Kulturhauptstadt

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Blick vom Schlossberg nach Westen auf das verschneite Freiburg mit dem Münster am 14.2.2014

  • Erträgt das kulturelle Freiburg keine Kunstfreiheit? (3.7.2021)
  • https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/fessenheim-novelle-von-lodemann/ (24.2.2013)
  • Von Kirchbach ist weiterhin für die Kulturhauptstadt Freiburg >Kulturhauptstadt (19.8.2011)
  • Jürgen Lodemann: Eigensinn als Leitidee zur Kulturhauptstadt  >Kulturhauptstadt (23.7.)
  • Kulturhauptstadt Freiburg – ohne OB Salomon >Kulturhauptstadt (7.7.2011)
  • Ratlosigkeit und Tatendrang nach Experten-Anhörung>Kulturhauptstadt (9.6.2011)
  • Wichtig ist die Einbindung der Bürger>Kulturhauptstadt (23.3.2011)
  • Europäische Kulturhauptstadt 2020: Soll sich Freiburg bewerben? >KulturHauptstadt (17.3.2011)
  • KulturJoker April 2010: Kosten, Basel, Strasbourg, Meinungen >Kulturhauptstadt (3.4.2010)
  • KulturJoker Februar 2010: Was kostet die Bewerbung? >Kulturhauptstadt (6.2.2010)
  • Ruhr2010 – das Programm der Kulturhauptstadt Essen  >Kulturhauptstadt (14.1.2010)
  • Freiburg im Plus: Argumente auf dem Weg zur Bewerbung >Kulturhauptstadt (25.12.2009)
  • Linz 2009 – eine Kulturhauptstadt im Zwischenfazit (6.11.2009)
  • Atai Keller über eine Kulturhauptstadt in der Provinz >Kulturhauptstadt (11.10.2008)
  • Bobbele-Ich: Eine Stadt auf dem Weg zu sich selbst? >Kulturhauptstadt (10.10.2009)
  • Vision oder nur Fiktion? Kulturhauptstadt-Optionen 2020 >Kulturhauptstadt (4.10.2008)
  • Pro Kulturhauptstadt Freiburg – Bürgerinitiative
  • Ebneter-Kultursommer

 

Pro Kulturhauptstadt Freiburg – Bürgerinitiative

„Das Hauptziel der Bürgerinitiative ist es, einen positiven Beschluss des Gemeinderats zum Eintritt in das Bewerbungsverfahren um den Titel “Europäische Kulturhauptstadt” zu befördern und die Bevölkerung Freiburgs und der Region von dieser Idee zu begeistern. Denn wir sind davon überzeugt: Das Projekt bietet allergrößte Chancen für eine positive Stadtentwicklung in Freiburg insgesamt.“

Bürgerinitiative „Pro Kulturhauptstadt Freiburg“, über 340 Mitglieder im Februar 2013
www.prokulturhauptstadt-freiburg.de

 

Von Kirchbach ist weiterhin für die Kulturhauptstadt

BZ: Wie sieht Ihre Wunschvorstellung aus, um nicht zu stolpern?
Kirchbach: Klar ist, dass es genügend Akteure gibt, von der Gründung der Bürgerinitiative Pro Kulturhauptstadt über viele andere, die mit ihren Ideen in die Fraktionen gehen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Es steht also ein Diskussionsprozess in den kommenden Wochen an – öffentlich und halböffentlich. Wichtig ist, dass man mit Ressourcen haushält und nicht ohne einen politischen Konsens weitere Zeit investiert. Und dann ist es auch richtig, irgendwann einen Schlusspunkt zu setzen, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Aber es sind auch einfach unterschiedliche Herangehensweisen, ob man sagt: Ich gehe nur in ein Rennen, wenn ich weiß, dass ich gewinne, oder ob ich sage, allein der Weg ist lohnend und wichtig für die Stadt.
Alles vom 19.8.2011 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/kultur-sonstige/kulturhauptstadt-2020-von-kirchbach-glaubt-weiter-dran

Jürgen Lodemann: Eigensinn als Leitidee zur Kulturhauptstatt

Seit Freiburgs Oberbürgermeister die Kulturhauptstadt 2020 nicht mittragen will, weil es „keine Leitidee“ gebe, ist das ein Signal: Ohne Gunst von oben gelangen Bürger nun frei zur Einsicht, wie sinnvoll die Bewerbung wäre. Zum Expertentreff kam aus Essen Oliver Scheytt, der mit Fritz Pleitgen die Brüsseler Jury dazu brachte, ausgerechnet Essen und das Ruhrgebiet zur Kulturhauptstadt Europas auszurufen. Nach „Ruhr 2010“ ist klar, das Revier ist weder gesichts- noch geschichtslos. Scheytt gab Freiburg den Rat: Wer Brüssel überzeugen will, muss eine Geschichte erzählen mit einer Leitidee für die Zukunft.

Eine solche Geschichte muss Freiburg nicht erfinden, die ist vorhanden, heißt Eigensinn und erzählt von Alternativen und Freiheiten. Ausgerechnet ein erzkatholischer Ort praktiziert fast tausend Jahre Querdenken und zeigt auch der Gegenwart Wege nach vorn, in sozialem Geist. Schon der 113 Meter hohe gotische Turm, der alle Erdbeben, Kriege und Bomben märchenhaft überstand, ein Turm, der nun sichtbar zu leiden hat unterm Missbrauch des Weltklimas, schon er war nicht etwa die Idee eines Fürsten, wurde auch nicht von der Kirche gestiftet, sondern war eine Tat der Bewohner, war Deutschlands erste große Bürgerkirche, gebaut von Leuten, denen das Frei-Sein von denen da oben offenkundig sehr wichtig war. „Frei-Burg“ hätte auch ein Vatikan nördlich der Alpen werden können, aber das lief anders, das Quälen und Ermorden so vieler eigensinniger Frauen („Hexen“) wurde hier keineswegs „nachhaltig“, sondern: „Nai, hämmer gsait„.
Schon mit seinem fabelhaften Namen bekundete Freiburg, dass man mit Oberen wenig zu tun haben wollte. Im westlichsten Winkel des katholischen Österreich gelang durch 500 Jahre relatives Frei-Sein; Rom und Wien waren weit weg, im Verein mit Basel und Straßburg konnten hier Humanisten neues Miteinander vorausdenken. 1848 wurde das so lebhaft, dass der von Napoleon eingesetzte Landesfürst gegen seine eigenen Untertanen die Preußen zur Hilfe holen musste.
Die kamen mit der neuen Eisenbahn reichlich. Das Truppenholen hat im Südwesten Tradition, noch 2010 am 30. September, als Polizei aus Bayern auf Stuttgarts besonnene Bürger einschlug, die gegen den Irrsinn protestierten, für Milliarden Schulden-Euro einen funktionierenden Kopfbahnhof zu vergraben. Als aktuellste Pointe der Geschichte vom Eigensinn namens Frei-Burg wird nun die altmeisterliche Katholikenstadt zum Europasignal. Nachdem zum AKW in Wyhl gleichfalls „Nai“ gesagt wurde, nach Aktionen von Land- und Stadtleuten, und nachdem der Liberale Dahrendorf sehr zu diskutieren hatte mit einem wie Dutschke, da wurde ausgerechnet das schöne Traditionsnest hinterm Schwarzwald zum Ursprungsgelände des Neuen, des Grünen, wird Freiburg als „Green City“ wegweisend, wo immer der Planet nun dringend andere Methoden braucht, wenn Leben noch eine Chance haben soll. Ausgerechnet die einstige „Schlageter-Kaserne“ wurde zum Vorzeigeviertel Deutschlands mit den wenigsten Autos und meisten Kindern.
Da studieren nun von weither Besucher, wie es gelingt, zukunftsfähige Energien zu gewinnen und zu sparen und wie da neue Wohnformen und Lebensweisen wachsen, etwa im einzigartigen „Sonnenhof“ beim Leben mit Demenzkranken oder in Mietshäusersyndikaten. Modelle gibt’s auch im Rieselfeld oder im drehenden Wohnhaus und „Sonnenschiff“ der Gruppe Disch oder im gedämmten Hochhaus oder im Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme oder, oder – das geschichtsschwere Freiburg wurde Pionierstadt, hat just jenen Dollpunkt, den Professor Scheytt forderte, wenn man in Brüssel Erfolg haben will.
Spätestens seit der letzten Wahl steht ausgerechnet das liebe und hoch musikalische Freiburg an der Spitze einer weltweiten Wertewende, ins Ökologische, ins Dezentralisierte, was die Regierung der klugen Protestantin im Osten nun meint, nachmachen zu müssen. „Frei Burg“ heißt der Dollpunkt: Eigensinn als Geschichte und Leitidee. Diese Stadt bietet nicht nur hellwaches Theater, nicht nur Praktisch-Faktisches, sondern auch hohen Symbolwert wie diesen Weltwunderturm. Nehmen wir’s als Zeichen, wie es trotz allem weiter gehen könnte, lebens- und liebenswert. Aber ohne Fürst Salomon? Ach, nun erst recht! Einst hatte der über 1848 öffentlich zu improvisieren. Überzeugend. Dieter Salomon hat das Zeug. 2020 sehe ich ihn in der ersten Reihe.
23.7.2011, Jürgen Lodemann, Gastbeitrag in www.badische-zeitung.de

Der Autor, Jahrgang 1936, lebt in Freiburg, ist Schriftsteller und Gründungsmitglied der Bürgerinitiative „Pro Kulturhauptstadt Freiburg“.

 

Kulturhauptstadt Freiburg – ohne OB Salomon

Dieter Salomon stellt die Bemühungen ein / Kritik von SPD und CDU / Neue Bürgerinitiative setzt sich für eine Bewerbung ein.
Alles vom 7.7.2011 auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/kulturhauptstadt-ohne-ob–47190408.html

Salomons Schlusspunkt
Die Situation ist ziemlich verfahren. Und es ist unrealistisch, gegen den erklärten Willen des Oberbürgermeisters ein solches Millionenprojekt zu stemmen. Wenn nicht alles täuscht, sind die Träume geplatzt. Mehr von Uwe Mauch vom 7.7.2011 auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/muenstereck-salomons-schlusspunkt–47194685.html

 

 

Ratlosigkeit und Tatendrang nach Experten-Anhörung

Gemeinderat: Bisheriges Papier zum Thema Kulturhauptstadt trägt nicht / Grüne starten Prozess, Kulturliste gründet Initiative. Todesstoß oder Auftrieb? Weit auseinander liegen die Rückschlüsse, die Stadträte aus der Anhörung externer Experten zu einer Bewerbung Freiburgs als Kulturhauptstadt ziehen. Nun soll eine Gesprächsrunde mit Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) und Vertretern der Fraktionen im Gemeinderat nach einer Linie und einer Mehrheit suchen. ….. Alles vom 9.6.2011 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/ratlosigkeit-und-tatendrang-nach-experten-anhoerung–46230587.html

 

