Klaus-Binder-Zukunftspreis 2013

Den diesjährigen Zukunftspreis des Förderverein Zukunftsenergien SolarRegio Kaiserstuhl erhalten Jean-Jacques Rettig aus dem Elsass (der sich seit 40 Jahren für eine lebenswerte grenzüberschreitende Region einsetzt) und Günter Richter aus Freiburg (der 1967-1978 als Pfarrer in Wyhl gegen das geplante AKW kämpfte). der Preis wird am 14.4.2013 in Wyhl verliehen – Festrede Prof Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker.
Der Förderverein lädt zur öffentlichen Verleihung des Klaus-Bindner-Zukunftspreises 2013 herzlich ein:
Sonntag, den 14. April 2013, 17.30 Uhr
in der Fertigungshalle der Zimmerei Schwörer
Tullastrasse 32 (Gewerbegebiet), 79369 Wyhl am Rhein

Die Verleihung des diesjährigen Zukunftspreises erfolgt an eine französische Persönlichkeit mit ihren engagierten Freunden sowie einer seit über 40 Jahre engagierten deutschen Persönlichkeit:
– Jean-Jacques Rettig aus dem Elsass und seine engagierten französischen Freunde, die sich mit den Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen über 40 Jahre für eine lebenswerte grenzüberschreitenden Region einsetzen!
– Günter Richter, Freiburg, der als Pfarrer in Weisweil von 1967 – 1978 sich vehement und erfolgreich gegen den Bau des Atomkraftwerks Wyhl einbrachte und die Evangelische Landeskirche als verlässlichen Partner für die bedrängte
Bevölkerung am nördlichen Kaiserstuhl gewann sowie 1997 das erste Kirchendach mit einer Bürgersolaranlage initiierte.
Die Festrede hält Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker zum Thema „Zur Solarenergie gehört auch die Energieeffizienz, und die ist technisch und politisch noch anspruchsvoller“
Die Laudatio auf die beiden Preisträger spricht Erhard Schulz, Vorstandsmitglied des Fördervereins Zukunftsenergien SolarRegio Kaiserstuhl.

Nach den furchtbaren Ereignissen in Japan war die Energiewende in großen Teilen der Gesellschaft Konsens. Derzeit versucht die Atomlobby, mit Lügen die Energiewende schlecht zu reden und diese zu verhindern.
Es gibt keine ehrliche und nachhaltige Alternative zur Energiewende. Der Förderverein Zukunftsenergien leistet in der Region seit über 10 Jahren mit zahlreichen Projekten und Veranstaltungen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und fordert die Politik auf, die Energiewende baldmöglichst umzusetzen und unterstützt die Politik dabei. Viel Überzeugungsarbeit ist gerade beim Thema Energiesparen zu leisten. Damit der gesellschaftliche Wandel im Denken und Handeln schneller  vorankommt ist die Mitarbeit aller gesellschaftlicher Gruppierungen erforderlich.
Um fortschrittliche Ansätze und die Umsetzung nachhaltigen Handelns in der Region bekannt zu machen und dadurch die Sensibilisierung zum Thema Klimaschutz zu fördern, lobt der Förderverein Zukunftsenergien seit dem
Jahr 2006 jährlich den „Klaus-Bindner-Zukunftspreis“ aus. Nach der Preisverleihung lädt der Förderverein Zukunftsenergien Sie zu einem Imbiss ein. Bitte teilen Sie uns zur Planung des Abends Ihre
Teilnahme (oder die Ihres Vertreters) per E-Mail mit.
Für weitere Auskünfte steht Ihnen der 1. Vorsitzende des Fördervereins Zukunftsenergien, Dieter Ehret zur Verfügung: Tel 07646-91190, www.SolarRegio.de
10.4.2013, Erhard Schulz, Vorstandsmitglied des Fördervereins Zukunftsenergien

 

