Martin Wangler in Klosterschiire

Das muss man ihm lassen, dem „Fidelius Waldvogel“ alias Martin Wangler aus Breitnau. Er ist eine ehrliche Haut. Und schenkt den Städtern und Zugezogenen gleich zum Beginn seines zweieinhalbstündigen neuen Kabaretts „Zwischen Himmelreich und Höllental“ in der Klosterschiire reinen Wein ein. Da sie mit seinem eigens für das Oberrieder Publikum in stundenlanger Arbeit am Nachmittag produzierten Herdäpfelsalat nichts anzufangen wissen, prophezeit er: „Für Hochdeutsche ist der Abend gelaufen.“ Und gibt dem nicht schweigen wollendem Kuckuck in der Kuckucksuhr, einer wahrhaft Schwarzwälder Erfindung, eins auf den Schnabel. Später sogar noch rote Bollen vom Hut.
Es ist gut, dass sich die Publikumsmehrheit für den Eimer voller Kultur – und nicht für den mit Herdäpfeln entschieden hat. Den Salat gibt’s dann später, nach getaner Kultur. Und davon hat das Breitnauer Urgestein und der Fernsehstar von den „Fallers“ genug dabei. Für „Reigeschmeggde“ gibt’s zunächst Nachhilfeunterricht zum „Homo Schwarzwaldenensis“, der im Übrigen keine Beine, sondern nur Füße vom Po bis zu den Sohlen hat. Der Schinken heiße Speck und die Schwarzwälder Tracht biete keinerlei sexuellen Reiz – im Gegensetz zu den bayrischen Weibchen, die ihr Holz vorm Haus hätten. Mit 32 Grad Körpertemperatur sei der Schwarzwälder ein Kaltblut, seine Sprache sei wie sein Sex: kurz und prägnant. Eine Silbe genüge: „Hä!“ Zweisilbig sei schon viel: „Hä nei“ oder „wa witt?“
„Fidelius Waldvogel“ hangelte sich durch den Überlebenskampf im Schwarzwald, vom Touristen als Urlaubsparadies mit Kirschwassertagen und Gästeschießen im Schützenhaus erlebt. Dabei singt Fidelius traurig vom „Wo’s Dörflein traut zu Ende geht“, weil: „die Heimat liegt im Dreck“. Doch stolz ist er auf die Schwarzwälder Erfinder Benz, Drais und Zeppelin – gerne von den Schwaben „geklaut“: „Und wenn die Todtnauer den Skilift nicht erfunden hätten, würden die Österreicher immer noch ihre Ski den Berg hochtragen.“ Unverschämt sei es von den Schwaben, den Bodensee wegen ein paar Metern im Württembergischen „Schwäbisches Meer“ zu nennen – „Badischer Ozean“ sei richtig.

 

Neben den erzählten Geschichten nimmt Wangler immer wieder eines seiner Instrumente zur Hand, spielt Gitarre, Akkordeon und schlägt gar voller Wut die Trommel. Zwischendurch immer wieder der Kampf mit dem Kuckuck. Beim hohen Lied aufs Cegospiel gibt‘s leuchtende Augen in der Klosterschiire. „Fidelius Waldvogel“ erteilt Nachhilfeunterricht im Grillen: „Beim Grillen muss es richtig stinken. Das Fleisch kann ruhig etwas schwarz sein.“ Um dann mit Hinweis auf die noch vom Tschernobylgau mit Becquerel belastete Wildsau zu singen: „Schweinchen, du süßes Schweinchen.“ 
Den Gedanken zur Entwicklung „zwischen Himmelreich und Höllental“ nachhängend, kam Wangler auf die Frage: „Was braucht man aufm Bauerndorf?“ Da bekam die Kultusministerin „Bildungsgabi“ für ihre Meinung, dass Bildung in die Stadt und nicht aufs Land gehöre, kräftig Haue. Die Gemeinschaftsschule trüge zur Gleichmacherei bei: „Du kannst nicht einmal mehr hocken bleiben. Und nicht mehr zwischen dummen und gescheiten Deppen unterscheiden.“ Die Bauern fehlten auch immer mehr im Dorf: „Weil er sich und den Hof an den Nagel hängt – wegen der billigen Milch.“ Doch mit der Windkraft ginge es dem Bauern wieder besser: „Vom Milch- zum Stromlieferant.“ Eine herzzerreißende Geschichte war die Mär von der Breitnauer Papstbank. Das „Holz vom Dold“ und das „Papstbankschild aus St. Märgen“ bringen „Fidelius Waldvogel“ höchstes Lob vom Erzbischof ein. Und als die Massen in der Klosterschiire immer wieder Zugabe forderten, gab’s Aktion für alle: „Ja, so fahren wir Ski!“ Der Abend mit Martin Wangler und seinem dritten Kabarett „Zwischen Himmelreich und Höllental“ in der Klosterschiire Oberried war ein gewonnener Abend. Eine Mischung aus kernigem Schwarzwälder Humor, mit Klamauk, Witz und viel Musik – einer tollen Mischung aus Heiterkeit und tiefem Ernst. Gut, dass trotz anfänglichem „Für Hochdeutsche ist der Abend gelaufen“ alle geblieben sind – schließlich gab’s ja noch Herdäpfelsalat.

 

Die vielen Gesichter und Instrumente des „Fidelius Waldvogel“ alias Martin Wangler beim Kabarett „Zwischen Himmelreich und Höllental“ in der Klosterschiire Oberried.
Aktion für alle am Schluss: „Ja, so fahren wir Ski!“ Fotos: Gerhard Lück

12.12.2012, Gerhard Lück, www.dreisamtaeler.de

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