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Michael Meyen: „Der Journalismus wird zerquetscht“
Interview: Kaum einer kritisiert die Selbstauslieferung von Medien und Wissenschaft an Politik, Ideologie und Macht so profunde wie Michael Meyen. Nun ist der Münchner Kommunikationswissenschaftler und Bestsellerautor jedoch selbst in ihr Visier geraten
Moritz Schwarz

Herr Professor Meyen, wie lautet Ihr Fazit der Debatte um das Potsdamer „Geheimtreffen“ und die AfD?
Michael Meyen: Es gab keine echte Debatte. Zu sehen und zu hören waren und sind vor allem Menschen, die das Narrativ bedienen, das „Correctiv“ vorgegeben hat – frei nach dem Motto: Wir stehen kurz vor einem neuen 1933, wenn wir nicht endlich etwas gegen diese Partei tun und gegen alle, die irgend etwas mit ihr zu tun haben.

Erkennen Sie dabei Strukturen, die Sie aus Ihrer Forschung kennen?
Meyen: Die Kommunikationswissenschaft spricht von mediatisierten Ereignissen: Dinge, die nur stattfinden, damit darüber berichtet wird. Wer Geld und das entsprechende Personal hat, kann so andere Themen aus der Öffentlichkeit verdrängen und seine eigene Sicht plazieren.

Glaubt „Correctiv“ nicht wirklich der Nazismus kehrt zurück, und wollte nicht nur anderes „verdrängen“?
Meyen: „Correctiv“ ist ja nur das ausführende Organ. Ich weiß nicht, woran die Leute dort glauben. Vermutlich denken sie in der Tat, für das Gute zu streiten und Bollwerk gegen alles zu sein, was dem entgegensteht. Man muß sich dafür ja nur die „Faktenchecks“ auf der „Correctiv“-Seite anschauen. Dort geht es immer um Dinge, die der Regierungssicht widersprechen und das Zeug haben, viele Menschen zu erreichen. Bei der Potsdam-Geschichte genügt ein Blick auf den Zeitverzug: Journalismus lebt ja von der Aktualität, doch bei dem „Geheimtreffen“ handelt es sich um ein Ereignis aus dem November, das just aus dem Hut gezaubert wurde, als die Proteste gegen die Ampel in aller Munde waren.
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Sie könnten doch den Unmut im Netz und Volk aufnehmen und damit Publikum und Gewinn vergrößern.
Meyen: Reichweitenmaximierung war gestern. Bis in die frühen 2010er Jahre haben die Leitmedien gut von Werbung und Abos gelebt. Heute schielen Verlagschefs genau wie andere Großunternehmer auf die Kassen des Subventionsstaates. Seit Corona wissen sie, daß das kein Tabu mehr ist. Im Sommer 2020 gab es vom Bund einen Nachtragshaushalt von 220 Millionen Euro. Eine Belohnung für mediales Wohlverhalten unter dem Deckmantel „digitale Transformation“. Zwar ist das Geld dann nicht ausgezahlt worden, aber die Verlage baggern weiter. Im Moment geht es um „Zustellhilfen“ für Zeitungsverlage, die die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen hat. Die werden spätestens 2025 kommen, weil auch die CDU dafür ist. Niemand beißt die Hand, die mit Millionen lockt.

Warum reflektieren die Medien das nicht selbstkritisch, denn eigentlich gehört das zu ihrem Berufsethos?
Meyen: Die Redaktionen sind inzwischen sehr homogen. Man muß sich heute leisten können, sein Kind in den Journalismus zu schicken, denn der Weg ist lang und teuer. Deshalb dominieren dort Mittelschichtkinder, die weiter nach oben wollen und schon deshalb alle bewundern, die das schon geschafft haben. Die Herkunft prägt außerdem den Blick auf die Wirklichkeit. Großstadtakademiker haben wenig Zugang zum Leben und zu den Problemen von Menschen, die ihr Geld mit den Händen verdienen oder auf dem Land wohnen.