Laudatio von Erhard Schulz für Jean-Jacques Rettig und Günter Richter

Verleihung des Klaus-Bindner-Zukunftspreises 2013 des Fördervereins Zukunftsenergien SolarRegio Kaiserstuhl e.V., Sonntag, den 14. April 2013 in 79369 Wyhl am Rhein
Wir zeichnen heute zwei Menschen aus mit einem ausgeprägten Rückgrat zur Wahrnehmung der bürgerlichen Rechte mit dem Ziel, unsere lebenswerte Regio beiderseits des Rheins zu erhalten. Zwei Brückenbauer im Sinne einer  „AMITIÉ  FRANCO-ALLEMANDE“, die sich beide mit beharrlicher Ausdauer über 4 Jahrzehnte engagierten! Sie haben eine Bresche für dezentrale regenerative Energien geschlagen: 
Jean-Jacques Rettig aus Fréconrupt im Elsaß  und
Günter Richter, jetzt in Freiburg lebend, der von 1967 – 1978 als Pfarrer in Weisweil wirkte.
Und schauen sie sich die Ergebnisse vor der Tür an: In Wyhl und Weisweil produzieren die Solardächer der Bürgerinnen und Bürger fast die Hälfte des elektrischen Stroms aller Haushalte!

Jean-Jacques Rettig war Gründer der CSFR (Comité de sauvegarde de Fessenheim et de la plaine du Rhin) und hat mit seinen engagierten französischen Freundinnen und Freunden über 43 Jahre gegen die Atomenergie gekämpft an der Seite der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen, welche die erste grenzüberschreitende Bürgerinitiative war – initiiert von den Bürgern! Seine bewegte Familiengeschichte zeigt das große Leid des Elsaß : „Meine Region ist sehr schön; sie ist materiell und kulturell (noch) reich. Aber ihre Geschichte hat sehr schlecht angefangen.“ Sein Großvater war Steinmetz, ein Protestant, der Skulpturen für die Kathedralen von Dresden, Meißen, Straßburg, Zürich und Bern schuf. Seine Schwägerin hatte einen Badener (Deutschen) geheiratet, der nach 1870 eingewandert war. 1918 musste sie dann mit ihm nach Deutschland auswandern. „Unsere Familie war durchaus französisch, aber man wollte Elsässisch sprechen dürfen und unsere eigene Kultur zwischen Deutschland und Frankreich bewahren. Während der totalitären Epoche unterschieden wir immer ganz klar zwischen dem Deutschen und dem Nazi.“ „Ich danke allen Mitgliedern meiner Familie, dass sie mich gelehrt haben. NEIN zu sagen zum Inakzeptablen, zum Inhumanen, zur Ungerechtigkeit. Ich danke ihnen, dass sie sowohl die kritische als auch d ie tolerante Geisteshaltung kultiviert haben.“ 
Regionalismus und Ökologiebewegung waren und blieben für Jean-Jacques Rettig und seine Freunde die unermüdlichen Arbeitsfelder. So war zum Beispiel „diese hochvergiftete und ekelerregende Kloake namens Rhein sowohl schweizerisch als auch französisch, deutsch und holländisch.“ Die Bevölkerung musste aufgeklärt werden über die von Brüsseler Technokraten geplanten „dämonischen und größenwahnsinnigen Projekte“: Die Wohngebiete in die Gebirge  Vogesen und Schwarzwald verschieben, um die Industrieansiedlungen mit Atomanlagenparks im Rheintal von Basel bis Rotterdam ungestört anzusiedeln. Dies war dann die Zeit der Gründung von Komitees und Bürgerinitiativen in der Dreyecklandregio, die bis heute existieren!
„Ich erinnere mich immer an jenen badischen (also deutschen) Winzer, der, nach monatelanger gemeinsamer Aktion und Platzbesetzung – also auch nach monatelangem Austausch und Umgang mit Elsässerinnen und Elsässern – ausrief: Ich habe entdeckt, dass wir Brüder sind, dass wir geschaffen sind, zusammen zu leben, dass uns die Politiker und die großen Führer der Vergangenheit belogen haben. Wenn ich daran denke, dass wir einmal aufeinander geschossen haben über den Rhein! Was für eine Verrücktheit!“
Einige Kraftanstrengungen sollen genannt werden:
Im Juli 1970 wurde bekannt, dass bei Fessenheim 2 Atomreaktorblöcke gebaut werden sollten.
Die ebenfalls geplanten Reaktorblöcke 3 und 4 konnten verhindert werden.
Im Frühling 1971 gab die Landesregierung von Baden-Württemberg bekannt, dass sie bei Breisach 4 Atomreaktorblöcke errichten wolle. Gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung blieb es beim Versuch!
Im Sommer 1974 wollte die deutsche Firma Chemische Werke München bei Marckolsheim auf der  elsässischen Seite ein Bleichemiewerk errichten. Eine fünfmonatige Besetzung durch die Bevölkerung beendete das Projekt.
Ende 1973 feierte das in Breisach gescheiterte  Atomprojekt in Wyhl eine Auferstehung! Massive grenzüberschreitende Demonstrationen und kreative Aktionen sowie Platzbesetzungen  brachten die Regierung zum Einlenken.
Seit 1966 versuchte die Firma Motor Columbus AG ein Atomkraftwerk in Kaiseraugst zu errichten.
Blockaden der Bevölkerung verhinderten das Atomprojekt.
1976 errichtete die Electricité de France in Gerstheim einen Messmast, um später vier Atomreaktoren zu errichten. Sieben Monate währte die erfolgreiche Platzbesetzung!
Alle Aktionen verliefen zutiefst gewaltfrei, erfinderisch und couragiert! Dies war das eherne Prinzip! Aber Jean-Jacques Rettig und seine Freunde sagten nicht nur NEIN, sie zeigten schon früh Alternativen auf, wie effiziente Gasturbinen. 
Walter Mossmann, Mitgründer der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen schrieb uns: „Die gemeinsamen Platzbesetzungen in Marckolskeim und Wyhl 1974/75 waren ein Beweis dafür, dass die alten Ideologien von der Erbfeindschaft beendet sind. Vollkommen unverständlich, dass sie fast 40 Jahre später linksrheinisch oder rechtsrheinisch wieder aufgewärmt werden.“
 