Wichtig ist die Einbindung der Bürger

Mehrfach hat der Gemeinderat die Chancen und Möglichkeiten, die eine Bewerbung Freiburgs zur Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2020 bieten, erörtert. Die Basis zu diesen Diskussionen, an denen sich von Anfang an die CDU-Stadtratsfraktion intensiv beteiligte, waren von einer Expertengruppe entwickelte Ideen. Nach diesem Meinungsaustausch steht die CDU einer Bewerbung positiv gegenüber. Allerdings halten wir es für wichtig, die Diskussion auf eine breitere Basis zu stellen. Die gesamte Stadtkultur mit allen Kulturschaffenden und -ausübenden sollte sich jetzt zusammen mit den Bürgern Freiburgs an der Debatte beteiligen. Denn alle Anstrengungen, die unternommen werden, die Freiburger Kultur zur Geltung zu bringen, werden die Stadt bereichern. Vor dem Hintergrund des 900-jährigen Stadtjubiläums Freiburgs im Jahr 2020 könnte das Engagement für die Freiburger Kultur, bei den Bestrebungen Europäische Kulturhauptstadt zu werden, so angelegt werden, dass sie Teil der ohnehin notwendigen Vorbereitungen für unser Stadtjubiläum würden. In der aktuellen Phase der Bewerbung ist es wichtig, mit Städten, die in jüngster Zeit Erfahrungen mit ähnlichen Projekten gemacht haben, in Kontakt zu treten. Deshalb begrüßen wir, dass die Stadt Freiburg zu einer Experten-Anhörung im Mai dieses Jahres eingeladen hat. Bei dieser Veranstaltung werden neben Fachleuten auch Vertreter aus Hamburg und Basel anwesend sein, die mit der Durchführung und Planung der internationalen Bauausstellungen (IBA) dieser Städte betraut sind. Dadurch können mit Sicherheit weitere nützliche Erfahrungswerte in den Bewerbungsprozess Freiburgs mit einfließen.
Uns als CDU ist es darüber hinaus wichtig, neben einer inhaltlichen Betrachtung auch finanzielle Aspekte in den Fokus zu nehmen. Neben dem unumstrittenen Imagegewinn, der mit einer erfolgreichen Bewerbung erreicht werden kann, werden immer wieder die Folgekosten, die auf die ausrichtenden Kommunen zukommen, kritisiert. Vor diesem Hintergrund haben wir mehrere Fragen an die Verwaltung der Stadt Freiburg erarbeitet. In diesen geht es uns darum, eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu erhalten. Wir erhoffen uns, durch die Beantwortung die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen für unsere Stadt besser einschätzen zu können.
Bereits im Juni 2010 machte die CDU-Fraktion den Vorschlag, zu prüfen, ob die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH&Co. KG (FWTM) sowie die Freiburg Management und Marketing International GmbH (FMMI) im Rahmen ihrer Gesellschaftszwecke die Finanzierung der Bewerbung zur Kulturhauptstadt übernehmen könnten. Zum einen würde damit der städtische Haushalt durch die Bewerbung nicht belastet und zum anderen eine enge Einbindung der FWTM und FMMI von Anfang an sichergestellt. Im Falle der Wahl wären beide städtischen Gesellschaften ohnehin notwendig, da sie bei der Einwerbung von Sponsorenfeldern und als Scharnier zur Wirtschaft auch bei der Vermarktung eine zentrale Rolle spielen müssen.

Die Grundsatzentscheidung für eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt wird die CDU-Fraktion dann treffen, wenn die Europäische Union ihre zentralen Kriterien benannt und die Verwaltung unsere Anfrage ausreichend beantwortet hat. Hierzu müssen alle Bewerbungsmodalitäten vorliegen und klar sein, wann Deutschland wieder eine Kulturhauptstadt stellen darf. Wichtig auf dem Weg zu dieser Entscheidung ist uns, dass die Bürgerinnen und Bürger Freiburgs mit eingebunden werden, dass sie ihre Meinungen und Ideen einbringen. Wenn die Vision „Freiburg EU Kulturhaupt“ von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, können wir Freiburger, unsere Stadt und die gesamte Region einen großen Gewinn daraus ziehen.
23.3.2011,  Ellen Breckwoldt , CDU-Stadtratsfraktionsvorsitzende

 

Europäische Kulturhauptstadt 2020: Soll sich Freiburg bewerben?

Im Jahr 2005 haben sich die Stadt, die Universität und die übrigen Freiburger Hochschulen und wissenschaftlichen Institute, Kammern und Wirtschaftsverbände, Kulturgruppen und -initiativen und viele weitere Akteure zusammengefunden, um die Bewerbung im Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“ 2007 vorzubereiten. Das Ergebnis ist bekannt: Das Freiburger Konzept kam zwar ins Finale, aber nicht auf den erhofften ersten Platz.
Die Zusammenarbeit über mehr als ein Jahr war dennoch nicht vergebens. Sie hat ein Netzwerk für Freiburg als Stadt des Wissens geschaffen und zu einem Miteinander geführt, das es in dieser Intensität und Kreativität vorher nicht gab und ohne den gemeinsamen Diskussionsprozess auch niemals gegeben hätte. Sie hat Wissenschaft als Standortfaktor neu definiert und mit vielen gemeinsamen Projekten bewusstgemacht. Wir zehren nachhaltig bis heute davon, auch ohne den Titel einer „Stadt der Wissenschaft“. Was hat dies mit einer möglichen Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt zu tun? Sehr viel. Denn lange vor der Entscheidung des Gemeinderats und lange vor Festlegung der „Spielregeln“ der EU ist mit der Erarbeitung einer ersten Ideensammlung über mögliche Inhalte und Ziele einer Freiburger Bewerbung bereits jetzt ein ähnlicher Effekt feststellbar wie beim Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“. Und: Viele der damals bereits diskutierten Themen sind auch Themen einer Europäischen Kulturhauptstadt.
In den letzten zwei Jahren haben Akteure weit über die engere Kulturszene hinaus die Leitidee einer möglichen Bewerbung entwickelt. Sie ist nicht nur als Interpretation von Stadtkultur und als Ideensammlung zu dem vordergründig wortspielerischen Motto „Kultur der Stadt – Stadt der Kultur“ bemerkenswert. Sie ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil daran sehr unterschiedliche (und häufig auch konkurrierende) Institutionen mitgewirkt haben, mit höchst verschiedenen Auffassungen und Interpretationen des Begriffs „Stadtkultur“. Deshalb war es richtig, von Beginn an dem Diskurs über das herkömmliche Verständnis von Kultur hinaus Raum zu geben und darin auch Ökonomie wie Ökologie, Soziales, Forschung und Lehre, Architektur, urbane Lebendigkeit und Lebensart oder historische Herkunft einzubeziehen (um nur einige der vielen Faktoren zu nennen, die Urbanität ausmachen). Somit hat dieser Prozess über die inhaltlichen Ergebnisse hinaus auch ein kreatives Netzwerk geschaffen. Dieses weit gefächerte Potenzial zu bündeln und weiter für Stadtentwicklung nutzen zu können, ist bereits ein Wert an sich.
Wo stehen wir heute? Was jetzt in Gestalt der Leitidee vorliegt, ist eine lesenswerte Analyse dessen, was Freiburg an Eigenem und Gewachsenem in diesen Diskurs einbringen kann. Der Entwurf entwickelt daraus die (noch wenig konkrete) Idee, die Begriffe „Stadt der Kultur“ mit „Kultur der Stadt“ zu einer Symbiose zu verbinden, nämlich zu dem, was eigentlich das Besondere von Stadt ausmacht. Es ist ein im wahrsten Sinne des Wortes anspruchsvolles Vorhaben, dieses Leitbild am Beispiel Freiburg sichtbar und zu einem Vorbild für andere zu machen.
Das ist der Anspruch, den wir für eine Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt erfüllen müssen. Davon sind wir noch weit entfernt, aber auf einem guten Weg. Wie geht es weiter? Unerlässlich wird ein nüchterner Blick von außen sein, der die bisherige Arbeit in den Vergleich zu potenziellen Mitbewerbern setzt und die Freiburger Chancen beurteilt. Dazu rechne ich auch die für 2020 in Basel geplante Internationale Bauausstellung, die einer möglichen Freiburger Bewerbung zusätzliche Dynamik geben und symbolhaft für unsere Lage im Schnittpunkt dreier Grenzen mitten in Europa sein kann. Dieser Blick von außen ersetzt nicht die eigene Entscheidung des Gemeinderats. Aber er soll und muss Hinweise zur Position Freiburgs im Wettbewerb geben, denn auch andere Städte haben etwas vorzuweisen und feilen an der eigenen kulturellen Identität als Standort- und Wettbewerbsfaktor. Deshalb kann dieser Blick von außen das eigene Selbstbewusstsein bestärken und vor der Selbstüberschätzung warnen. Gewinnen zu wollen, ist ein ehrenwertes, aber nicht ausreichendes Motiv einer Bewerbung. Gewinnen zu können, gehört untrennbar dazu. Wenn die Vorgaben des Programms „Kulturhauptstadt Europas“ voraussichtlich bis zum Jahresende 2011 definiert werden, wird es Sache des Gemeinderats sein, bei seiner Grundsatzentscheidung über eine Freiburger Bewerbung die Chancen und Risiken sorgsam abzuwägen.
Dieter Salomon, 17.3.2011

 

 

 

KulturJoker April 2010: Kosten, Basel, Strasbourg, Meinungen

Was kostet die Kulturhauptstadt-Bewerbung?
Bei einigen Städten, die sich (wie Essen) um den Titel der Kulturhauptstadt 2010 beworben hatten, fragten wir nach: Was hat das Ganze gekostet? Ist ein bleibender Mehrwert für das kulturelle Leben in der Stadt erzielt worden, obwohl die Bewerbung nicht erfolgreich war? Der Blick auf die Budgetübersicht zeigt zunächst deutliche Unterschiede. Bei manchen Städten blieben die Aufwendungen deshalb geringer, weil der Beschluss zur Bewerbung spät, zum Teil erst wenige Monate vor dem Abgabetermin gefällt wurde. Andernorts schlug sich ein langfristiger Anlauf in mehreren kommunalen Jahreshaushalten nieder. Berücksichtigt man dies sowie Kostensteigerungen und andere Faktoren, wird für die Freiburger Bewerbung ein jährlicher Ansatz von 500.000,- Euro erforderlich sein. Ab sofort darf kreativ nachgedacht werden, wie die Finanzierung zu erreichen ist.
Kommunale Profilierung: „Die Bewerbung war ein großer und nachhaltiger Gewinn für Karlsruhe, auch wenn die Kulturhauptstadtbewerbung erfolglos blieb. Die Karlsruher Kulturszene ist durch das gemeinsame Bewerbungsziel enger zusammengerückt. Die Kulturhauptstadtbewerbung hat darüber hinaus zu einer wesentlichen Profilierung der Stadt beigetragen. Karlsruhe hat sich als eine Stadt des Rechts „gefunden“ und dies als Chance und Aufgabe angenommen. Es entwickelte sich (…) eine Stadt, die sich ihrer historischen und gegenwärtigen Bedeutung hinsichtlich der Entwicklung von Recht und Demokratie in  Deutschland und Europa bewusst geworden ist und dies auch als einen gesellschaftlich-kulturellen Auftrag versteht.“ (Claus Temps, Leiter Kulturbüro der Stadt Karlsruhe).