Sie sind mit dieser Entwicklung in Journalismus und öffentlicher Debatte selbst in Konflikt geraten. Warum?
Meyen: Medienkritik ist kein Nischenthema mehr. Seit Pegida geht es auf vielen Demos auch um den Journalismus. In manchen Bundesländern verweigert jeder zehnte Haushalt den Rundfunkbeitrag, Tendenz steigend. Wenn ein Universitätsprofessor das mit Theorie und Empirie unterfüttert, den Kritikern also Argumente liefert und sie mit seiner Reputation legitimiert, dann wirkt das offenbar bedrohlich. Vor zehn Jahren kamen vielleicht zehn Interessierte, wenn ich zu dieser Problematik eine Veranstaltung gemacht habe, heute ist dagegen der Saal voll. Und bekämpft wird ja nur das, was Reichweite hat.

Die „Zeit“ etwa fragt, warum einer wie Sie „immer noch lehren darf“. Die „Süddeutsche Zeitung“ will zwar nicht Ihren Rauswurf, hält aber den Einsatz des Verfassungsschutzes gegen Sie für gerechtfertigt.
Meyen: Diese Texte sprechen für sich. Es steht jedem frei, meine Bücher zu lesen oder zu Vorträgen zu kommen und sich dort selbst ein Urteil zu bilden. Meine Erfahrung: Journalisten, die einen Beitrag über mich verfassen, wissen vorher, was sie schreiben wollen, und fragen nur pro forma, wie ich die Dinge sehe. Es lohnt sich deshalb gar nicht zu antworten.

Aber ist ein Abbruch der Debatte nicht Kapitulation?
Meyen: Nein, man würde nur Zitate liefern und dem Journalisten helfen, sich selbst und seine Leser zu beruhigen: Wir haben die andere Seite doch gehört. Tatsächlich aber gibt es weder Offenheit noch Neugier. Ein „Fall“ wie meiner dient nur dazu, das herrschende Narrativ zu stärken und den Raum des öffentlich Sagbaren abzustecken. Seht her: Das passiert, wenn einer ausschert!

Beide Artikel sind denunziatorisch, aber auch typischer Journalismus: Schließlich gibt es kaum ein Medium, das nicht schon gefordert hat, jemanden zu entlassen.
Meyen: Mag sein, daß das heute für den Journalismus typisch ist. Über die Gründe haben wir gesprochen. Ich halte mich da eher an Rudolf Augstein: Sagen, was ist. Der Journalismus hat einen öffentlichen Auftrag. Er muß über alle Themen informieren, die in der Gesellschaft als relevant betrachtet werden, und alle Perspektiven liefern, möglichst ohne Wertung, damit wir uns selbst eine Meinung bilden können. Der Kommentar ist da allenfalls eine nette Zugabe. Für die Meinungs- und Willensbildung brauchen wir Informationen und kein betreutes Denken. Im Grunde ist es traurig, wenn ein Journalist glaubt, Ministern, Unternehmern oder Wissenschaftlern sagen zu müssen, was sie zu tun haben. Auch hier gilt: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Berichte, stelle Öffentlichkeit her. Alles andere findet sich dann.

Spielen wir das im Fall AfD durch: Wie könnte man klären, was sie tatsächlich, jenseits aller Meinungen, ist?
Meyen: Das Programm lesen und schauen, was die Partei tut, in den Parlamenten zum Beispiel, in kleinen Anfragen, Reden, mit Veranstaltungen. Ich war deshalb im November beim 2. Corona-Symposium der AfD-Bundestagsfraktion. Auch Bücher helfen. Es ist ja kein Zufall, daß Martin Sellners Buch über Remigration inzwischen vor der Veröffentlichung Anfang März per Vorbestellung ein Bestseller ist. Die Leute gehen zu den Quellen, weil sie dem Vermittler ein Zerrbild unterstellen. Sie könnten sich diesen Aufwand sparen, wenn der Journalismus seinen Job machen und das Pro und Contra rund um diese Partei unvoreingenommen nebeneinanderstellen würde.

