Kinder leiden am meisten

Die lockdown-basierte Coronapolitik trifft alle, aber keineswegs gleich. Am härtesten trifft sie Kinder aus sogenannten „schwierigen“ Verhältnissen: Prekariat, soziale Randgruppen, Migranten. Kurz: Je ärmer, je isolierter, je jünger – desto schlimmer. Solange Kitas und Schulen geschlossen sind, sind Kinder allen Problemen von Alkohol, Sucht und häuslicher Gewalt rund um die Uhr ausgesetzt. Ohne Tablet und sprachlich versierte Eltern ist Home-Schooling nicht möglich. Bleibt zu fragen, ob das stundenlange Auswendiglernen von Koran-Suren nicht sinnvoller ist als das Herumdaddeln auf der Spiele-Konsole. Kinder mit Behinderung haben unter dem Lockdown besonders zu leiden – dazu der ganz unten dokumentierte Bericht eines Lehrers.
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Angst, Gewalt, Depression, Vereinsamung, Suizid – was Lockdowns mit Kindern machen, die an den Rändern der Gesellschaft ‚daheim‘ sind, dies wird in den Medien weitgehend verschwiegen. Hauptsache, der Inzidenzwert des RKI geht unter 50 – und wenn er unter 50 ist, geht’s gerade so weiter
6.2.2021
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11 Mio Videoaufrufe zum Beendigen des Lockdowns (9.2.2021)
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Ein Erwachsener kann ein oder 1,5 Jahre abhaken. Ein Kind nicht
Münchner Kinderarzt Dr. Stefan Hammann: „Ich mache mir richtig Sorgen!“
Spüren Sie die Folgen des Lockdowns bei Ihren jungen Patienten?
Ja, sehr. Ich habe mehr Patienten mit psychosomatischen Beschwerden.
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Ich sehe viele verzweifelte Eltern und teils extrem verunsicherte Kinder oder Kinder mit Entwicklungsstörungen. Ich sehe, wie sich Entwicklungsstörungen, die früher schon da waren, extrem verschlechtern. Und dass Kinder, die auf einem guten Weg waren, Rückschritte machen, seitdem sie nicht mehr in den Kindergarten oder in die Kita gehen. Sie müssen sich das mal vorstellen: Die allerersten Erinnerungen an die Kindheit beginnen mit zweieinhalb bis drei Jahren. Das heißt zum Beispiel, dass ein heute vierjähriges Kind sein ganzes erinnerliches Leben unter Pandemiebedingungen verbracht hat. Es darf keine Kontakte haben, nicht neugierig auf andere zugehen usw.
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Sie haben auch viele Migrantenkinder in Ihrer Praxis. Wie erleben Sie die jetzt in der Pandemie?
Für sie ist es noch viel schlimmer. Sie sind dringend darauf angewiesen, Kontakte zu haben, wenn beide Eltern kein Deutsch können. Wo sollen sie jetzt Deutsch lernen?

Man schickt eine ganze Generation Kinder in die soziale Isolation, die so dringend Sozialverhalten und Deutsch lernen müsste. Die Bewegungsfreude hatte und inzwischen nur noch vor dem Handy, Tablet oder an der Spielkonsole hängt.

Stellen auch Sie fest, dass die Gewalt in Familien zugenommen hat?
Ja, ich habe mehrere Kinder notfallmäßig untersucht, die vom Jugendamt tagsüber aus ihren Familien genommen werden mussten. Das hatte ich vorher noch nie. Das ist neu.

Kann nach der Pandemie aufgeholt werden, was im vergangenen Jahr verlorengegangen ist?
Das hängt davon ab, wie wir das Ganze zu Ende bringen. Wenn wir zur Tagesordnung übergehen, werden wir die Leute abhängen. Wir müssen erkennen, dass wir eine Verpflichtung haben, nachzuholen, was in dieser Zeit verlorengegangen ist. Das sind entscheidende Jahre in vielen Altersstufen. Ein Erwachsener kann ein oder 1,5 Jahre abhaken. Ein Kind nicht.
… Alles vom 4.2.2021 bitte lesen auf
https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/muenchner-kinderarzt-ich-mache-mir-richtig-sorgen-art-703475