„Die Bewerbung zielte auf Kultur und nachhaltige Stadtumbauprozesse in Halle ab. Beide Themen sind heute aktueller denn je. Seit der Bewerbung wird an der Positionierung Halles als kreative Kulturstadt gearbeitet.“ (Stefan Voß, Geschäftsführer Stadtmarketing Halle GmbH).
Etats Bewerberstädte 2010 im Vergleich in Tausend Euro

Kommune  Sachkosten  Personal  Drittmittel/     Summe
Sponsorings

Augsburg     560,6       479,9       80,7      434,7         995,3
2003-2004)

Bremen

Halle        200                                              200
2004)

Karlsruhe  2.615,9     2.347,6      268,3      –           2.615,9
2001-2006)

Lübeck       460        160        300       350           810
(2003-2004)
Quelle: Selbstauskunft der Bewerberstädte

 

Meinungen

„Wer sich nicht mutig neue anspruchsvolle Ziele setzt, bleibt stehen. Es ist für mich nicht die Frage ob, sondern wie bewerben wir uns und was machen wir, um erfolgreich zu sein. Ich glaube wir haben eine Chance, wenn es uns gelingt die ganze Breite und den Reichtum der Kultur und Kunst hier in Freiburg und der Region deutlich zu machen. Dazu gehören für mich ganz natürlich auch Ess- und Trinkkultur, unsere Kulturlandschaft, Lebenskunst usw. Wenn es dann noch gelingt, mit Partnern in der Schweiz und Frankreich unsere Region als  d i e  Kultur-Region im Herzen Europas zu präsentieren, haben wir gute Chancen. Also, packen wir`s an!“
(Maximilian Erlmeier, Unternehmensberater, Vors. der Freiburger Denkfabrik)

„Das Projekt bietet für Freiburg eine große Chance, weil das Erleben von Kultur im engen Zusammenhang mit Baukultur steht. Die städtebaulichen Anstrengungen dürfen nicht mit populären Prestigeobjekten wie Rieselfeld  und Vauban zu Ende sein. Eine Kulturhauptstadt  kann den erforderlichen Anschub für wegweisende Stadtbaukultur schaffen. Die Bewerbung durch eine Übernachtungsabgabe der Freiburger Hotels zu finanzieren, finde ich sinnvoll. Im Falle einer erfolgreichen Bewerbung entstünde eine klassische Win-win-Situation, mit großen Vorteilen für die Stadt Freiburg, die Hotels und die Gäste.“
(Silke Stocker-Dewes, freie Architektin in Freiburg)

„Meine Heimatstadt Istanbul hat dieses Jahr den Titel ‚Europäische Kulturhauptstadt‘ bekommen, worauf ich sehr stolz bin. Ich würde mich natürlich freuen, wenn meine zweite Heimatstadt, Freiburg, denselben Titel erhielte. Bis dahin muss jedoch noch das Eine oder Andere getan werden, wenn ich Freiburg mit anderen Kulturhauptstädten vergleiche. Aber es ist ja noch Zeit – toi, toi, toi!“
(Zehra Akyürek, Einzelhandelskauffrau, Lebensmittelgeschäft Anadolu in Freiburg)

„Kulturhauptstadt zu werden, wäre wunderbar – aber Kulturhauptstadt als Etikett zu wenig: kulturelle Aufbruchsstimmung und Qualitätssteigerung müssen die Ziele sein. Unsere Region ist zweifellos schon heute attraktiv – aber vielleicht ein wenig zu „gemütlich“. Kunst und Kultur dürfen gern Motor für einen Kreativitätsschub werden, der die gesamte Region vorwärts bringt. Dafür kann der (insbesondere auch der junge) Bürger der Region Bürger sicherlich begeistert werden. Begeisterung für die Idee der Kulturhauptstadt ist ein Erfolgsfaktor, ein anderer ist die sorgfältige Vorbereitung auf die Bewerbung. Hier muss professionell und mit adäquatem Mitteleinsatz vorgegangen werden. Einen breiten Konsens dafür herzustellen, ist die erste Nagelprobe für dieses anspruchsvolle Projekt. Ich wünsche uns allen, dass es gelingt.“
(Anne-Kathrin Deutrich, Aufsichtsratsvorsitzende der Testo AG, Lenzkirch / 2002 bis 2006 Vorstandsvorsitzende der Sick AG, Waldkirch)

Brief aus Basel: Dreiecksbeziehungen mit der Imprimerie Basel
Liebe Leser. Liebe Leserinnen. Aus Basel über Strasbourg an Freiburg zu schreiben, klingt komplexer, als es ist. Sicher gibt der Rhein dafür ein geeignetes Medium, ebenso wie die Druckereien und Verlagshäuser einer so genannt humanistischen Periode, die sich heute immer virtueller zeigt und in deren Folge wir entwickeln, wer wir werden. Die Imprimerie Basel – eine Druckerei im Jahre 1500 wie auch im 20. Jahrhundert – ist heute eine Kulturwerkstätte, ein Ort, wo sich Künste, Wissenschaften und Techniken differenzieren und verbinden. Sie entwickelt Impulse für bekannte Kulturformen und -orte und fördert durch verschärfte Nachbarschaften den Austausch unter lebendigen Künsten sowie der Künste mit den Geistes- und Naturwissenschaften. Sie ist eigene Brutstätte, Kooperationspartner und Gastspielhaus zugleich. Eigenproduktionen: Die Imprimerie Basel will für das Dreiländereck eine relevante Werkstätte für Künste und Wissenschaften entwickeln. Das heisst, entsprechende Gäste nach Basel einzuladen sowie Engagements aus Basel in die Welt zu tragen. Das Ensemble der Imprimerie Basel ermutigt andere Orte, Menschen und Projekte zu unmittelbarem Umgang mit bestehenden Institutionen, Disziplinen und Kulturen. Das Ensemble widmet sich der Pflege ihrer Geschichten: von Johannes Petri und den Druckkünsten über Dieter Roth zu den Peripherien der Künste und Wissenschaften. Kooperationen: Die Imprimerie eröffnet Personen und Institutionen die Möglichkeit, kulturelle Projekte in Kooperation zu realisieren. Gastproduktionen: Die Imprimerie bietet Räume, Personal, Infrastruktur und Erfahrungen zur Realisierung externer Projekte. Im Vordergrund steht eine künstlerisch-wissenschaftliche Nutzung. In Basel erfahre ich, wie fruchtbar die Bezüge wirken: ob damit die politisch-geografische Lage mit der Schweiz, Frankreich und Deutschland anregt, oder indem ich mich in einer ehemaligen Druckereihalle aufhalte, in der sowohl Ödipus auf Kolonos seine Repliken probt als auch Kostüme genäht werden zwischen Stimmübungen – und ich mich im Anschluss an die Vorstellung frage: War ich nun Spieler, Zuschauer oder Zeitzeuge? So ermutigt die Initiative aus Freiburg zu einer kulturellen Region, die sich auch über Dreiecksbeziehungen beschreibt. Geografisch, inhaltlich und metaphorisch.
Martin Burr, 3.4.2010 martin.burr@imprimerie-basel.ch , Verein Imprimerie Basel

Brief aus Strasbourg: ein Plädoyer für Sinnergie
Alte Tabakmanufaktur in der Krutenau als Prüfstein
Hallo, hier, Wir. ‚Jedem sein Kulturverständnis!‘ – das wäre eine gar zu einfache Art sich aus einer existentiellen, gegenseitig Mehrwert versprechenden Affäre zu ziehen. Wer einen Anspruch an Zukunft und sich selber hat, konfrontiert sich dem Prozess einer ko-kreativen Identitäts-Weiterentwicklung mit wonnigem Wohlwollen. Und der genannte Mehrwert, im Sinne des „gewissen Etwas“, sollte unsere Lebensfreude tagtäglich anspornen. Es gilt doch, (ohne die Frage nach dem Wo) die Möglichkeiten der Verbesserungen in allen Lebensbereichen aufzustöbern und dem menschlichem Schaffen sein größtes Potenzial herauszukitzeln. Geben wir das Wort Kultur wieder frei. Sehen Wir es nicht nur als eine Synergie, sondern Sinnergie der Lebensumstände: Sprache, Literatur, Geschichte, Ethik, Künste,  Wissenschaft, Rechtsprechung, Wirtschaft – Tradition und Neues. Erweitern Wir unsere Vorstellungsrahmen. Nichts ist unvorstellbar! Das Wesentliche für eine Metropole? Nicht die Größe, nein: Lebensqualität, Ambiente, Flair. Zukunft unser Aller Ding. Stadtplanung und öffentlicher Raum mit und für die Brüger denken. Eine Chance für ein Modell der Zukunft bietet das historische Industrieareal der Strasbourger Tabakmanufaktur, gegründet 1849, im zentral gelegenen Quartier Krutenau. Im Juni 2010 wird das riesige Gebäude (22.000 qm nutzbare Fläche auf 1,4 Hektar großem Areal) frei. Ein Verein ist in Gründung, um die Manufaktur zu schützen vor den einseitigen Interessen einer nicht-pluralistischen Wirtschaftsorientierung, der so Vieles in den letzten Jahrzehnten zum Opfer gefallen ist. Eine juristische Struktur ist in Planung, um die Finanzierung für den Kauf zu ermöglichen. Für eine vielseitige Nutzung mit einer Einschränkung: alles im Rahmen „konstruktiver Zukunftsentwicklung“, ein Drehpunkt, ein  Forschungs- und Aktivitätszentrum für berufsübergreifende Interaktion und Dialog,… Trialog, Multilog. Konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit auf neue Lösungsprozesse, auf die Entfaltung neuer Aktivitätsbereiche und schaffen die „Aber“ ab. Multiplizieren wir unsere Trümpfe: Europäische Hauptstadt + Kulturhauptstadt hoch 3 mal X = ? – finden SIE die Lösung der Dreiecksland-Gleichung für eine nachhaltige Kulturentwicklung!
Andrea Kik / kikda@gmx.de (Quartiersrat, Verein Tabakmanufaktur in Gründung)

Dr. Martin Flashar, 6.2.2010, www.kulturJoker.de

 

 KulturJoker Februar 2010: Finanzkrise und Kulturhauptstadt-Bewerbung: Was kostet der „Spaß“?

Die Finanzmarkt- und die gleichzeitige Wirtschaftskrise beuteln Bund, Länder und Kommunen. Das Ende der Talsohle zeichnet sich ab, aber noch überwiegen Skepsis und Zurückhaltung, jedenfalls bei seriösen Haushaltspolitikern. Das ist nur zu gut verständlich. Bekanntlich bleibt die industrieschwache Freiburger Region von solchen Einbrüchen eher minder betroffen. Gleichwohl: Wer jetzt die vermeintlich teure Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt ausruft und damit für zusätzliche Ausgaben in Kultur, Bildung und Infrastruktur plädiert, muss sich mit dem kritischen Einwand auseinandersetzen: ‚Das können wir uns nicht leisten! Das ist doch verrückt! Andere Dinge sind wichtiger!‘ Es lohnt daher ein Blick auf die Etats bisheriger Kulturmetropolen. Was haben die Kommunen selbst jeweils für das Jubeljahr aufbringen müssen? In welcher Höhe kamen andere Zuschüsse und Einwerbungen bei Wirtschaft und privater Hand hinzu? Die Zusammenstellung der Budgets aus Vergangenheit und Gegenwart eröffnet manch überraschende Erkenntnis. Es wird vor allem deutlich, dass sich der Einsatz lohnt. Die Stadt Essen musste nur knapp 10 Prozent des Gesamtetats aufbringen. Aber selbst dort, wo etwa Sponsoren in geringerem Umfang gewonnen wurden, blieb der städtische Anteil stets unter einem Drittel des schließlich bereit stehenden Etats (Graz: 32,8 % / Linz: 27,6 %). Anders ausgedrückt: Eine andere kommunale Investition, die eine Rendite von mindestens 300 und bis zu 1000 % erzielt, müsste man erst einmal erfinden. Ein Sonderfall bleibt Istanbul, ebenfalls 2010 Kulturhauptstadt. Am Bosporus konnte man bereits 2008 und 2009 über einen Etat von zusammen 80 Mio. Euro verfügen. Insgesamt werden bei dem EU-Aspiranten angeblich 400 Mio. Euro investiert, mehr als die Hälfte davon in den Erhalt von Bausubstanz und Infrastruktur. Nach dem letzten Stand (Ende 2009) belief sich der privat finanzierte Anteil (Sponsoren) auf lediglich 250.000 Euro. Die für die nähere Zukunft in Freiburg entscheidende Frage lautet: Was kostet die Bewerbungsphase? Ist das Geld schlecht investiert, wenn der Titel am Ende verfehlt wird? Die Antwort darauf gibt es in der nächsten Ausgabe.

