Littenweiler Stadtteilentwicklung

Dreisamtäler: Prof. Haag, Sie sind als Bürgermeister des Dezernats V für Stadtentwicklung und Verkehrsplanung zuständig. Sie müssen die Stadt als Ganzes sehen, aber auch die Bedürfnisse der einzelnen Stadtteile im Blick haben. Ein Problem der Stadtteile wie Littenweiler ist meist die Infrastruktur: können die Dinge des täglichen Bedarfs noch im Stadtteil eingekauft werden oder bluten sie infrastrukturell aus? Können Sie unseren Lesern erläutern, welche Ziele und Konzept die Stadt Freiburg hier verfolgt?Haag: Wir haben ein Freiburger Märkte- und Zentrenkonzept,
mit dem wir zweierlei erreichen wollen. Wir wollen eine starke und attraktive Innenstadt und wir wollen Stadtteilzentren, die es den Bürgern ermöglicht, die Einkäufe für den täglichen Bedarf fußläufig oder mit dem Rad zu erledigen, also eine Stadt der kurzen Wege. Was wir nicht wollen, das sind Märkte auf der grünen Wiese in den Außenbereichen. Das regeln wir über Bebauungspläne. Dieses Konzept führte dazu, dass wir in der Regel eine sehr gute Einzelhandelsversorgung in den Freiburger  Stadtteilen haben. Einfach ist das allerdings nicht, denn generell verändern sich die Einzelhandelsstrukturen in Richtung Zentralität. Die Verkaufsflächen werden immer größer, viele Kleine ziehen sich aus der Fläche zurück – siehe Post, siehe Schlecker – und das Internet spielt bei dieser Entwicklung natürlich auch eine Rolle. Einzelhandelsstrukturen zu erhalten, wird immer schwieriger. Für den Freiburger Osten ist das Zentrum Oberwiehre ein recht gutes Beispiel für die Schaffung eines neuen Versorgungsschwerpunkts. Nach anfänglichem Widerstand ist das ZO inzwischen gut angenommen und für viele fußläufig erreichbar.
Dreisamtäler: Und was bedeutet das jetzt für Littenweiler?
Haag: Die Versorgungssituation in Littenweiler ist sehr gut. Es gibt immerhin zwei Edeka-Märkte als Vollsortimenter, einen Discounter und viele kleinere Geschäfte sowohl in der Alemannenstraße als auch im Bereich der Endhaltestelle. Auch hat sich in Littenweiler ein Wochenmarkt mit regionalen Produkten etabliert, der von den Bürgern sehr gut angenommen wird. Das ist eben auch ein wichtiger Punkt. Das ganze lebt von der Akzeptanz der Bürgerschaft.
Dreisamtäler: Ist denn inzwischen Bewegung in die Überplanung des Areals Bahnhofsvorplatz und PH-Parkplatz gekommen?
Haag: Dass bei diesem Areal für Littenweiler noch gute Entwicklung möglich wird, ist offensichtlich. Wir sind als Stadt jedoch nur handlungsfähig, wenn wir kooperative Grundstückseigentümer haben. Und das war bisher nicht der Fall. Es laufen schon seit langem intensive Gespräche mit dem Land und der Bahn. Gerade die Bahn bringt sich jedoch nicht so ein, wie es ursprünglich verabredet war und kocht ihr eigenes Süppchen …
Dreisamtäler: … was darin gipfelte, dass die Bahn ein Grundstück höchstbietend ausgeschrieben hat …
Haag: Leider ja, daher mussten wir mit einem Aufstellungsbeschluss und dem Beschluss für ein Vorkaufsrecht reagieren. Damit sichern wir uns zunächst Handlungsoptionen. Ob dies am Ende reicht, um zu einer guten Gesamtentwicklung zu kommen kann ich derzeit noch nicht abschätzen, hoffe es aber sehr.
Dreisamtäler: Die Littenweiler Bürger waren über den jahrelangen Stillstand nicht ganz unglücklich.
Haag: Es gibt viele, die wollen, dass es bleibt, wie es ist. Viele sehen aber auch, dass hier Potential da wäre, Littenweiler aufzuwerten. Ein Ärztehaus an dieser Stelle würde eine Aufwertung bedeuten. Und natürlich gibt es noch weiteres Konfliktpotential. Die Studenten der PH, die die Container entlang der Höllentalstraße nutzen, sind über die Entwicklung auch nicht begeistert. Wir unterstützen allerdings die Studierenden in der Suche nach Ersatzräumen. Veränderung bedeutet nicht immer, dass es für alle besser wird. Man muss aber das große Ganze sehen. Für mich ist das ZO ein Erfolgsbeispiel, das eine deutliche Veränderung brachte und inzwischen ein Gewinn für den Freiburger Osten ist. Klar ist aber auch, dass bei der Umgestaltung des Areals die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden! Wir hatten ja schon mehrere Informationsveranstaltungen und Bürgerworkshops.
