Martin Walser mit 96 gestorben

Der Schriftsteller Martin Walser ist am 28.7.2023 mit 96 Jahren in Nußdof bei Überlingen am Bodensee verstorben, wo er seit dem Jahr 1968 wohnte. Mit „Blick auf den See“, wie er sagte. Der „See“ gab ihm Ruhe und Gelassenheit, die so oft als Arroganz und Sturheit ausgelegt wurde.
„Ich glaube, ich könnte nirgends leben, wo ich nicht am Wasser wäre“. Er schrieb über 50 Bücher (2). Nach Günther Grass und Hans Magnus Enzensberger ist der letzte große Literat der Nachkriegszeit tot. Walser war zu groß, um für seine Rede https://www.youtube.com/watch?v=TYUOjROJJu0&t=63s anläßlich der Verleihung des Friedenspeises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche im Jahr 1998 ins gesellschaftspolitische Abseits gestellt zu werden. Hier ein Ausschnitt aus der Dankesrede:
„Kein ernstzunehmender Mensch leugnet Auschwitz; kein noch zurechnungsfähiger Mensch deutelt an der Grauenhaftigkeit von Auschwitz herum; wenn mir aber jeden Tag in den Medien diese Vergangenheit vorgehalten wird, merke ich, daß sich in mir etwas gegen diese Dauerpräsentation unserer Schande wehrt. Anstatt dankbar zu sein für die unaufhörliche Präsentation unserer Schande, fange ich an wegzuschauen. …
Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande kommt, ist von der Qualität des Lippengebets …“
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Als „geistige Brandstiftung“ titulierte der damals zuhörende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, diese Rede, in der Walser das Holocaust-Denkmal in Berlin als „die Betonierung des Zentrums der Hauptstadt mit einem fußballfeldgroßen Albtraum“ sowie als „Monumentalisierung der Schande“ bezeichnete.

Was geschähe, wenn Martin Walser seine Paulskirchenrede heute, also nach 25 Jahren,
halten würde? Zu befürchten ist, daß Walser der woken Nazi-Keule und Cancel Culture nicht verschont bliebe.

Walser hat mit Frau Augstein einen nichtehelichen Sohn Jakob Augstein, der von Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein als sein Erbe anerkannt wurde (3).

Als Greis schrieb Walser einmal: „Den Tod gibt es für uns nicht. Was uns bevorsteht, ist das Sterben.“ Martin Walser ruhe in Frieden – an seinem geliebten Bodensee.

Wenn ich zwei Wünsche frei hätte:
1) Martin Walser wird wieder in die lange Liste der Abitur-Themen an den deutschen Gymnasien aufgenommen. Zum Beispiel „Ein fliehendes Pferd“.
2) Das breite und reiche literarische Werk von Martin Walser wird posthum niemals in die Kulturkampf-Fänge der Cancel Culture gelangen.
30.7.2023
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Beginn von Anlagen (1) – (3)
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(1) Schriftsteller Martin Walser ist tot
Bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre präsentierte er sich primär als linker Kritiker der Gesellschaft, war Anfang der 60er Jahre Zuhörer beim ersten Auschwitz-Prozess, machte Wahlkampf für Willy Brandt, hatte enge Freunde in der DKP und reiste nach Moskau. Ende der 70er Jahre vollzog er eine Kehrtwende, warb für die deutsche Einheit und befasste sich verstärkt mit der bürgerlichen Gesellschaft und den inneren Konflikten ihrer Vertreter. …
Als eines seiner bedeutendsten Werke gilt der 1998 erschienene, autobiografisch geprägte Roman „Ein springender Brunnen“. Darin beschreibt der Schriftsteller vor dem Hintergrund seiner eigenen Familiengeschichte die Lebensumstände zur Zeit des Nationalsozialismus in einer dörflich-kleinstädtischen Gemeinschaft.
… Alles vom 28.7.2023 bitte lesen auf
https://www.sueddeutsche.de/kultur/martin-walser-schriftsteller-gestorben-1.6074852
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(2) Eine Jahrhundertgestalt

Das Impulsive, das Störrische und Unversöhnliche gehörten zu Martin Walser. Er war ein Mann des 20. Jahrhunderts und einer der größten Schriftsteller seiner Zeit.