Nimmt Basel einen neuen Bewerbungsanlauf? Kommt es zu einer Kooperation mit Freiburg?
Der Große Rat des Kantons Basel-Stadt hat am 18. November 2009 mit 39 zu 12 Stimmen dafür votiert, einen Prüfungsauftrag an die Regierung zu geben, ob die Stadt nach der erfolglosen Bemühung 2001 einen erneuten Anlauf unternehmen und sich (als Nicht-EU-Mitglied) ebenfalls für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt bewerben solle. Und zwar für 2020! Der „Vorstoss … mit Verweis auf die historische Basler Altstadt und das Kulturangebot“, so die Basler Zeitung, zeugt noch nicht von einer wirklichen Konzeptidee. Christine Heuss, Basler Ratsmitglied und Präsidentin der Bildungs- und Kulturkommission brachte die Initiative ein. Im Gespräch mit dem KulturJoker zeigte sie sich begeistert von dem Gedanken, mit Freiburg eine gemeinsame Bewerbung anzustrengen – ein erstes positives Signal, das unbedingt aufgegriffen werden sollte. Und wer die Eidgenossen in unserer Nachbarstadt und ihren Willen zu bürgerschaftlichem Engagement kennt, weiß, was Sie (auch finanziell) auf die Beine zu stellen vermögen.

Freiburgs Bewerbungsabsicht zieht Kreise
Allmählich sickert die Idee durch, die Vision verbreitet sich. Kürzlich meldete sich eine Studentin des Studiengangs Kulturmanagement an der Universität Basel, die eine Seminarabschlussarbeit zum Thema „Bewerbung Freiburgs zur Europäischen Kulturhauptstadt 2020“ anfertigt. Durch eine Umfrage unter Freiburger Kulturschaffenden will sie die Akzeptanz der Bewerbungsabsicht erkunden. Wir werden über die Ergebnisse berichten.

Etats der Kulturhauptstädte im Vergleich in Mio. Euro

Essen                 Linz               Graz               Rotterdam          Weimar
2010                    2009               2003               2001                 1999

EU                                    1,5                       1,5                0,5                  0,5                     0,85
Staat / Bund                      17                        20                14,6                  7,7                  14,6
Bundesland                      12                        20                 19                     –                      22,5
Kommune                          6                        20                18,2                  7,7                     0,35
öffentliche Gelder,  sonst  12                          –                   –                     3,4                     –
Sponsoren                        17                        11                   3,2                11,4                     7,65
private Gelder, sonst          –                         –            ´       –                     3,4                     –
Summe                            65,5                   72,5                 55,5                  34,1                  45,95

Ihre Meinung? – Bürger sprechen mit
Wir fragen: „Soll die Stadt Freiburg sich um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2020“ bewerben?“

„Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem Projekt Freiburg 2020: Kulturhauptstadt Europas einen Ansatz gefunden haben, eine neue Dynamik im Kulturbereich zu entwickeln. Wir müssen diese Chance nutzen, um die kulturelle Stadtentwicklung in einen anderen Kontext, auch in einen regionalen Kontext zu stellen. Wir müssen den Anspruch haben, eine nachhaltige Vision der kulturellen Stadtentwicklung zu erarbeiten. Dies muss die Leitidee einer Bewerbung sein. Wenn dies gelingt, wird die Stadt und die gesamte Region davon profitieren.“
(Ulrich von Kirchbach, Kultur- und Sozialbürgermeister der Stadt Freiburg)

„Es wäre eine großartige Chance, wenn Freiburg tatsächlich 2020 Europäische Kulturhauptstadt werden könnte. Ob Freiburg sich bewirbt, werden wir bis zum Ende dieses Jahres zu entscheiden haben. In jedem Fall wäre es ein historisch bedeutsames Datum, nämlich der 900. Jahrestag der Stadtgründung. Und wenn wir tatsächlich die Zusammenarbeit mit Basel, Mulhouse, Colmar und Straßburg für eine regionale, grenzüberschreitende Bewerbung schaffen, dann wäre das ein neuer Schub für die Kulturregion am Oberrhein, mit nachhaltigen Wirkungen für alle beteiligten Städte.“
(Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, Neujahrsansprache am 8. Januar 2010)

„Das Engagement ist aller Ehren wert. Ich fürchte nur, dass solche Pläne in Freiburg an der immer gleichen Käseglockenmentalität und Selbstzufriedenheit scheitern. Was Freiburg auch noch fehlt, ist Drive. Der sogenannte Regio-Gedanke hat einen grundsätzlichen Fehler: Er hat die Menschen nie erreicht und für Kulturbewusstsein braucht man die Basis von unten nach oben und nicht umgekehrt.
Ich hoffe trotzdem, dass ein solcher Schwarzseher wie ich, Lügen gestraft wird, denn der Titel Kulturhauptstadt würde nicht geahnte Kräfte freisetzen.“
(Manfred Claassens, Unternehmensberater)

„Nicht mit der Illusion, es zu sein, wohl aber unter der Prämisse, es werden zu wollen!
Heraus aus aller provinziellen Selbstgefälligkeit, aus kultureller Vereinsmeierei! Kulturhauptstadt müsste ein Organismus sein, nicht Organisation allein! ‚Hauptstadt‘ schließt nichts und niemanden aus. ‚Hauptstadt‘ führt! Mit  dieser Vision und dem Willen zu gemeinsamem Handeln: Willkommen in der werdenden Kulturhauptstadt Freiburg!“
(Wilfried Post, Galerist)

Forum Kulturhauptstadt 2020
Die beiden Stadträte der „Kulturliste Freiburg“ Michael Wiedemann und Atai Keller laden die Freiburger Öffentlichkeit zu einem Gesprächskreis ein. Zum „Forum Kulturhauptstadt 2020“ trifft man sich ab sofort an jedem letzten Donnerstag im Monat im Gasthaus „Schwabentörle“. Freiburgs Kulturschaffende und alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind herzlich willkommen. Gesondert eingeladene „Experten“ sollen die Runde bereichern. Das nächste Forum ist am Donnerstag, 25. Februar, um 19 Uhr.

Dr. Martin Flashar, 6.2.2010, www.kulturJoker.de

Ruhr2010 – das Programm der Kulturhauptstadt Essen

Es ist soweit: Essen und das Ruhrgebiet sind “Europäische Kulturhauptstadt 2010“. Der offizielle Startschuss fällt mit der zweitägigen Eröffnungsfeier am 9. (live im ZDF, 15.30 Uhr) und 10. Januar.  Mehr als 100.000 Besucher werden zum Auftakt erwartet. Im Zusammenschluss von 53 Kommunen gerinnt eine ganze Region zum Thema: Der Mythos Ruhrgebiet, das Ende der Montanindustrie, der Strukturwandel – das sind die Themen. Ein imposantes Programmbuch informiert über die vielzähligen Veranstaltungen (siehe auch: www.ruhr2010.de ). Wir befragten den Kulturpolitiker Prof. Dr. Oliver Scheytt, der gemeinsam mit dem ehemaligen ARD-Vorsitzenden Fritz Pleitgen als Geschäftsführer die Ruhr 2010 GmbH anführt.

KJ: Lieber Herr Scheytt, sind Sie aufgeregt, so kurz vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres? Sind Sie im Zeitplan? Steht die Finanzierung?
Scheytt: Voller Spannung und Vorfreude erwarten wir den Beginn des Kulturhauptstadtjahres und der offiziellen Eröffnung. Sicherlich wird es am Ende immer etwas hektisch, wir sind aber zuversichtlich, die anstehenden Aufgaben bis zur Eröffnung zu meistern. Unser Programm ist weitgehend finanziert, hier und da sind noch kleinere Löcher zu stopfen.

KJ: Können Sie beispielhaft Aspekte des Konzepts und einzelne Programmpunkte hervorheben?
Scheytt: Gemäß unserem Motto „Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel“ sieht sich die Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 als Teil der Entwicklung von der Kohle zur Kultur, von der Industrie- zur Kulturgesellschaft. Das Ruhrgebiet hat in den letzten 20 Jahren eine erstaunliche Strecke auf dem Weg des Strukturwandels zurückgelegt. Diese Entwicklung wird deutlich an unseren Programmclustern „Mythos begreifen“, „Metropole gestalten“ und „Europa bewegen“. Das Ruhrgebiet befindet sich auf dem Weg zu einer neuen Metropole in Europa. Mit unserem Programm zeigen wir diesen Wandel und schreiben ihn weiter fort, beispielsweise mit dem Projekt „RuhrAtoll“, das sich in künstlerischer Art und Weise mit Fragen von Klima und Energie auseinandersetzt. Das „RuhrAtoll“ besteht aus mehreren Inseln, die auf dem Baldeneysee in Essen installiert werden. Eine der Inseln zeigt einen Eisberg als Symbol für den Klimawandel. Damit signalisieren wir, dass sich Kunst und Kultur auch den Herausforderungen der heutigen Zeit stellen und zu ihrer Lösung beitragen können.

KJ: Auffällig ist die Programmlinie „Kreativwirtschaft stärken“. Was verbirgt sich dahinter?
Scheytt: Mit den Projekten im Bereich Kreativwirtschaft machen wir deutlich, dass es auch um diejenigen Formen der Kultur geht, die, nicht subventioniert und deshalb den Rahmenbedingungen des Marktes unterworfen, ein Transformationsmotor für den Wandel durch Kultur sind. Mit Hilfe der Initiativen in diesem Bereich möchten wir einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stimulierung der Region und ihrer Infrastruktur leisten und so die Metropole Ruhr als einen attraktiven Raum zum Leben und Arbeiten etablieren. Denken Sie nur an das „Dortmunder U“, in dem auf 80.000 Quadratmetern Deutschlands erstes Zentrum für Kunst und Kreativität entsteht.

KJ: Was bleibt nach 2010? Können Sie Prognosen wagen?
Scheytt: Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit. Wir wollen kein Strohfeuer sein. Neben den Investitionen im baulichen Bereich zeichnet sich ab, dass es mit Hilfe der Kulturhauptstadt gelungen ist, das Ruhrgebiet vom längst überkommenen Image der schmutzigen Kohleregion zu befreien. Ohne den Kulturhauptstadttitel wäre das Ruhrgebiet nie Partnerregion der Internationalen Tourismusbörse 2009 geworden. Durch diesen Auftritt haben wir viele Menschen in Deutschland und Europa mit dem neuen Bild der Metropole Ruhr konfrontiert.
Zweitens hoffen wir auf einen nachhaltigen Effekt im Innenverhältnis: Das Erfolgsrezept der RUHR.2010 besteht in ihrer regionalen Kooperation. 53 Städte und Gemeinden haben gelernt, ihr Kirchturmdenken zu überwinden. Die Erfahrung des Miteinanders hat das Zusammengehörigkeitsgefühl der Region gestärkt und, so hoffen wir, eine Kultur kommunaler Kooperation etabliert.

KJ: Erstmals binden Sie die seinerzeit gegen Essen unterlegenen deutschen Bewerberstädte mit ein. Wie geschieht das? Wie profitieren die anderen Kommunen?
Scheytt: Ja, als erste Kulturhauptstadt in der Geschichte Europas realisiert RUHR.2010 mit elf Bewerberstädten das Projekt „National Heroes – Deutsche Kulturstädte“. Im Rahmen dieser Kooperation wird jede Kulturstadt bis zu zwei Projekte im RUHR.2010-Programm durchführen. So werden ehemalige Konkurrenten im Kampf um den begehrten Titel zu Partnern mit einer gemeinsamen Idee. Als verbindendes Element wird ein historischer Privilegienbrief der Stadt Karlsruhe aus dem Jahr 1715 zu einem Europäischen Stadtbrief aus heutiger Sicht von allen Städten weitergeschrieben. Hier setzen sich die Teilnehmer mit aktuellen Themen und Herausforderungen in ihren Städten auseinander und diskutieren die Frage, welchen Beitrag Kultur dazu leisten kann. Neben dem Netzwerk deutscher Städte ist auch eine Ausweitung auf die ungarischen Bewerber zusammen mit Pécs 2010 geplant.