Dreisamtäler: Wie sieht es mit der Planung aus, die Stadtbahnlinie bis zum Kappler Knoten zu verlängern?
Haag: Die Planung für die Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 bis zum Kappler Knoten plus Haltepunkt Bahnhof Littenweiler ist bis nach 2018 zurückgestellt. Priorität haben drei andere Projekte: Die Stadtbahn bis Zähringen ist bereits im Bau, die zur Messe wird im Frühjahr nächsten Jahres begonnen und für den Rotteckring ist der Start 2014 geplant. Zusammen mit der Stadtbahnverlängerung Littenweiler ist dann auch ein Park-and-Ride-Platz vorgesehen, der im Freiburger Osten fehlt und Littenweiler und Waldsee gut tun würde. Die Parksituation würde sich dadurch deutlich entspannen. 
Dreisamtäler: Welche Rolle spielt die Höllentalbahn für Littenweiler?
Haag: Sie ist wichtig für Littenweiler. Mit ihr kommt man schnell und direkt in den Schwarzwald und an den Hauptbahnhof. Die Höllentalbahn ist mit die stärkste Strecke im Land, die von Berufspendlern, Schülern und Touristen genutzt wird. Sie ist ein Riesenerfolg für die Bahn und das Land. Damit das so bleibt, muss man auch etwas dafür tun. Die Qualität muss stimmen. Deshalb ist das Konzept der Breisgau-S-Bahnkonzept 2020 der richtige Weg. Die Höllental soll ausgebaut werden, neues Wagenmaterial angeschafft und die Bahnhöfe barrierefrei gestaltet werden. In weiteren Schritten soll eine durchgängige Elektrifizierung nach Donaueschingen realisiert werden. Dieses Konzept bietet für Littenweiler und das Dreisamtal viele Chancen und spricht neue Zielgruppen für den Tourismus an. Wir arbeiten hier im Zweckverband an der Umsetzung und zwar Stadt, Landkreis und Land Hand in Hand.
Dreisamtäler: Inzwischen ist es beschlossen: das SC-Stadion wird neu gebaut und bleibt nicht in Waldsee.
Haag: Ein Gutachten zeigt, dass am Standort Schwarzwaldstraße zwar ein bundesligataugliches Stadion realisiert werden könnte, jedoch nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten. Diese Zukunftsperspektive wäre da, aber der Aufwand steht in keiner Relation zu möglichen Nutzen und Mehreinnahmen. Vor allem weil dort die Auflage einer Begrenzung von maximal 25.000 Zuschauer besteht. Das ist der Tatsache geschuldet, dass das Stadion direkt an einem Wohngebiet liegt. Deshalb ist die Aussage der Stadt, dass der Standort Schwarzwaldstraße ersetzt wird. Wir prüfen derzeit verschiedene Standortvarianten. Ziel ist es, den SC in Freiburg zu halten und ihm eine gute Perspektive zu bieten. Der SC braucht ein bundesligataugliches Stadion und er darf sich auch nicht überschulden, so dass kein Geld mehr für den Spielbetrieb da ist. Fußball ist nach wie vor eine Boom-Sportart. Obwohl die Umsätze schon hoch sind, ist immer noch was drin und wir müssen Schritt halten mit anderen Städten, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Dreisamtäler: Christian Streich wünscht sich, dass das neue Stadion heimelig wird.
Haag: Wir hängen natürlich alle am Stadion an der Dreisam. Das ist ein Stück Freiburger Geschichte und Identität. Wenn man die Bilder im Fernsehen mit dem Roßkopf im Hintergrund sieht, dann hat das Atmosphäre. Klar, ein Neubaustadion wird nüchterner werden, und von den Schwarzwaldhängen weiter weg sein, weil es irgendwo im Westen der Stadt erbaut werden wird. Dort existieren einfach andere Flächenangebote und Verkehrserschließungsmöglichkeiten. Erst brauchen wir jedoch einen Standort, über Heimeligkeit können wir dann sprechen, da finden wir mit Christian Streich eine Lösung.
Dreisamtäler: Wie würden Sie Littenweiler als Stadtteil charakterisieren?
Haag: Littenweiler ist ein Stadtteil, der ein sehr eigenes Gepräge bewahrt hat. Littenweiler hat Charakter mit einem schönen Zentrum und einer wunderschönen Lage. Littenweiler ist einer unserer schönsten Stadtteile, wobei wir in Freiburg viele schöne Stadtteile haben. Man kann dort sehr gut wohnen und sich wohlfühlen, was Umfragen immer wieder belegen. 
5.12.2012, Dagmar Engesser im Gespräch mit Prof. Dr. Haag , www.dreisamtaeler.de

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