Ausgewogenheit

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„Die Windsbraut“ von Franz Gutmann in Staufen bei Freiburg

 

Ausgewogenheit bei Nachrichten und Kommentar
Journalisten informieren über das aktuelle Geschehen. Dabei haben sie deutlich zu trennen zwischen der Nachricht (Fakt, Meldung, News, objektiv) und ihrem Kommentar dazu (persönliche Meinung, Interpretation, Analyse, subjektiv). Diese Trennung muß der Journalist fairerweise deutlich kenntlich machen, da der mündige Bürger als sein Kunde sich nur so frei und unvoreingenommen seine eigene Meinung selbst bilden kann.
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„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“ Dieses Diktum von Hanns Joachim Friedrichs (1995) http://www.hanns-joachim-friedrichs.de/index.php/das-letzte-interview.html, dem Übervater des deutschen Journalismus, betrifft die Ausgewogenheit: Alle Seiten zeigen, ohne Partei zu ergreifen, Distanz wahren und dabei cool bleiben: “Distanz halten, …, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.” Keine Propaganda, keine Erziehung, kein Gesinnungsdiktat, kein Nudging und Framing – das ist das Geschäft des ehrlichen Journalisten.

Beide Zitate von Friedrichs beziehen sich auf die Nachrichten, die in TV, Radio und Zeitungen sowie Online angeboten werden. Hier gilt das Prinzip der Ausgewogenheit. Anders ist es beim Kommentar, in den der Journalist seine persönliche Sicht einließen lassen kann und muß. Damit der Leser dies erkennt, muß der Kommentar als Meinungsbeitrag gekennzeichnet sein: „Kommentar zu ….“ oder „Die Meinung von ….“.
Problematisch wird es, wenn Nachricht und Meinung gemixt werden und der Medienkonsument – absichtlich oder nicht – im Unklaren gelassen wird, was sich nun tatsächlich ereignet hat und was der Bewertung des Journalisten zuzuordnen ist.
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Das Diktum der Ausgewogenheit von HaJo Friedrichs gilt nur für Nachrichten-Medien (Print, TV oder Internet). Ein akuelles Beispiel:
Das Online-Magazin Publico des Journalisten Alexander Wendt https://www.publicomag.com ist aber kein Nachrichten-Portal im engeren Sinne, sondern libertäres Portal, in dem Autoren ihre Analysen und Meinungen zu politischen Themen publizieren. Nun haben Leser bei Beiträgen zum Überfall der Hamas auf Israel am 7.10.2023 eine fehlende Ausgewogenheit angemahnt: „Keine Ausgewogenheit bei Publicomag? Manche Dinge sind tatsächlich schwarz-weiß. …“. Ein Mißverständnis, da von Publico ja keine prinzipielle Äquidistanz zu beiden Seiten – Hamas und Israel – zu erwarten ist. Wendts Analysen beruhen zwar auf sachlicher Recherche und gut belegter Kritik, sind aber einseitig pro Israel, d.h. unausgewogen. Mehr dazu hier.

Zurück zu den News-Medien: Für Friedrichs sind diese Medien zur Berichterstattung aus der Distanz heraus angehalten und Journalisten somit keine Erzieher, Moderatoren, Story-Erzähler für bürgerliche Untertan, sondern Dienstleister, die mündige Bürger ausgewogen informieren. „Es ist nicht die Aufgabe des Moderators, die Leute zur Betroffenheit zu animieren. Die sollen selber entscheiden, ob sie betroffen sein wollen oder nicht. “
Wir brauchen auch in den Mainstream-Medien einen ehrlichen Journalismus à la Hanns Joachim Friedrichs und weder Haltungsjournalismus noch Auftragskommunikation (Journalisten insgeheim von Regierung beauftragt), auch nicht im ÖRR. Zum Glück bildet sich übers Internet ein Netzwerk freier, unabhängiger Medien heraus, die zwar finanziell knapp sind, da ausschließlich auf Spenden angewiesen, dafür dem Bürger mehrere Sichtweisen anbieten: „Audiatur et altera pars“ – man höre sich stets auch die andere Seite an.
29.10.2023