Ihre Kritik reicht über den Journalismus hinaus, in Ihrem neuen Buch „Wie ich meine Uni verlor. Bilanz eines Ostdeutschen“ (siehe Seite 21), nennen Sie die Wissenschaft „die Religion der Gegenwart“, denn um etwas durchzusetzen, brauche man „Priester mit Professorentitel, Studien, Akademien, Ethikräte. Ohne die Weihen von Gelehrten keine Absolution“.
Meyen: Im Internetzeitalter braucht der Leitmedienjournalismus die Wissenschaft als Stütze, weil sie „Wahrheit“ verspricht. Der Staat hat die Universitäten auch zuvor finanziert und dafür gesorgt, daß bestimmte Positionen ausgeschlossen werden, über den Radikalenerlaß von 1972 zum Beispiel. Wer aber einmal Professor war, konnte die Inhalte weitgehend selbst bestimmen. Heute dagegen geben EU, Bund, Länder, Parteien und Konzernstiftungen die Themen vor, an denen gearbeitet wird. Das Anreizsystem wurde so verändert, daß man sich dem nur schwer entziehen kann. Ohne Drittmittel gibt es weniger Geld und ohne Publikationen im Web of Science, das vom Medienkonzern Thomson Reuters auf den Weg gebracht wurde, weniger Reputation bei den Kollegen. Das wirkt sich schon auf die Nachwuchsauslese aus. Wer heute in die Wissenschaft will, muß die Themen und die Codes des Digitalkonzernstaats bedienen.

Begonnen haben Sie Ihre Karriere in der DDR. Das irritiert, da Journalismus dort doch Propaganda war.
Meyen: Die DDR war ein PR-Staat. Selbst Erich Honecker hat ja einen großen Teil seiner Zeit in Medienarbeit investiert. Was schreibt die Parteipresse auf Seite 1, was bringt die „Aktuelle Kamera“ heute abend? Für Honecker war das wichtig, weil er wußte, daß sich die andere Sicht nicht unterdrücken läßt. Die Leute konnten ja jederzeit umschalten. Deshalb hat das DDR-Fernsehen in der Prime Time das gebracht, was Quote bringt. Shows, Spitzensport, Filme, oft auch aus dem Westen. Deshalb war auch die Journalistenausbildung gut. Ich habe in Leipzig das Handwerk gelernt, das nötig ist, wenn man nicht an den Menschen vorbeischreiben will. Und ich habe Sensoren entwickelt, die anschlagen, wenn der Journalismus zum Instrument wird.
Prof. Dr. Michael Meyen, lehrt Kommunikationswissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität. Geboren 1967 in Bergen auf Rügen, studierte er von 1988 bis 1992 Journalistik in Leipzig, wo Meyen ab 1995 auch lehrte, bevor er 2000 an die Universität Halle und 2002 nach München wechselte. 2021 erschien sein Bestseller „Die Propaganda-Matrix. Der Kampf für freie Medien entscheidet über unsere Zukunft“ und Ende 2023 sein neues Buch „Wie ich meine Uni verlor. Dreißig Jahre Bildungskrieg – Bilanz eines Ostdeutschen“.
… Alles vom 16.2.2024 mit Michael Meyen bitte lesen in der JF 8724, Seite 3

 

Staatsjournalismus ist kein Journalismus, sondern Regierungs-Propaganda
Steuergeld für „Correctiv“
„Journalismus ist, zu drucken, was andere nicht gedruckt haben wollen. Alles andere ist Propaganda“, hat der Schriftsteller George Orwell („1984“) einmal gesagt und damit die Geisteshaltung freier und kritischer Berichterstattung gültig definiert. Und was für die geistige Unabhängigkeit gilt, gilt für die finanzielle umso mehr.
Um es klar zu sagen: Journalisten, die Geld vom Staat bekommen, sind keine. Staatsjournalismus ist kein Journalismus, sondern Regierungs-Propaganda.
Die Pressefreiheit ist ein Schutz- und Abwehrrecht gegen den Staat, keine Lizenz zum Lohnschreiben. Wenn der Staat Informationen an die Bürger bringen oder sein von vielen Menschen vermeintlich sträflich ignoriertes, segensreiches Wirken gern darstellen möchte, hat er Pressestellen und in der Regel auch hinreichend Steuergeld, um PR-Agenturen zu bezahlen. Journalismus, der Zuschüsse von den Mächtigen bekommt, steht unter Verdacht. Und zwar zu Recht!
… Alles vom 29.1.2024 von Ralf Schuler bitte lesen auf
https://www.nius.de/Kommentar/steuergeld-fuer-correctiv-staatsjournalismus-ist-kein-journalismus-sondern-regierungs-propaganda/dc7cfb1b-1b14-417c-9193-6dccf136fead