KJ: Können Sie Freiburg Erfahrungen mit auf den Weg geben? Welche Argumente sollten für den hiesigen Gemeinderat ausschlaggebend sein?
Scheytt: Der Kulturhauptstadttitel ist eine einmalige Chance, die man auf jeden Fall ergreifen sollte! Neben dem Imagegewinn auf regionaler und nationaler Ebene ist die Möglichkeit der internationalen Positionierung von Bedeutung. Außerdem hat der Titel in unserem Fall zusätzliche Investitionen bewirkt. Neue Kooperationsmodelle werden erfolgreich erprobt und die regionale Infrastruktur gestärkt. Durch die strukturellen Innovationen und Synergieeffekte möchten wir auch neue Arbeitsplätze schaffen.
KJ: Vielen Dank für das Gespräch.

Ihre Meinung? – Bürger sprechen mit

Wir fragen: „Soll die Stadt Freiburg sich um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2020“ bewerben? Was meinen Sie?“ Spontan antworten Menschen aus Freiburg und der Region.

„Der Weg ist das Ziel! Bei solch einer Bewerbung geht es um Zukunft, um Visionen; hier sehe ich die Chance für Freiburg während der Bewerbungsperiode. Wohin wollen wir als Stadt? Was macht unsere Stadt aus? Mit einer Bewerbung zur Kulturhauptstadt hätten wir die Chance, aufs Neue die Freiburger Identität zu erforschen und weiterzuentwickeln. Nur so bleibt Freiburg lebendig und am Puls der Zeit.“
(Albrecht Vorster, Student im Fach Biologie)

„Ich sehe die Zukunft Freiburgs als Kulturhauptstadt in enger Verbindung mit dem Leben und den Angeboten der evangelischen Kirche! Die kulturellen Wirkungen des reformatorischen Christentums  sind insbesondere im Bereich der Sprache und der Musik unverkennbar.  Die kulturprägende Kraft des Protestantismus kann auf dieses Ziel hin, weiter gefasst für alle gesellschaftlichen Bereiche, wieder neu  entdeckt und gesellschaftlich umgesetzt werden.  Eine wichtige Vision für Kirche und Stadt!“
(Pfarrerin Bärbel Schäfer, Evangelische Pfarrgemeinde Nord; ab Februar 2010 Dekanin des Kirchenbezirks Markgräflerland )

„Freiburg als Kulturhauptstadt, das ist ein Ansporn, die herausragenden Potenziale von Stadt und Region zu nutzen: Mit „Kultur der Nachhaltigkeit“ ist der Ansatz genau richtig: Klimaschutz braucht mehr als neue Technik, nämlich neue Lebensstile, realisierbare Visionen, Mobilisierung der lokalen Wirtschaft und einen Konsens, wie man ihn nur „von unten“, mit den Bürgern, herstellen kann.“
(Rolf Disch, SolarArchitekt)

„Natürlich bin ich für eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt. Aus dieser Haltung heraus haben wir als Eigeninitiative eine Kultur-Kampagne gestartet: www.kultur-braucht-kultur.de. National werden Qualität und Vielfalt der Freiburger Kultur (inklusive der Oberrhein-Region) total unterschätzt. Wir sitzen in der bequemen Schublade: schönes Wetter, guter Wein, SC, Bächle, Solar, Münster. Aber das reicht eben nicht, denn nur wer Kultur hat, der hat Kultur. Das ist nicht nur Sache der Politik: wir alle müssen uns engagieren.“
(Margot Hug-Unmüßig, Inhaberin und Geschäftsführerin der Agentur MEDIRATA)

Dr. Martin Flashar, 14.1.2010, www.kulturJoker.de

Freiburg im Plus: Argumente auf dem Weg zur Bewerbung

Was sind die Pluspunkte, die Freiburg schon vor dem (möglichen) Start in eine Kulturhauptstadt-Bewerbung vorweisen kann, wo besteht noch Nachholbedarf? Ein Zwischenfazit in Stichworten:
Zu den positiven strukturellen Voraussetzungen zählt das Image, das die Stadt ohnehin besitzt oder sich bislang erarbeitet hat. Das Profil der „green city“ ist rund um den Globus bekannt, von Rio bis Shanghai. Die Aufgabe wird sein, das auch in einem Antragskonzept plausibel zu machen: Wo liegen die Schnittmengen zwischen Öko- und Kulturthemen?

Die geographische Lage im Dreiländereck ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal, aber doch etwas Besonderes, sie wird gleichsam wie selbstverständlich auch von außen wahrgenommen. Daraus gilt es für ein Bewerberprofil Vorteile zu schöpfen. Auch hier also: Daumen rauf!

Es existiert ein anspruchsvolles „Kulturkonzept Freiburg“, das vor einigen Jahren von der Kulturverwaltung unter Beteiligung von Bürgern und Experten erarbeitet wurde. Der Gemeinderat nahm das zur Kenntnis, in den nächsten Jahren muss die Umsetzung mit Ernst (und Geld) betrieben werden.

Als eine Stadt der Musik kann man Freiburg durchaus bezeichnen. „Leuchttürme“ sind die Musikhochschule, das SWR-Sinfonieorchester, das Ensemble Recherche und das Barockorchester, auch die Jazz und Rock Schulen und das ZMF. Die Etablierung eines Pop-Büros wäre wünschenswert.

Trotz der umfänglichen Sanierung des Augustinermuseums liegt Manches im Argen: die wegen der Bedeutung der Exponate und angesichts ihrer Multikulturalität so gewichtige Völkerkunde-Sammlung bleibt verschlossen. Ein positiver Markstein ist das jüngst beschlossene zentrale Kunstdepot. Auch hier jedoch die deutliche Einschränkung: Das Depot wird über den Status des gut gepackten Umzugskartons nur hinauskommen, wenn die Bestände wenigstens partiell in einem rotierenden System in ein Schaulager überführt werden können. Nur zugängliche Bestände animieren zu Leihnahmen, zum wissenschaftlichen- und Publikumsinteresse von außen. Dafür muss die vorhandene 1.700 qm große Erweiterungsfläche des Hochdorfer Areals genutzt werden. Trotz Kunstverein und neuer Ausstellungsfläche im Augustinermuseum fehlt Raum für gewichtige, größere Sonderausstellungen von Kunst und Geschichte.

Die Initiative für eine Kunsthalle Freiburg hatte sich zwar vor wenigen Jahren mit ihrem Ortsvorschlag eines Neubaus am Platz der alten Synagoge nicht durchgesetzt, der Fehlbedarf besteht aber weiterhin.

Die Aufteilung der Bürgermeisterdezernate erwies sich wiederholt schon als ungünstig: „Es wird die Trennung der Politikbereiche Kultur und Bildung als grundsätzliche problematisch angesehen“, so heißt es auch im städtischen Kulturkonzept. Obwohl man jetzt den mit einer Auszeichnung des Stadtplanungsamtes verbundenen neuen Titel “European City of the Year 2010“ hochhalten kann, fehlt eine starke und fachkompetente Leitung an der Spitze der Baubehörden. Für Wahlkampf und parteipolitisches Posten-Gerangel erscheint die Beseitigung beider Defizite als zu wichtig.

Skulpturen im öffentlichen Raum hat Freiburg reichlich aufzuweisen, zum Teil von internationalem Rang (Skulpturen von Henry Moore und Claes Oldenburg bis Ulrich Rückriem und Dennis Oppenheim). Das ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Die „Kunst am Bau“ wurde nahezu ausschließlich im Zuge entsprechender Landesförderung installiert, die Stadt hielt sich vornehm zurück (im Vauban und Rieselfeld gäbe es Nachholbedarf) – dies die Einschränkung. Durch eine erhöhte Fürsorge um die ‚geschenkte‘ Kunst, etwa ihre angemessene Bewahrung und Präsentation im städtischen Raum (ohne wuchernde Cafélandschaften) kann die Kommune ihren Beitrag leisten.

Der Kulturpass. Nein, den gibt es nicht in Freiburg. „Wir haben das Kulturpass genannt, um den Begriff Sozialpass zu vermeiden“ erläutert der zuständige Beamte im Sozialamt von Aschaffenburg, wo man das Ticket vor wenigen Jahren eingeführt hat. Die Erfahrungen sind durchweg positiv, es beteiligen sich auch nicht-städtische Kulturveranstalter. An der Dreisam wurde aus dem Projekt „Sozialticket“ der „Freiburg Pass“, die kulturellen Angebote bleiben deutlich ausbaufähig, bisweilen die Ermäßigungen zu gering (die Nutzung der Stadtbibliothek sollte kostenfrei gewährt werden). Im städtischen Kulturkonzept ist der „der chancengleiche Zugang zu Kunst und Kultur für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und soziale Milieus“ denn auch als „zentrales Anliegen“ formuliert.

Das städtische Kulturamt arbeitet seit Frühjahr 2009 an einem Vor-Konzept der möglichen Bewerbung. Im November erhielt der Kulturausschuss einen Sachstandsbericht. Um die Nachhaltigkeit des Vorhabens deutlich zu machen, steuert man eine „Konzeption trinationale Kulturregion 2025“ an. So weit, so gut. Für 2010 stehen nun die Formulierung (und Publikation) einer tragfähigen inhaltlichen Leit-Idee mit Visionscharakter sowie konkrete Vorschläge für eine transparente, auf vielfältige Teilhabe gerichtete Organisationsstruktur während der Bewerbungsphase an.

Unter der Überschrift VISION 2020 führt der KULTURJOKER die Kulturhauptstadt-Seite. Wir informieren über Hintergründe der Planung, berichten aus anderen Kulturhauptmetropolen und möchten den Meinungsbildungsprozess in Freiburg positiv beeinflussen. Denn: VISION 2020 – das ist ein Gewinn für Freiburg! Diese Seite wird redaktionell betreut von Dr. Martin Flashar, Archäologe, Ausstellungskurator und Kulturberater

 

Ihre Meinung? – Bürger sprechen mit

Wir fragen: „Soll die Stadt Freiburg sich um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2020“ bewerben? Was meinen Sie?“ Spontan antworten Menschen aus Freiburg.

„Unbedingt sollte sich Freiburg bewerben. Das wäre für die Kultur- und Bildungseinrichtungen, die vielfältigen Kulturformen im Dreieckland, die Identität der Stadt und die grundsätzliche Auseinandersetzung mit unserem Kulturbegriff wichtig – unabhängig davon, ob Freiburg den Titel gewinnt oder nicht.“
(Kerstin Botsch, Doktorandin im Fach Soziologie an der Universität Freiburg.)

„Als selbstständiger Gewerbetreibender an der Habsburgerstraße bin ich mir der Notwendigkeit von Investitionen in die städtische Infrastruktur bewusst. Aber bitte nicht in Konkurrenz zur Förderung von Bildung und Kultur! Ich plädiere für die Hauptstadtbewerbung, von der Freiburg einen großen Mehrwert haben kann.“
(Andreas Böser, Parkhaus und Kiosk am Zähringer Tor)

„2020 wird Freiburg sein 900jähriges Gründungsjubiläum feiern. Käme der Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ noch hinzu, würde die Stadt eine große Anziehungskraft für Touristen aus Nah und Fern ausüben. Insofern kann hier die Kultur die Wirtschaft befördern – und umgekehrt. Ein schönes Geburtstagsgeschenk!“
(Dr. Corinna Zimber, Verlegerin, Audiobuch Verlag)

„Der Bau des Freiburger Münsters zeugte schon in der Vergangenheit vom hohen kulturellen Engagement der Freiburger Bürger. Neben diesem und weiteren bedeutsamen Baudenkmälern bietet unsere Stadt heute ein vielfältiges und reiches Kulturleben. Eine Bewerbung zur „Europäischen Kulturhauptstadt 2020“ wird dieses Engagement fördern und hierzu auch neue, wichtige Impulse geben.“
(Günter Ebi, ehem. Verleger, geschäftsführender Gesellschafter von Freiburg Kultour)

Dr. Martin Flashar, 25.12.2009, www.kulturJoker.de

 

 

Linz 2009 – eine Kulturhauptstadt im Zwischenfazit

In diesem Jahr sind Vilnius (Litauen) und das österreichische Linz die beiden Europäischen Kulturhauptstädte. Wir sprachen mit Ulrich Fuchs, dem Leiter der Projektentwicklung und stellvertretenden Intendanten von Linz 2009.

