Manchmal schweige ich – mit 16

Mit erst 16 Jahren schrieb Naomi Seibt ihr nunmehr preisgekröntes Gedicht „Manchmal schweige ich“. Es stimmt  nachdenklich und wirft Fragen auf. Ist in unserer gespaltenen Gesellschaft auch die Jugend zwiespältig? Gilt die von der Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann formulierte Theorie der “Schweigespirale” (wenn in den Massenmedien eine ganz bestimmte Meinung, die der eigenen widerspricht, dominiert, dann hüllt man sich in Schweigen) immer noch? Entziehen Bürger, die sich mit ihrer Meinung sozial isoliert fühlen, dem so empfundenen Konformitätsdruck ins Verschweigen?
Wenn Naomi Seibt in ihrem Gedicht mehrfach „die Angst vor Ablehnung“ anspricht – drückt sich damit die Angst vor dem Silencing bzw. „Zum-Schweigen-bringen“ einer Meinung aus, die der ‚Political Correctness‘ widerspricht?
Oder ist es die Angst davor, niemand mehr zu finden, mit dem man über das sprechen und diskutieren kann, was man sich ausgedacht hat? Was wiederum, glaubt man dem Kommunikationsforscher Norbert Bolz, bedenklich wäre: “Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass derjenige, dem man das Sprechen und Schreiben beschneidet, noch frei denken könne.” – im Sinne von „Die Gedanken sind frei“
25.5.2019
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MANCHMAL SCHWEIGE ICH
Manchmal schweige ich.
Manchmal macht mir die Angst vor Ablehnung
einen Strich
durch die Rechnung
und ich verleugne mich.
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Manchmal will ich auch Augenbinden tragen,
blind leeren Staatsversprechen hinterherjagen:
„Wir lassen doch nur Fachkräfte und Schutzsuchende rein.“
So ignorant wie die Menschenmassen will ich auch sein,
anstatt den Schritt aus dem System zu wagen.
Es ist unbequem, die Wahrheit zu sagen.
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„Wahrheit“ ist doch sowieso nur subjektiv.
Lieber folgen wir dem Narrativ.
Warum den Kopf herhalten?
Es heißt, dass wir bloß die Gesellschaft spalten.
Stattdessen fügt man sich dem Kollektiv.
Gehorsamkeit ist attraktiv.
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Immer öfter schweige ich.
Immer öfter macht mir die Angst vor Ablehnung
einen Strich
durch die Rechnung
und ich verleugne mich.
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Die Linken sehen für uns nach dem Rechten.
Antifaschismus wollen sie verfechten.
Zum Schutze der Verfassung
unterzieht man diejenigen der Prüfung,
die uns mit lästigen Fakten
alternative Denkansätze brächten.
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Sich dem zu widersetzen wäre Leichtsinn.
Das Schwert des großen Staates schützt uns vor dem Machtgewinn
der angeblichen Rechtsfaschisten.
Zentralisierte Staatsgewalt kann niemand überlisten.
Souveränitätsverlust nehme ich wehrlos hin.
Tausche Freiheit gegen Scheinordnung und Wahnsinn.
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Meistens schweige ich.
Meistens macht mir die Angst vor Ablehnung
einen Strich
durch die Rechnung
und ich verleugne mich.
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Gleichheit macht uns alle reicher.
Hauptsache nur, ich bin noch gleicher!
Es heißt „Die Welt liegt IHR zu Füßen!“
Das Patriarchat soll für mich büßen.
Mein Körper ist kein Kinderspeicher.
Als Quotenpüppchen ist es leichter.
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Erzieh mich, Großregierung!
Anpassung schützt vor Degradierung.
Im Strom treiben wir mit den toten Fischen.
Im Schwarm kann uns kein Kritiker entwischen.
Was soll ich denken? Formt mir meine Meinung!
Der Opportunist in mir tritt artig in Erscheinung.
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Stopp.
Will ich das wirklich?
Seit wann bin ich scheinheilig?
War ich nicht einst mutig?
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Der Demonstrant wird Instrument seiner Regierung.
Der Totalitarismus tarnt sich als Globalisierung.
Diversität verschwimmt zur Grauschattierung.
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Manchmal schweige ich.
Manchmal macht mir die Angst vor Ablehnung
einen Strich
durch die Rechnung
und ich verleugne mich.
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Aber wenn ich nicht aus der Schweigespirale aussteige,
dann tut es keiner.
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Aus reiner Feigheit
ziehen wir uns zurück in Unmündigkeit.
Es reicht, wenn Einer
seinen Mut und Zuversicht befreit
und spricht.
Naomi Seibt
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Naomi Seibt zu dem Hintergrund ihres Gedichts „Manchmal schweige ich“
„Im März 2019 wurde ich aufmerksam auf den Gedichtwettbewerb zum Thema „Mutige Mädchen“ im politischen Kontext. Der Titel allein weckt vermutlich erst einmal Assoziationen zum postmodernen Feminismus, wie er gerade weltweit praktiziert wird. Aber es fordert keinen Mut, einer Mainstream-Ideologie anzugehören. Es fordert keinen Mut, sich gegen Scheinungerechtigkeiten wie „toxische Maskulinität“ aufzulehnen. Es wäre auch nicht mutig von mir, Frauenquoten zu verlangen oder gar das Recht, ein Baby abzutreiben, für dessen Zeugung niemand weniger kann, als das unschuldige Lebewesen selbst.
Feminismus entzieht Frauen ihre Selbstverantwortung und Integrität. Ich will kein Teil dessen sein und ich will nicht die wahren Missstände im System verschweigen, nur, um von meinen Geschlechtsgenossinnen beklatscht zu werden.
Mit diesem Gedicht möchte ich auch euch dazu ermutigen, euer Schweigen zu brechen, wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr nicht mehr länger guten Gewissens mit dem Strom schwimmen könnt. Nur durch Aufklärung werden wir am Ende genug Menschen die Augen öffnen und aus dem verseuchten Fluss ausbrechen können.“
24.5.2019
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Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut
Perikles, der Herrscher von Athen, hat vor 2.400 Jahren bereits richtig erkannt: „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut!“ Diesen Mut kann man nicht verordnen – er muß aus uns selbst erwachsen! Großartig, Naomi Seibt! (Y)
Vor 20 Jahren sangen meine Freunde und ich vor einem der Mainstream-Medien-Sendehäuser:
„Den Mut stolz frei zu sein
Den findet man selten
Die Kraft kommt ganz allein
Aus inneren Welten.
Die Mächt´gen dort draußen
im Äther nur hausen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei!“
24.5.2019, R.R., PPO
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Wer in der Demokratie schläft, wacht in einer Diktatur auf.
Bequemlichkeit und Feigheit sind die Gründe, die eine freie Gesellschaft zerstören. Nur durch Bequemlichkeit und Feigheit können sich immer wieder totalitäre Regime etablieren. „Wer in der Demokratie schläft, wacht in einer Diktatur auf.“ in Gedicht, das es auf den Punkt bringt. Sehr gut. Mit Recht gewonnen.
„Man muss das Wahre immer wiederholen, weil auch der Irrtum um uns her immer wieder gepredigt wird, und zwar nicht von einzelnen, sondern von der Masse. In Zeitungen und Enzyklopädien, auf Schulen und Universitäten, überall ist der Irrtum obenauf, und es ist ihm wohl und behaglich, im Gefühl der Majorität, die auf seiner Seite ist.“ Johann Wolfgang v. Goethe)
24.5.2019, B.P., PPO

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