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Sonderschule: Unglaubliches psychisches Leid
Mein Sohn ist Lehrer an einer Schule für Kinder und Jugendliche mit einem Förderbedarf im Lern- und Leistungsbereich sowie der Sprache, der Motorik und im Verhaltens- und Sozialbereich.
Die Schüler, zwischen 10 und 14 Jahre alt, sind entweder in Heimen untergebracht oder wohnen zu Hause bei den Eltern in sozial prekären Verhältnissen. Sie benötigen eine ständige Betreuung und Anleitung, bei allem, was sie tun sollen. Sie gehen gern in die Schule und fühlen sich in der Gesellschaft ihrer Mitschüler wohl.
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Seit der angeordneten Schulschließung bekommt mein Sohn täglich Anrufe von den Schülern, in denen er versucht, ihnen zu erklären, warum sie derzeit nicht zur Schule gehen dürfen. Oft verbunden mit Trösten, weil die Kinder das nicht verstehen und weinen.
Im Rahmen der Betreuung während der Schulschließung übersendet er ihnen von zu Hause aus per Mail Lernblätter zum Ausfüllen sowie einfache Aufgaben, die sie erledigen sollen.
Manche von ihnen haben aber weder ein Smartphone noch einen PC mit Internetzugang. Also schickt er diesen Schülern die Aufgaben per Post oder bringt sie persönlich vorbei und wirft sie in den Briefkasten. Einen persönlichen Kontakt vermeidet er seit neuestem, weil sich die Kinder dann sofort an ihn klammern und nicht mehr gehen lassen wollen. Das schmerzt ihn so sehr, daß er sich zusammennehmen muß, um nicht in Tränen auszubrechen. Für einen Großteil seiner Schüler ist er der einzige Bezugspunkt, den sie haben.
Die in den Heimen untergebrachten Kinder können vom Pflegepersonal keine Hilfe erwarten, weil die Heime personell chronisch unterbesetzt sind und zum anderen die meiste Zeit für administrative Aufgaben aufgewendet werden muß. Für das Führen von Statistiken, ausfüllen von Formularen für jedes einzelne Kind, Tätigkeitsberichte usw. geht die meiste Zeit drauf.
Zudem sind diese Heime technisch schwach ausgestattet, zum Beispiel geht seit einigen Tagen der einzige Drucker nicht. Wegen der Coronavorschriften darf er die Kinder im Heim nicht persönlich kontaktieren und betreuen.
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Mein Sohn leidet sehr unter diesem Zustand. Er ist an der Grenze der psychischen Belastung angelangt. Er möchte so gerne mit den Kindern arbeiten, die lernwillig sind. Es hat lange gedauert, bis sie ihm gegenüber ihre anfängliche Kontaktscheu und Unsicherheit abgelegt haben.
Dieser erneute Lockdown fügt allen Beteiligten großes psychisches Leid zu, und vor allem wird der Lernerfolg und die positive soziale Entwicklung, die er bisher bei seinen Schülern feststellen konnte, nun gefährdet. Die Arbeitszeit, die mein Sohn in die Betreuung der Kinder investiert, wird ihm nicht angerechnet. Er investiert doppelt soviel Zeit in die Betreuung, wie er müßte, macht es aber gerne, weil er es für seine Schüler tut. Das, was er bisher an einem Vormittag mit den Schülern im Klassenzimmer gearbeitet hat, nimmt nun den ganzen Tag in Anspruch.
Helmut Weber, Surberg, 5.2.2021, SZ, 6/21, Seite 23

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Marlene Lufen (Sat.1): Folgen des Lockdowns – besonders für Kinder
Fast elf Millionen Aufrufe in sieben Tagen: In einem Instagram-Video
https://www.instagram.com/p/CKtDJhIKcf5/
spricht Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen über die psychischen und physischen Folgen des Lockdowns. Ein Post, der nicht nur oft gesehen und geteilt, sondern auch mehr als 30.000 Mal kommentiert wurde.
„Ich versuche etwas in Worte zu fassen, was mich seit sehr langer Zeit umtreibt“, beginnt die 50-Jährige das Video. Sie könne schon seit Längerem nicht mehr gut schlafen. „Ich habe das Gefühl, dass wir in zwei, drei Jahren zurückgucken auf diese Zeit und denken: Wir haben es falsch gemacht. Der Lockdown war das Falscheste, was wir hätten machen können. Zumindest über so einen langen Zeitraum.“
… Alles vom 8-2-2021 bitte lesen auf
https://www.welt.de/vermischtes/article225930235/Sat1-Marlene-Lufen-stellt-sich-nach-emotionalem-Video-zum-Lockdown-Kritikern.html
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Textausschnitte aus dem Video:
Diese Zeit lastet schwer auf uns. Auf der Suche nach dem richtigen Mittel sollten wir auch diese Zahlen kennen:
23% mehr Fälle von Gewalt an Kindern in der Gewaltambulanz der Charité im ersten Halbjahr 2020.
600.000 Kinder erleben zu Hause Schläge, Stöße und Schlimmeres. Das sind 6,5 % der Kinder in Deutschland.
461.000 Kinder haben im Jahr 2020 die „Nummer gegen Kummer“ gewählt. Allein die Online-Beratung hatte einen Zuwachs von 31% zum Vorjahr.
Diese 31% entsprechen 10.428 Kontaktaufnahmen durch Kinder und Jugendliche in Not mehr als sonst.
Die „Jugend-Notmail“ und die „Online-Jugend- und Elternberatung“ verzeichnen Steigerungen seit März 2020 um zeitweise 50 %.
2,6 Millionen Kinder leben – auch ohne Corona – mit suchtkranken Eltern unter einem Dach.
Das „Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen“ verzeichnet seit April 2020 einen sprunghaften Anstieg an Beratungen von 15-20%.
67% der Jugendlichen zwischen 18 und 24 fühlen sich zur Zeit überdurchschnittlich psychisch belastet.
800.000 Menschen leiden in Deutschland an Magersucht. 6-10% sterben daran.
Seit Herbst gibt es 10-20 % mehr Anfragen nach Therapieplätzen.
In 50% der Haushalte leben Menschen allein.
74% der an Depressionen Erkrankten geben in einer Befragung an, durch den Lockdown extrem belastet zu sein.
Armut und Existenzangst nehmen dramatisch zu.
Wir sollten die Nebenwirkungen genau berechnen und kennen, wenn wir entscheiden, ob die Verlängerung des Lockdown tatsächlich die beste Wahl im Kampf um unsere Gesundheit ist.
Bitte entschuldigt kleine Versprecher.
Quellen u.a.: SZ vom 3.12.2020, Pressestellen bmfsfj, Hilfetelefon und „Nummer gegen Kummer“, BKJ Bundesverband der Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten, Charité Gewaltambulanz, Deutsche Alzheimergesellschaft, Fachverband Sucht, Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Einslive, Prof. Dr. Thomas Huber v. Klinik am Korso, Die Zeit 17.1.2021
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https://www.instagram.com/p/CKtDJhIKcf5/, 6.2.2021

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