KJ: Sehr geehrter Herr Fuchs, erinnern Sie sich noch an die Anfänge Ihrer Tätigkeit in Linz?
Fuchs: Ja, natürlich. Im Mai 2005 habe ich mich aus Bremen kommend zum ersten Mal in Linz umgesehen, um für mich zu prüfen, ob ich mir vorstellen kann, in dieser Stadt zu leben und zu arbeiten. Im Dezember 2005 habe ich dann offiziell bei Linz09 angefangen.
KJ: Gab es eigentlich in der Bewerbungsphase einen „Plan B“ für den Fall, dass Linz nicht als Sieger aus dem Rennen gegangen wäre? Was wäre dann passiert?
Fuchs: Die Bewerbung von Linz als Kulturhauptstadt Europas wurde von Linz Kultur (der Kulturbehörde der Stadt) verantwortet. Die jetzige Intendanz von Linz09 spielte dabei  keine Rolle. Aber ich bin sicher, dass es für die Verantwortlichen einen Plan B gab – und das ist auch notwendig.
KJ: Gelegentlich hörte man Kritik an der Arbeit der Linz 2009 GmbH. Von Kommunikationsproblemen, fehlender Anbindung an die örtliche Kulturszene und Intransparenz der Entscheidungsabläufe war da die Rede. Wie stehen Sie dazu?
Fuchs: Linz09 ist sicherlich nicht „fehlerfrei“ verlaufen – etwas anderes wäre ja auch sehr ungewöhnlich. Es war immer klar, dass die Programmentscheidungen bei der künstlerischen Leitung liegen. Eine Garantie für die lokale Szene, dass alle in der Programmatik vertreten sind, gab es nicht. Das würde auch nicht dem Anspruch einer Kulturhauptstadt Europas gerecht werden. Es gab einen Wettbewerb der Projektideen. Über 2000 Projekte wurden eingereicht. Im Programm haben wir 220 Projekte. Dass nicht alle mit allen Entscheidungen einverstanden waren, gehört bei einem solchen Projekt zu den Selbstverständlichkeiten.
KJ: Welches ist für Sie persönlich der wichtigste und innovativste Aspekt des Programms? Wo war bis jetzt der Publikumszuspruch am größten?
Fuchs: Den meisten Publikumszuspruch hat die Ausstellung HÖHENRAUSCH – Gegenwartskunst auf den Dächern von Linz. Wir hatten mit ca. 60.000 BesucherInnen gerechnet. Am 27.10.2009, vier Tage vor Ausstellungsschluss, lag die Zahl bei 265.000 BesucherInnen. Es gäbe viele innovative Projekte, die ich gerne nennen würde. Ich beschränke mich auf ein Beispiel: den Kepler Salon, ein öffentliches Wissenschaftslabor im ehemaligen Wohnhaus des berühmten Naturforschers Johannes Kepler – siehe www.kepler-salon.at .
KJ: Das eigentliche Hauptstadt-Jahr ist nun schon beinahe wieder vorbei. Wie geht es weiter? Haben Sie Konzepte für eine nachhaltige Stadtentwicklung durchsetzen können?
Fuchs: Für einige Vorhaben lässt sich diese Frage bereits bejahen. Das Projekt HÖRSTADT wird zum bleibenden Element der künftigen Entwicklung von Linz. Hier hat sich der Gemeinderat mit der „Linzer Charta“ bereits festgelegt. Akustische Forschungsergebnisse werden in der künftigen Stadtplanung berücksichtigt. Auch das AKUSTIKON wird es aller Voraussicht nach weiter hin geben. An weiteren Konzepten der Nachhaltigkeit arbeiten wir derzeit. Dafür haben wir auch noch bis Ende April 2010 Gelegenheit, weil die Linz 2009 GmbH mindestens bis zu diesem Zeitpunkt auch inhaltlich weiterarbeiten kann.
KJ: Abschließend eine Frage zu den Finanzen: Wie hoch ist der Etat für 2009, und welchen Anteil hat davon die Kommune getragen? Wie hoch war der Etat in der Bewerbungsphase?
Fuchs: Für die Bewerbungsphase stand Linz nur ein kleiner Etat zur Verfügung (200.000.-). Allerdings hatte Linz damals auch keine relevanten nationalen Mitbewerber. In Bremen stand für die Bewerbungsphase für 2010 ein Etat von 2 Millionen Euro zur Verfügung und diese Ausstattung halte ich auch für notwendig. Das Programm-Gesamtbudget von Linz09 (ohne Investitionen in kulturelle Infrastruktur) beläuft sich auf 20 Millionen durch die Republik Österreich, 20 Millionen durch das Land Oberösterreich, 20 Millionen durch die Stadt Linz, 1,5 Millionen durch die EU und 11 Millionen durch private Sponsoren.
KJ: Vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Martin Flashar, 6.11.2009, www.kulturJoker.de

Ihre Meinung? – Bürger sprechen mit
Unter dieser Überschrift werden von nun an regelmäßig Menschen aus Freiburg und der Region ihre spontane Meinung zur möglichen Kulturhauptstadt-Bewerbung Freiburgs äußern. Die Rubrik lässt Frauen und Männer, Kulturtreibende, Vertreter des Einzelhandels und der Wirtschaft, Politiker und auch ganz ‚normale‘ Leute zu Worte kommen. Wir fragten: „Soll die Stadt Freiburg sich um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2020“ bewerben? Was könnten/würden Sie persönlich zu dem Projekt beitragen?“
„Freiburg – Kulturhauptstadt – ich kann heute nicht sagen, ob ja oder nein. Ich denke, dass dies zunächst sachlich und ernsthaft geprüft werden muss, ob unsere Stadt bei einer solchen Bewerbung überhaupt Chancen hat.“
(Eric Lassiaille ist Eigentümer des Panorama Hotel Mercure in Freiburg.)

„Eine Bewerbung von Freiburg als Kulturhauptstadt finde ich gut, weil das unserer Stadt die Chance gibt, ihre vielfältigen kulturellen Schätze und Fähigkeiten auszubauen und weltweit bekannt zu machen. Und dem Tourismus nützt das sowieso!“
(Astrid Späth ist gemeinsam mit ihrem Mann Bertram Späth Inhaberin der Hotels Victoria in der Eisenbahnstraße.)

„Davon halte ich sehr viel! Freiburg wäre für eine solche Bewerbung gleich mehrfach prädestiniert, weil es fast alle Kriterien hierfür „aus dem Stand“ erfüllen kann. Für die (noch) Kleinmütigen in der Stadt: Allein 10 Jahre Bewerberstatus sind unbezahlbares Stadt-Marketing auf Europäischer Ebene.“
(Wolfgang Meier-Rudolph ist Rechtsanwalt in Freiburg, außerdem beim Zelt-Musikfestival als Vorsitzender des Förderkreises engagiert.)

„Unbedingt sollte sich Freiburg bewerben. Das wäre für die Kultur- und Bildungseinrichtungen, die vielfältigen Kulturformen im Dreieckland, die Identität der Stadt und die grundsätzliche Auseinandersetzung mit unserem Kulturbegriff wichtig – unabhängig davon, ob Freiburg den Titel gewinnt oder nicht.“
(Kerstin Botsch, M. A., ist Doktorandin im Fach Soziologie an der Universität Freiburg.)

Dr. Martin Flashar, 6.11.2009, www.kulturJoker.de

 

 

Atai Keller über eine Kulturhauptstadt in der Provinz

Hans Albrecht („Atai“ ) Keller ist einer von zwei Stadträten der Kulturliste Freiburg im Gemeinderat und derzeit Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Listen (sechs Sitze). Der 55-Jährige war 20 Jahre lang Geschäftsführer des Arbeitskreises Alternative Kultur (AAK) und arbeitet nun als Kulturberater und freier Veranstalter, unter anderem in Stuttgart und Baden-Baden. BZ-Redakteur Thomas Jäger sprach mit ihm über Freiburgs kulturelle Höhe- und Tiefpunkte.

BZ: Vergangenes Jahr haben Sie erst geklagt, dass Freiburg mit den anstehenden Kulturkürzungen endgültig in die Provinzialität abrutschen würde und wenig später vorgeschlagen, dass die Stadt sich als europäische Kulturhauptstadt bewerben soll. Wie passt denn das zusammen?
Atai Keller: Die Kürzungen tun immer noch sehr weh. Wir haben das Theaterfestival verloren, das gerade im Sinne einer europäischen Kulturhauptstadt ein Aushängeschild hätte werden können. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass da noch eine Nachbesserung kommt. Vielleicht gibt es bald ein neues großes kombiniertes Tanz- und Theaterfestival. Der Kunstverein hat 11000 Euro verloren – über ein Zehntel seines Zuschusses. Das Führungsteam ist inzwischen komplett ausgewechselt. Die CDU hatte darüber hinaus allen Ernstes vorgeschlagen, die Tanzsparte des Theaters zu schließen und den Zuschuss für das Kommunale Kino auf Null zu fahren. Das ist zum Glück nicht so gekommen. Das kreative Potenzial in Freiburg ist nach wie vor beeindruckend. Die Idee einer Bewerbung zur Kulturhauptstadt soll die ganze Stadt neu aufstellen und wird inzwischen von allen Fraktionen unterstützt. Es gibt bald einen ersten Gemeinderatsbeschluss dazu. Das stimmt mich hoffnungsvoll.
BZ: Jetzt ist der Kulturkampf doch vorbei, oder? Die Grünen retten das Tanzfestival, die CDU will ein Literaturhaus &
Keller: Schön wär’s! Aber: Erst haben die Grünen das Tanzfestival mit ihren Sparforderungen bis kurz vor den Abgrund geführt. Jetzt wird dafür beim Kulturamt gekürzt. Das ist kein Grund für Lob. Die CDU-Initiative für ein Literaturhaus ist begrüßenswert, aber geklaut. Man muss sagen: Die Unabhängigen Listen und die SPD haben immer wieder den Finger in die Wunde gelegt und auf die indiskutablen Kürzungsvorschläge hingewiesen. Die CDU hat nun gemerkt, dass sie etwas tun muss, um nicht als Kulturvernichter dazustehen. Kommunalwahl und Oberbürgermeisterwahl stehen bevor. Die Blockbildung von Schwarz-Grün im Gemeinderat muss durchbrochen werden.
BZ: Sie fordern eine professionelle Finanzausstattung für professionelle Kulturarbeit. Und dann stellen Sie seit 2005 mit Partnern den Ebneter Kultursommer auf die Beine, der mit Minimalbudget und ohne Zuschüsse diesmal 81 Veranstaltungen umfasste. Es geht also auch anders.
Keller: Der Kultursommer ist kein Modellbeispiel. Wir hatten eine besonders glückliche personelle Konstellation. Das geht so nicht weiter. Wenn dieses Jahr kein Zuschussantrag gestellt wird, kann der Kultursommer in der bisherigen Form nicht wieder stattfinden. Freiburg muss begreifen, dass es in der Kultur viel mehr investierten muss. Dann kommt das Geld eines Tages wieder zurück. Kunst und Kultur sind Freiburgs Stärke. Über die alternative Kultur sind in den vergangenen 20 Jahren viele Einrichtungen entstanden, die mittlerweile etabliert sind und angemessen unterstützt werden müssen. Kommunales Kino, Fabrik, E-Werk, Kinder- und Jugendtheater: Die sind nicht mehr wegzudenken aus der Stadt. Obendrein muss Platz sein für Neues.
11.10.2008, BZ

 

Bobbele-Ich: Eine Stadt auf dem Weg zu sich selbst?