Pfarrer Günter Richter  verdient diese Auszeichnung gemeinsam mit seiner Frau Ilse, welche ihn in über 40 Jahren tatkräftige Unterstützung gab und oft mit den Kindern allein war! Er steht im 80. Lebensjahr. Günter Richter wurde im niederrheinischen Süchteln bei Krefeld geboren. Sein Vater fand als Filmdrucker 1937 Arbeit bei einem Textilausrüsterbetrieb in Weil am Rhein. Welch ein Glück für unsere Region! Vor der akademischen Ausbildung erfolgte eine Lehre zum Industriekaufmann. Sein Studium der Evangelischen Theologie führte ihn nach Wuppertal und Heidelberg. Nach dem Examen folgte 1956 ein elfjähriger Dienst in der Jugendarbeit der badischen Landeskirche.
1967 wurde er auf die Pfarrstelle  in Weisweil (Kirchenbezirk Emmendingen) berufen und stand der Gemeinde und den Bürgerinitiativen 11 heiße Jahre bis 1978 als kämpferischer Vermittler  zur Seite.
1978 folgte die Wahl in das Stadtpfarramt der Christusgemeinde Emmendingen.
Nach 14 Jahren bewarb er sich im Frühjahr 1992 für die landeskirchliche Pfarrstelle am Evangelischen Diakoniekrankenhaus Freiburg. Hier initiierte er das 1. Solare Kirchendach mit Bürgerbeteiligung auf dem Dach des Evangelischen Diakoniekrankenhauses.  1995 wurden mit Rundbriefen die Mitarbeiter und Mitbürger zur Beteiligung aufgerufen und bereits im Juli 1996 ging die erste Teilanlage in Betrieb! Immerhin war dies 20 Jahre nach der Platzbesetzung in Wyhl und 18 Jahre von heute!
Damals kostete ein Solarbaustein mit 330 Wattpeak etwa DM 5.000.- , d.h. 1kWpeak damit DM 15.000.-. Damit lassen sich rund 300 kWh elektrischer Strom im Jahr erzeugen, soviel wie ein Stromsparhaushalt pro Kopf verbraucht. Als im Jahr 2000 das EEG verabschiedet wurde, sollten wir als „zu frühe“ Pioniere von der neuen Einspeisevergütung ausgeschlossen werden. Aber wir waren ja schon in der Wyhl-Zeit kampferprobt! In Weisweil war für Günter Richter die prägende Zeit und hier wurde auch das Ende der Atomenergie eingeläutet! Am 08. Februar 1972 haben wir gemeinsam einen Informationsabend mit dem emeritierten Atomphysiker Prof. Hans Klump im Evangelischen Gemeindhaus in Weisweil angeboten: „Weisweil im Schatten der Kernkraftwerke“. Dieser einduckvolle und informative Vortrags- und Diskussionsabend prägte Richters Absage zur Atomenergie. Mit einem Gedenkstein haben wir im letzten Jahr zum 40. Jahrestag daran erinnert mit der Inschrift:

8. Februar 1972 – WIDERSTAND  DER  SCHÖPFUNG  ZULIEBE – 1. Mose 2,15
Er konnte seine  Pfarrerkollegen und den Landesbischof als wichtige Mitunterstützer gewinnen. Die Evangelische Landeskirche blieb ein verlässlicher Partner der Anti-Atombewegung, dies ist auch im Archiv der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen im Rathaus von Weisweil für die Nachwelt eindrucksvoll nachzulesen. Pfarrer Günter Richter wurde zu einem sehr wichtigen Vermittler! In der Nacht vom 24./25. Februar 1975 wollte die Landesregierung mit einem harten Polizeieinsatz mit 600 Polizisten und mehreren Wasserwerfern den besetzten Bauplatz im Wyhler Wald räumen lassen. Pfarrer Richter konnte in dieser Nacht unter Einschaltung von Landesbischof Heidland und des damaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Lothar Späth  ein Blutvergießen verhindern! Aber auch in seiner Freiburger Zeit brachte er sein umfangreiches Wissen und seine Kontakte für bedeutsame Aktionen ein: Zum 20. Tschernobyl-Gedenktag gewann er die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) für einen gemeinsamen Mahnweg am 25./26. April 2006 vom Gedenkstein im Wyhler Wald zum Freiburger Münsterplatz und am 20./21. April 2007 vom Freiburger Münster bis nach Fessenheim!  Den sehr beeindruckenden und vielen noch in guter Erinnerung gebliebene  Ökumenische Gedenkgottesdienst zum 25. Jahrestag des Atomunfalls in Tschernobyl und der Atomreaktorkatastrophe von Fukushima im Freiburger Münster am Ostermontag, 25. April 2011 hat er mit dem ACK mit viel persönlichem Einsatz mitorganisiert. 

Wir danken Günter Richter und seiner Frau Ilse sowie Jean-Jacques Rettig und seiner Familie!  In seinem Gratulationsschreiben teilt uns Walter Mossmann mit: „Beide Preisträger sind eindrucksvolle Persönlichkeiten und haben ein anregendes Beispiel gegeben, ich meine: ihr Beispiel kann auch heutzutage Jüngere dazu ermutigen ,ihre eigenen Spielräume nicht immer zu unterschätzen.“

Verleihung des Klaus-Bindner-Zukunftspreises 2013 des Fördervereins Zukunftsenergien SolarRegio Kaiserstuhl e.V., Sonntag, den 14. April 2013 in 79369 Wyhl am Rhein
14.4.2013, erhard-schulz@t-online.de 

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