münsterbau zu Freiburg im wörtlichen Sinne zum Anfassen präsentiert, museumspädagogisch gestaltet und mit unschätzbaren Werten bestückt. Beleuchtet wird die Gotik sparsam, lediglich mit der Lichtstärke von 50 Lux. Ein wenig düster wirkt das, so wie man sich das Mittelalter vorstellt. Exponate vertragen nicht den hellen Schein, sagen die Experten, vor allem die wertvollen Stücke aus Pergament nicht.

„Wir haben hier“, betont Peter Kalchthaler, Kurator der Ausstellung, stolz, „die wahrscheinlich einmalige Gelegenheit, alle fünf erhaltenen Planzeichnungen des Freiburger Münsterturms zugleich sehen zu können.“ Die „Risse“ wurden in Wien, Berlin, Fribourg und Nürnberg ausgeliehen. Die Versicherungssumme für die Zeichnungen liegt im zweistelligen Millionenbereich. Warum sie nicht in der Freiburger Münsterbauhütte geblieben sind, weiß man nicht, wahrscheinlich wurden sie von Werkmeistern mitgenommen. Die interessanteste Zeichnung ist der sogenannte „Nürnberger Riss“ von 1280. Karlsruher Forscher glauben, dass sie vom Straßburger Münsterbaumeister Erwin von Steinbach stammt, der auch am Münster in Thann  im Elsass und vielleicht auch am Freiburger Münster gearbeitet hat. Es ist das älteste überlieferte Plandokument. Baustelle Gotik ist ein programmatischer Titel. Gotisch ist der Baustil, in dem der größte Teil des Münsters gebaut wurde. Die wenigen spätromanischen Teile der früheren Stadtpfarrkirche sind im östlichen Teil des Baus in den Untergeschossen der „Hahnentürme“ erhalten. Nach 1230 wurde im gotischen Stil weitergebaut. Der Begriff wurde allerdings erst Jahrhunderte später geprägt. Mit dem Barbarenvolk der Goten hat er nur so viel zu tun, dass italienische Kunsthistoriker den angeblich primitiven germanischen gegen den antiken edlen griechisch-römischen Baustil abgrenzen wollten. Weil die Baumeister im hohen Mittelalter aber fast überall ähnlich gebaut haben, ist „gotisch“ heute ein Fachbegriff. Die Baustelle Gotik ist eine gute Gelegenheit, Handwerksgeschichte zu studieren. „Die einzelnen Arbeitsschritte sollen erfahrbar sein“, sagt Münsterbaumeisterin Yvonne Faller. Dazu lädt das Modell der Münsterbaustelle im Eingangsbereich ein, das sonst im Stadtmuseum steht. Am und um den unfertigen Bau wuseln die Steinmetze, Zimmerer und Schmiede, am Turmbau ist zu sehen, dass der Transport schwerer Blöcke  nach oben mit hoch effizienten Vorrichtungen bewerkstelligt wird. Eines der dazu benötigten Laufräder wurde von Zimmerleuten und Azubis aus der Gewerbeakademie der Handwerkskammer draußen vor dem Augustinermuseum aus rohem Holz nachgebaut. Mit seiner Hebelwirkung könnenwenige tretendeMänner schwere Lasten über eine Seilwinde in schwindelnde Höhen heben. „Überall, wo grüne Farbe ist, darf man anfassen“, ermuntert die Münsterbaumeisterin zum Begreifen von Werkzeug, etwa einen „Wolf“, ein sich spreizender Holzkeil für den Transport schwerer Steine. Wer baut, braucht Geld, die Akquise war früher der berüchtigte Ablass – das Vergeben von Sünden gegen Zahlung von Geld. „Das war ein wesentlicher Anreiz, für den Bau des Münsters zu spenden“, erklärt Tilman von Stockhausen, Leiter der Städtischen Museen. Als die Freiburger Bürger im 15. Jahrhundert ihr Münster endlich fertig haben wollten, erließ Papst Sixtus IV. im Jahr 1457 per Urkunde den Münsterspendern 100 Tage Fegefeuer. Noble Bürger wie Ritter Snewlin oder Kaufmann Peter Sprung nutzten die Gelegenheit, sich mit Glasfenstern oder Wandteppichen zudem ein Denkmal zu setzen.Was bis heute besichtigt werden kann.
1.12.2013, Heinz Siebold, www.der-sonntag.de

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