Überlegungen zur Kulturhauptstadt-Idee Freiburg 2020
Als „Vision Freiburg 2020“ zieht die Idee immer größere Kreise: Wird sich Freiburg auf den Titel Europäische Kulturhauptstadt 2020 bewerben oder nicht? Das sollten sich nicht nur Freiburgs Politiker und Kulturschaffende fragen, sondern alle Freiburger Bürger, denn eine Bewerbung hätte enorme Konsequenzen für ihre Stadt. Zum derzeitigen Stand des Verfahrens einige Überlegungen.

Im nächsten Jahr feiert die Einrichtung (Europäische) Kulturhauptstadt ihr 25-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums wird ein internationales Symposium über Vergangenheit und Zukunft der Kulturhauptstadt-Idee stattfinden. Das Buch mit den Ergebnissen dieses Prozesses wird sicherlich einige Antworten auf die Freiburger Bewerbung – ja oder nein? – bereit halten. Doch müssen vorher schon vom Gemeinderat Entscheidungen getroffen werden. Offen bleibt vorerst auch die Länderfolge ab 2019. Der bisherige Elf-Jahres-Rhythmus, in dem deutsche Städte zum Zuge gekommen waren, ist eher dem Zufall als einer Regel zuzuschreiben. Noch steht nicht fest, welches Land die Kulturhauptstadt 2020 stellen wird, doch man kann davon auszugehen, dass Deutschland in zehn bis zwölf Jahren wieder an der Reihe ist. Auch andere deutsche Städte wappnen sich für diesen Fall. Unsere baden-württembergischen Konkurrenten Mannheim und Ulm arbeiten längst an ihrer Bewerbung. In diesen Städten stellt sich die Frage nach dem Wunsch längst nicht mehr.

Im Freiburger Gemeinderat hatte die Idee zunächst kontroverse Diskussionen hervorgerufen. Neben Atai Keller (Kulturliste) sah vor allem Kultur- und Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) in der Bewerbung eine Riesenchance für Freiburg. Mittlerweile teilen die meisten Ratsmitglieder diese Einschätzung, weshalb es zu einem ersten Beschluss kam. Dieser sieht ein Konzept vor, auf dessen Grundlage spätestens Ende 2010 die endgültige Entscheidung getroffen werden soll. Kulturamtsleiter Achim Könneke wird mit Unterstützung von Claudia Dürr hierzu eine Leitidee entwickeln und ab Herbst in Form von Werkstätten, Workshops und öffentlichen Veranstaltungen in die Bevölkerung tragen. Für diese Phase wurden in den Doppelhaushalt 2009/10 60.000,-Euro eingestellt. Die Erhebungen für eine mögliche Bewerbungsgrundlage laufen beim Kulturamt bereits auf Hochtouren. Damit steht Freiburg zeitlich gut da. Laut bisheriger EU-Richtlinien müssten die Bewerbungen bis Anfang 2014 beim jeweiligen Land eingereicht werden. Daraus wird eine Vorauswahl an das Auswärtige Amt bzw. den Bundesrat gemeldet. Eine Expertenjury trifft daraus wiederum eine Vorentscheidung. Am Ende werden dem Bundesrat eine oder zwei Städte empfohlen, die er an die EU-Gremien weitervermittelt. 2016 erfolgt die Nominierung zur Kulturhauptstadt 2020. Es bleiben somit vier Jahre zur Umsetzung.

Die Kulturhauptstädte können hier viel voneinander lernen. Um mögliche Chancen gegen eventuelle Hindernisse abwägen zu können, hatte am 19. Mai 2009 die Kulturliste kult zur Veranstaltung „Europäische Kulturhauptstadt: ein Gewinn für Freiburg!“ mit anschließender Publikumsdiskussion ins Morat-Institut geladen. Der Tenor der Veranstaltung lautete: Allein schon das Nachdenken über eine Bewerbung Freiburgs als Europäische Kulturhauptstadt könnte die Stadt ganz neu aufstellen. Denn, wie schon Atai Keller in seiner Haushaltsrede vom 16.12.2008 um seine Kulturhauptstadt-Idee warb, „was kann einer Stadt Besseres passieren, dass ihre Bürgerinnen und Bürger sich in einem gemeinsamen Prozess eine Vision von Stadt und Stadtgemeinschaft vorstellen und diese dann in einem kreativen Ablauf versuchen umzusetzen?“ Angesichts der vergangenen Kulturdebatten, mit denen sich Freiburg bundesweit einen eher zweifelhaften Ruf eingehandelt hat, erscheint eine gemeinsame Kulturinitiative momentan schwer vorstellbar. Und dennoch: Es ist möglich, da sich im Falle einer solchen Bewerbung die unglückselige Polarisierung zwischen Kunstschaffenden und Politik einfach in Luft auflösen könnte – Kultur als zentraler Identitätsfaktor. In der Tat ist die Identifikation der Bevölkerung mit der Idee Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung. Das Projekt Kulturhauptstadt muss in alle gesellschaftlichen Kreise von Stadt, Universität und Bürgerschaft kommuniziert werden. Die Glocken müssen es uns vom Münsterturm herab verkünden, sämtliche Freiburger Bächle müssen es uns zuflüstern: Wir haben eine Vision! Um diese mehr und mehr konkretisieren zu können, versammelte das Kulturamt bereits im Juni eine Konzeptgruppe, die sich am 5. Oktober erneut treffen soll. Sämtliche Ämter der Stadt wurden gebeten, Ideen zu formulieren, die momentan ausgewertet werden. Dasselbe soll nun auf der Ebene der Kulturschaffenden geschehen. Hierbei gilt es laut EU-Vorgaben immer die Kernfrage im Blick zu behalten: Was hätte Europa von einer Kulturhauptstadt Freiburg – und nicht umgekehrt: Was hätte Freiburg von dieser Bewerbung? Einige Kritiker der Kulturhauptstadt-Idee bangen um die kulturelle Einzigartigkeit von Stadt und Region. Andere fürchten das drohende Aus der Bobbele-Beschaulichkeit in ihrem Städtle. Deshalb muss man die Frage nach dem Nutzen einer Bewerbung für Freiburg der Entwicklung eines europarelevanten Konzepts voranstellen, will man die Bevölkerung für die Idee gewinnen.
Eines ist schon mal sicher: Eine Stadt, die geschlossen hinter einer gemeinsamen Vision steht, gewinnt in jedem Fall – auch im Falle ihres Scheiterns. Dies lehrt uns wiederum der Blick auf andere Bewerberstädte. Von der Ausstattung von Kultureinrichtungen, der Verschönerung des Stadtbildes und der damit einhergehenden Verbesserung der Lebensqualität profitierten die Bewerberstädte noch viele Jahre später. Die Wirtschaftsunternehmen übernahmen eine aktivere Rolle in der Gesellschaft. Wirtschaft und Kultur gingen eine wechselseitige Symbiose ein, denn die kulturelle Vitalität einer Region förderte zugleich deren Attraktivität als wirtschaftlicher Standort. Aus diesem Grund ist eine Einschätzung der Kosten, die eine solche Bewerbung verursachen würde, schwer zu leisten, denn aufgrund geringer EU-Zuschüsse finanziert sich der größte Anteil durch Sponsorengelder. Die Schere der finanziellen Aufwendungen klafft bei den verschiedenen Städten weit auseinander. Auch wird ein Vergleich der Etats dadurch erschwert, dass die einzelnen Kulturhauptstädte ihre Ausgaben sehr unterschiedlich berechneten und Projekte, Organisations- und Werbekosten durch öffentliche und private Mittel teilweise direkt finanziert wurden, ohne dass diese Ausgaben im Etat aufgetaucht wären. So bleibt festzuhalten, dass eine Stadt mit einer klugen Bewerbungsstrategie im Schulterschluss mit der Wirtschaft bereits in der Bewerbungsphase deutliche positive Impulse für eine nachhaltige kulturelle Stadtentwicklung zu verbuchen hat. In unserem Fall könnten die bereits 2007 im Kulturkonzept festgelegten städtebaulichen Maßnahmen für die Bewerbung „instrumentalisiert“ werden, wie etwa der Umbau des Augustinermuseums, der Schlossbergnase und des Platzes der Synagoge. Durch den Anstieg der öffentlichen Aufmerksamkeit wären für diese Projekte zusätzliche Gelder zu erwarten.

Welche europäische Dimension könnte unsere Bewerbung beinhalten? Welches sind Freiburgs Alleinstellungsmerkmale im europäischen Kontext? Schon nach kurzer Betrachtung können wir mit Stolz behaupten: Unsere Möglichkeiten für ein individuelles und zugleich europarelevantes Bewerberprofil sind ungleich reicher als die vieler anderer Städte. Wir blicken auf eine bewegte und ereignisreiche Geschichte zurück – 2020 feiert die Zähringerstadt Freiburg ihr 900-jähriges Bestehen. Die Beziehungen zu den zehn Partnerstädten bieten viele Optionen für interkulturelle Veranstaltungen. Als Bildungsstadt haben wir Weltruf. Unsere Musikszene genießt internationales Ansehen. Die Freiburger Theaterlandschaft ist in ihrer Vielfalt einzigartig. Das Augustinermuseum mausert sich durch den Um- und Ausbau gegenwärtig zu einer national beachteten Kunstsammlung. Solcher Beispiele gäbe es noch mehrere. Und nicht nur der kulturelle, auch der landschaftliche Segen stimmt durchaus hoffnungsfroh.

Zudem kann eine Bewerbung, wie im Fall Ruhr 2010 geschehen, eine ganze Region mit einbeziehen. Alt-Oberbürgermeister Rolf Böhme richtete diesbezüglich bereits den Fokus auf die gemeinsame humanistische Tradition am Oberrhein, mittels derer sich Freiburg mit Basel, Straßburg und Karlsruhe zu einer Trinationalen Metropolregion Oberrhein zusammenschließen könne. Diese Städte befinden sich mit Freiburg bereits im Gespräch und zeigen sich bisher der Idee gegenüber aufgeschlossen, zumal sie von der Bewerbung entsprechende Synergie-Effekte zu erwarten hätten. Was indes viele nicht wissen: Unter dem Namen Trinationale Europäische Metropolregion Oberrhein existiert bereits seit 2006 ein Zusammenschluss aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Dieses Gebiet umfasst mit dem Jura, den Vogesen, dem Schwarzwald und dem Pfälzer Wald einen einheitlichen Kultur- und Lebensraum mit einer jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte. Aus der verstärkten Vernetzung in Wissenschaft, Forschung und Bildung und deren Verbindung zur Wirtschaft sowie unter Einbeziehung der Bevölkerung in ein großes gemeinsames Ganzes (Sprache, Ideen etc.) soll ein einheitlicher Wirtschaftsraum entstehen, der sich so auch nach außen repräsentiert. Ziel ist die Schaffung eines polyzentrischen Städtenetzes, in dem alle Akteure in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgergesellschaft an einem Strang ziehen, um die Region zu einem Motor der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung zu machen. Der Oberrhein ist die erste Trinationale Metropolregion in Europa. Also könnte auch hier im Fall einer Bewerbung bereits Begonnenes eine Initialzündung erfahren. Allerdings ist noch nicht klar, wie weit diese Region gefasst werden sollte. Zu viele beteiligte Städte könnten die Einheitlichkeit des Profils beeinträchtigen. Andererseits darf man den Kulturbegriff nicht zu eng fassen. Kultur ist mehr als Architektur, Musik, Tanz, Malerei, Literatur und Theater. Kultur ist vielmehr der Oberbegriff für die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft oder eines Volkes. Dazu gehört auch der ökologische Aspekt, den sich Freiburg längst auf die Fahnen geschrieben hat – mit den erneuerbaren Energien, dem Fraunhofer-Institut, der Solarsiedlung und dem Ökoinstitut. Wenn es gelänge, Kunst und Ökologie innerhalb des Dreiländerecks zu bündeln und zu vernetzen, so bedeutete dies vor der europäischen Kommission das Alleinstellungsmerkmal Freiburgs schlechthin. Eine solche Bewerbungskonzeption stünde vermutlich deutschlandweit außer Konkurrenz. Folglich findet diese Bewerbungsvariante momentan die größte Zustimmung. Auch könnte die Verlinkung von Wirtschaft und Kultur einen finanziell gangbaren Weg aufzeigen. Die Vision eines Kulturwandels, wie sie für den Erfolg Ruhr 2010 ausschlaggebend war, ist für Freiburg weniger relevant. Unsere Chance liegt vielmehr in einer grundlegenden Bewusstseinsveränderung und Besinnung auf das, was wir an kultureller Vielfalt und historischem Erbe haben, was wir darüber hinaus weiterentwickeln könnten, wie in Zukunft unser Leben hier aussehen könnte.