Die Konkurrenz, der Literaturbetrieb, die Aufmerksamkeit, der Erfolg. All das war Martin Walser auf eine geradezu selbstverständliche Weise wichtig und gehörte zusammen. „Im Spiegel auf dem Schlusslichtplatz 10“, schrieb er im Mai 1976 in sein Tagebuch. Wohlgemerkt: Der Schlusslichtplatz der Bestsellerliste. Martin Walser war nicht nur ein einzigartiger, sondern auch ein ungemein erfolgreicher Schriftsteller: Die Novelle Ein fliehendes Pferd verkaufte sich rund 750.000-mal, und auch Romane wie Brandung oder Die Verteidigung der Kindheit erreichten die 300.000er-Grenze.
Und doch war ihm, wie vielen seiner Figuren auch, jede Kritik eine Kränkung. Zumal Martin Walser in dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki eine mächtige wie rhetorisch ebenfalls brillante Gegenfigur hatte. Reich-Ranicki, der immer wieder mehr oder minder camouflierte Auftritte in Walser-Büchern hatte, so auch in dem unterschätzten Kurzroman Ohne einander aus dem Jahr 1993, einem der sprachlich virtuosesten und unterhaltsamsten Romane Walsers überhaupt; dieser Reich-Ranicki wurde nicht müde zu betonen, Walser sei ein glänzender Essayist, aber „ums Verrecken kein Erzähler“.
… Alles vom 29.7.2023 bitte lesen auf
https://www.zeit.de/kultur/literatur/2023-07/martin-walser-wuerdigung-tod-schriftsteller-schroeder
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(3) Augstein und Walser:„Das Leben wortwörtlich“
Der Journalist Jakob Augstein hat mit seinem leiblichen Vater, dem Schriftsteller Martin Walser, ein Buch gemacht – „leiblich“ muss vorangestellt werden, denn Augstein wuchs Jahrzehnte lang in dem Glauben auf, sein biologischer Vater sei Rudolf Augstein. Die Geschichte ist hinlänglich erzählt.

Beide Väter Jakob Augsteins haben, jeder auf seine Weise, die kulturelle Ausgestaltung der Bundesrepublik Deutschland mitgeprägt. Der eine journalistisch als Gründer und Herausgeber des Magazins Der Spiegel, der andere literarisch erst aus der Schriftstellervereinigung Gruppe 47 heraus, später mit Bestsellern wie „Das fliehende Pferd.“
Hier der Kronprinz des Hamburger Spiegel-Imperiums, dort der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller mit Weltruhm, von dem Jakob Augstein erst 2002 auf Nachfrage erfährt, dass er sein leiblicher Vater ist. Erst sieben Jahre später geht er damit an die Öffentlichkeit. Martin Walser ist da schon über achtzig, Augstein jenseits der vierzig. Und die beiden Männer werden noch einmal zehn weitere Jahre brauchen, um sich zusammenzusetzen. Für ein Gespräch zwischen Vater und Sohn. Für ein gemeinsames Buch. Für die Bestsellerlisten. Eben so, wie es Journalist und Schriftsteller gelernt haben.
„Das Leben wortwörtlich“ heißt das nun bei Rowohlt erschienene Gesprächsbuch. Als Autoren werden Vater und Sohn genannt. Der Buchumschlag extrahiert aus dem Gespräch: „Du bist mein Vater.“ und Walser antwortet: „Ein Umstand, der mich mit Freude erfüllt.“ Wie werden beide sich begegnen, wie mit einander sprechen? Wie sprechen überhaupt ein Vater und sein Sohn miteinander, wenn sie nie in diese Rollen hineinwachsen konnten? Soweit eine Erwartungshaltung der Leser.
… Alles vom 7.1.2018 von Alexander Wallasch bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/buecher/augstein-und-walserdas-leben-wortwoertlich/
oder die Buchrezension nun nochmal am 29.7.2023 bitte lesen auf
https://www.alexander-wallasch.de/kultur/zum-tod-von-martin-walser-vater-und-sohn

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