Wurth

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Blumen und Maske unter Badischer Sonne am 10. August 2012

 

 

Wendelinus Wurth aus Gutach

Zu dem Kurzgeschichten-Wettbewerb „Der Oberrheinische Rollwagen“, den die „Basler Zeitung“, die elsässische Stadt St-Louis und die SWR-Studios Freiburg und Karlsruhe gemeinsam ausschreiben, war zum 20. Mal eingeladen worden. Der mit 1.500 Euro ausgestatteten Jubiläumspreis wurde Wendelinus Wurth aus Gutach in der Ortenau für seine in alemannischer Mundart geschriebene Kurzgeschichte „Komm, gib mit deine Hand“ zugesprochen. Der 48jährige Wendelinus Wurth ist Lehrer, hat die Literatur als Autor, Übersetzer und Verleger aber zu seiner Passion gemacht.
https://www.swr.de/swr4bw/baden/extra/archiv/2002/05/15/63/

Wendelinus Wurth
Am Buck 2, 77793 Gutach, Tel 07833/8088, Dreywe@web.de
Drey Verlag

 

Denk mol
kunnt eime e maniches Mol in Sinn, grad we-mr wider emol vor so eme Denkmol steht – un nit bloß im November, wenn im Totemuunet s Wetter denooch isch, we-mr an fascht jedem Sunnti an so vil Toti sot denke.
Disletscht, wu i au wider emol spaziere gloffe bin, uf em Kinzigdamme, bin i am e Bildstock vebejkumme, dene wu i schu efters emol gsehne gha ha. Awer irigenswie isch er dismol anderschter gsi as wie sunsch. S isch so e alter Sandsteinbildstock, wie mr si iweraal gern amenoorts uf em Feld dus findt. Owe an dem Bildstock isch e kleins Kämmerli in de Stein gmeißelt, mi m e iiserne Teerli vornedra. S Teerli isch mi me messingene Hängeschloß fescht zuegmacht. Awer owe – trotz em Schloß – steht s Teerli e weng vum Sandstein eweg, wie wenn ebber emol mit Gwalt dragange gsi wär, un nilange hätt wote zum ebbis rushole – oder s gar tatsächlig gmacht het. 1782 sait d Johreszahl unter dem Kämmerli – sunsch steht nix witers druf uf dem Sandstein. Nit werum der Bildstock ufgstellt worre-n-isch un au nit vun wem.
Awer hintrem Gitterteerli steht e kleini Mariefigur, us wissem Porzellaan, so eini, wie mr si gern an Wallfahrtsorte findet un mit heim nimmt zum in Herrgottswinkel stelle. Un näwedra in ere Klaarsichtfolie lejt e handgschriiwener Zeetel. Un uf dem Zeetel steht: „bitte nicht zer-/ stören oder stehlen / da wertlos / Ostern 2003 / Konstanze Benthaus / 8 Jahre.“
Was fir e Gschiicht steckt do drin, in dem Kämmerli im Sandstein! Werum het e achtjährigs Kind e so e Figur mittelscht uf eme Feld in e Bildstock gstellt? Wer het do schun-emol eso e Mariefigur (oder e andri) kurz im Vebejgih mitgih gloßt – un isch au nit devor zruckgschreckt Gwalt azwende, numme zum an des Figierli kumme? Un was het er mit dem Figierli gmacht? Was het er sich debi denkt, wu er s mitgnumme het? Was het er sich devu vesproche? Mr kunnt in s Sinniere driwer un kaan schier gar nimm ufheere demit, vor luter uffene Frooge. Denk mol!
Wendelinus Wurth, Münsterblick, 22.11.2003

 

kreis kreißt kreis us kreis – Neuer Lyrikband von Wendelinus Wurth

Hätten Wellen Echos, so glaubte man von fern her in diesen Gedichten bisweilen Gertrude Steins Einwürfe zur literarischen Moderne zu vernehmen – um im nächsten Moment aufgrund ihrer strengen Silbenzählung und im dichterischen Erleben der Natur an die japanischen Haikus erinnert zu werden.
„untedrunter schint s/
doch noch läwe in dem see/
kreis kreißt kreis us kreis“.
Angeordnet um das titelgebende Gedicht lässt der Hausacher Dichter Wendelinus Wurth in 53 dreizeiligen Gedichten einen sorgfältig komponierten poetischen Mikrokosmos in der zeitlichen Anordnung eines Jahreskreises aufblitzen. Dabei beleuchtet er zugleich den „see/ kreis“ eines ländlichen Raums, den er in seiner augenblickhaften Gegenwärtigkeit aufs Genaueste vermisst und in manchmal winzig verknappten Lautpartikeln als Sprachraum in der Schwebe zwischen den Worten offen hält.
Dass es sich um eine fast physische Verortung innerhalb einer Sprachlandschaft handelt, lässt die Wahl der Sprache deutlich werden. Denn die Miniaturen behaupten gerade als alemannische Dialektgedichte ihren Rang dort, wo sie herkommen und hingehören: aus dem und ins Mutterland der Mundart. Es sind die zufällig wahrgenommenen, im eigentlichen Sinn zugefallenen Dinge – „meisli, krabbe, grille; krisebaum, glockeblueme; gumpe, räängetropfe, rasemaiher, venus, muund, orion“ –, die die disparate Welt in ihrer alltäglichen Gegebenheit verbürgen. Und die doch mit feiner Exzentrik um eine unbestimmte, tief empfundene Leerstelle kreisen: vielleicht von einer sachten Verwobenheit der Teile zu einem verloren gegangenen Ganzen zeugen. In dieser Sprach- und Bewusstseinslandschaft zeigt sich dem lyrischen Ich die eigene Fragwürdigkeit und seine lebensnotwendige Bezogenheit auf die Dingwelt:
„winkt mr s blatt im wind/
wil ich s sih oder sih ich/
s blatt wil s winkt im wind“.
Handwerklich ist der Band sehr schön in Bleisatz gesetzt. Die Gedichte werden begleitet von hingetuschten Zeichnungen eines „rasenstück“-Blattes von Franz Holzschuh, die auf Dürers Proportionslehre reflektieren, wo es heißt: „Aber das Leben in der Natur gibt zu erkennen die Wahrheit dieser Ding. Darum sieh sie fleißig an, richt dich darnach und geh nit ab von der Natur in dein Gutdünken, (…) denn wahrhaftig stecket die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reyssenn, der hat sie“: So erweist sich das Büchlein als ein so reichhaltiges wie luftiges Vademekum in gewohnter Drey-Qualität.
Andreas Kohm, 10.8.2012

Wendelinus Wurth: kreis kreißt kreis us kreis
mit einem „rasenstück“ von Franz Handschuh
Drey-Verlag, Gutach 2012. 60 Seiten (unpaginiert), 15 Euro