Dass die Freiburger einer solchen Entwicklung grundsätzlich offen gegenüber stehen, zeigte sich bereits beim gemeinsam mit den Bürgern erarbeiteten Kulturkonzept. Doch wie steht es damit am Oberrhein? Sind die Einwohner von Karlsruhe bis Basel reif für eine gemeinsame Identität in der Metropolregion? In der Praxis scheiterte europäisches Denken häufig an Sprachbarrieren oder nationalem Egoismus. Eine intensive Zusammenarbeit mit der Bevölkerung haben bereits die Sportverbände der drei Länder begonnen. Hier sind alleine zwei Millionen Mitglieder organisiert. Was den Sportverbänden gelang, sollte auch im kulturellen Bereich möglich sein, zumal eine gemeinsame Kultur keine nationalen Grenzen kennt.
Freiburg „ist die Stadt der Bürgerbeteiligungen. In allen Entwicklungsprozessen der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass die Bürgerschaft ein enormes Interesse hat, mit zu gestalten“, hielt Atai Keller in erwähnter Haushaltsrede dafür. Von hier aus muss der Funke versprüht werden. Wohlan Freiburg! Welche Chance! Wir haben nicht nur städtebaulich, kulturell, landschaftlich und regional beste Voraussetzungen, wir haben auch noch das entsprechende Völkchen. Also raus aus der Beschaulichkeit! Wir wollen doch nicht immer nur Bobbele bleiben? Freiburg muss sich zunächst bei sich selbst bewerben, denn bereits das Nachdenken über sich selbst wird diese Stadt auf einen guten Weg bringen.
Friederike Zimmermann, 10.10.2009, www.kulturJoker.de
Die Autorin ist Kunstwissenschaftlerin (MA) und promovierte Germanistin. Sie arbeitet als freie Kunstvermittlerin und Kulturjournalistin und ist u. a. an der VHS Freiburg und der JMS Südl. Breisgau tätig.

 

Vision oder nur Fiktion? Kulturhauptstadt-Optionen 2020

Gefeiert werden soll allemal im Jahr 2020 in Freiburg – jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand. 900 Jahre wäre es dann her, dass die Zähringer das Markt- und Stadtrecht an Freiburg verliehen. Nach dem derzeitigen, nicht unumstrittenen Erkenntnisstand. Und phantastisch fänden es gar manche, wenn dieses Jahr des Stadtjubiläums mit einer anderen Auszeichnung verbunden werden könnte: Freiburg — europäische Kulturhauptstadt 2020. Ob es dazu freilich kommen wird, ist noch schwer abzuschätzen — nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand.

Neu ist die Idee nicht. Schon über eine Bewerbung für das Kulturhauptstadtjahr 2010 hatte man seinerzeit laut nachgedacht. Aber eben nur nachgedacht. Jetzt soll das anders werden. Seit Stadtrat Atai Keller (Kulturliste) im Oktober 2007 mit einem Schreiben an die Rathausspitze eine Initiative für eine Kulturhauptstadtbewerbung forderte, ist das Thema in Freiburg virulent — man kann sagen: positiv virulent. Was gleichwohl noch lange nicht heißt, dass eine Bewerbung Freiburgs nur eine Frage der Zeit ist. Die Faktenlage ist bislang eher dürr. Die Idee ist geboren, die Geburtshelfer stehen bereit. Neben Keller ist das namentlich Freiburgs Kultur- und Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD), der in einer Bewerbung eine gute Chance sähe, das „Selbstverständnis und das Potenzial dieser Stadt wieder“ zusammenzubringen, wie es Kirchbach bei einem Vortrag bei der Friedrich-Ebert-Stiftung im Juni formuliert hat (wir berichteten). Der Passus „wieder“ ist mit Bedacht gewählt, Stichwort: Wundenlecken. Kirchbach weiß als Vertrauter der in den vergangenen Jahren durch Haushaltsmittelkürzungen und öffentliche Debatten stark angegriffenen Kulturszene um die Notwendigkeit einer Kulturagenda: „Visionen aber brauchen Fixpunkte, um nicht Fiktionen zu werden.“ Und diese Fixpunkte sind bislang noch sehr vage. Im laufenden Jahr soll der Gemeinderat noch über eine Drucksache von der Notwendigkeit einer frühzeitigen Positionierung überzeugen werden. Nahziel: Freiburg soll in das Bewerbungsverfahren eintreten. Zu wenig für Gemeinderat Keller: „Das ist eine wachsweiche Beschlussvorlage.“ Direkt daran jedoch schließen sich die entscheidenden — inhaltlichen und finanziellen — Fragen an: Welches Profil soll eine Bewerbung bekommen, und wie ist sie zu finanzieren (einschließlich der Vorbereitungsphase).

Die Humanistenstädte am Oberrhein im Schulterschluss
Am interessantesten erscheint derzeit vielen der Vorschlag einer Bewerbung, in der sich die Region vernetzt zeigt. Altbürgermeister Rolf Böhme hatte angeregt, die große humanistische Tradition am Oberrhein in den Mittelpunkt der Agenda zu stellen. Die Kulturstadt Freiburg im Schulterschluss mit den Humanistenstädten Basel und Straßburg — eine solche, trinationale Bewerbung hätte enormen Charme. Zumal bei einer Beteiligung der Nachbarstadt Basel ein Brückenschlag über die EU-Außengrenze gelänge. Das freilich setzte voraus, dass das reichere Basel als eine der bedeutendsten Städte der Schweiz bereit wäre, sich einer Freiburger Führung unterzuordnen. Nicht wenige sehen darin ein unüberwindbares Hindernis. Ulrich von Kirchbach zufolge sind jedoch erste Sondierungsgespräche mit dem Basler Stadtpräsidium sehr erfolgversprechend verlaufen. Auch im Falle Straßburgs herrscht Zuversicht, weil Freiburg vor wenigen Jahren eine national gescheiterte französische Bewerbung der Europastadt unterstützt hatte. Doch selbst im Falle inhaltlicher Kongruenz wird entscheidend sein, wie weit Freiburg bereit wäre, seiner Initiative auch finanziell nachhaltigen Ausdruck zu verleihen. Für den Kulturbürgermeister ist klar: „Im nächsten Doppelhaushalt müssen Zeichen gesetzt werden.“ Wie die aussehen könnten, zeigen erste interne Vorschläge. Darin ist für 2009 ein Sachkostenetat in Höhe von 30 000 Euro postuliert, der sich 2010 verdoppeln könnte. Außerdem könnte schon 2009 eine Stelle in der Verwaltung für die Vorbereitungsphase geschaffen werden – zum Beispiel durch Umschichtung oder Freistellung. Kirchbach weiß, dass eine ernsthafte Freiburger Bewerbung „keine Mogelpackung“ sein darf und veranschlagt grob ein finanzielles Volumen für die Bewerbungsphase zwischen 250 000 und zwei Millionen Euro.

Unabhängige Kulturhauptstadt-GmbH
Aber noch sind das alles Konjunktive. Atai Keller, der Vater der Freiburger Kulturhauptstadt-Idee, zeigt neben allem Optimismus auch Skepsis. Er befürchtet, das Projekt könnte ins politische Räderwerk der bevorstehenden Kommunal- und Bürgermeister-Neuwahlen geraten. Besser wäre es, sagt er, wenn ein Konsens vor den Wahlen hergestellt werden könnte — und zwar in ausreichendem Abstand dazu. Keller: „Vonnöten wäre ein Kulturpakt. Und irgendwann wird man sicher auch nicht um eine unabhängige Kulturhauptstadt-GmbH herumkommen.“ Mit dem Pakt meint er Politik, Kultur und die Bevölkerung gleichermaßen. Letztere ist durch die wenigen öffentlichen Veranstaltungen dazu bislang nur in Maßen mobilisiert — 2020 ist noch fern. So hofft die Kulturszene nach all den Rückschlägen und dem Vertrauensverlust der letzten Jahre erst einmal auf ein kulturfreundlicheres Klima in jener Stadt, die sich paradoxerweise gerade durch die Vielzahl ihrer bedeutenden kulturellen Einrichtungen ein Profil gegeben hat.
Freiburg Einwohnerzahl: 220 000 Gesamthaushalt (2007): 796 Mio Kultur: 26,4 Mio (Theater, Museen, freie Gruppen, Verwaltung) Die Bemühungen um eine trinationale Metropolregion Oberrhein (Basel, Freiburg, Straßburg, Karlsruhe) finden frühestens in zwei Jahren einen positiven Abschluss.

Ganz oder gar nicht  – Münstereck

Noch knapp elf Jahre bis 2020: Es mag schon überraschen, dass gleich in drei Kommunen des Landes so intensiv über eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas nachgedacht wird, und zudem so frühzeitig. Doch der große zeitliche Vorlauf tut Not, davon können gescheiterte wie erfolgreiche Bewerber ein Lied singen. Wer gleichwohl mit der Lupe auf die drei Aspiranten aus dem Ländle schaut, wird feststellen, dass keineswegs Waffengleichheit herrscht. Sowohl in Ulm als auch Mannheim haben die Aktivitäten in Richtung Bewerbung einen bereits offizielleren Anstrich als in Freiburg. Vor allem aber: In beiden Städten haben sie die Oberbürgermeister zu ihrer Angelegenheit gemacht, was den Aufbau der entsprechenden Infrastruktur (Büros, Etat, Veranstaltungen etc.) enorm erleichtert. Nicht dass Freiburg hier hoffnungslos abgeschlagen wäre. Möglich ist noch alles, einschließlich der Chefsache. Aber mit Blick auf vergangene Kulturdebatten ist die Gefahr eines Scheiterns, noch vor Beginn einer ernsthaften Prüfungsphase, nicht gering. Die Gefahr, dass das Thema zerredet wird oder ins Räderwerk der bevorstehenden Wahlkämpfe geraten könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Zumal es für Freiburg, unabhängig davon, ob eine bi- oder trinationale Bewerbung am Oberrhein realisierbar ist, um eine ganz grundsätzliche Weichenstellung geht, nämlich jene, ob man der Kultur zutraut, zum image-, nein mehr: zukunftsbestimmenden Faktor im kommenden Jahrzehnt zu werden. Womit, um Missverständnissen vorzubeugen, nicht die — lobenswerte — Stadtteilkultur im Gemeindezentrum um die Ecke, die nix kosten darf, gemeint sein kann. Woraus folgt: Hier geht es um Investitionen, über deren Notwendigkeit man sich einig sein muss. Diesen Diskussionsprozess scheint man in Ulm und Mannheim schon hinter sich zu haben. In Freiburg sollte er schnell nachgeholt werden. Mit klaren und ehrlichen Bekenntnissen. Denn für eine Kulturhauptstadtbewerbung gibt es nur zwei Möglichkeiten: ganz oder gar nicht. Über deren inhaltliche Perspektiven ist damit noch gar nichts gesagt. Nur so viel: Im besten Fall könnte die Region Oberrhein „konkurrenzfähiger“ zu Donau und Rhein-Neckar-Dreieck sein, als den Verantwortlichen dort lieb ist.

Alexander Dick, 4.10.2008, www.badische-zeitung.de

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