Kartaus-Architekten fuer moderne Streuwuerfelwiese

Unüberbietbar schöne Klötzchen – Der Architekt Peter Kulka, der nun das Umfeld der Freiburger Kartause mit zwölf Würfeln verbauen darf, scheint ein Freund dogmatischer Architekturlehre zu sein – wie so mancher seiner Kollegen im 20. und 21. Jahrhundert. Der Würfel sei die schönste Bauform der Welt, intellektuell und rein, verkündet er; und so dürfen wir uns nun von Herzen freuen, dass er das kostbarste der derzeit zur Bebauung anstehenden Freiburger Grundstücke mit unüberbietbar schönen Klötzchen schmücken wird – eine reine Freude intellektueller Klarheit und sinnlicher Reinheit. Nur schade, dass die alte Kartause so wenig diesen Maßstäben genügt, haben deren Architekten es doch geradezu in peinlicher Weise, so scheint es dem naiven Betrachter, vermieden, ihren Bauten die reine Würfelform zu geben. Nein, würde Kulka uns wohl belehren, das hätten sie zwar liebend gern getan, aber sie beherrschten leider noch nicht die Kunst, dauerhaft dichte Flachdächer zu konstruieren Das, was manche von uns – zumal bei der barocken Architektur – als fantasievolle, belebende Dachformen preisen, sei also reiner Behelf, welcher die Idealgestalt des Würfels verunklare und somit bewirke, dass die Bauten eines Balthasar Neumann oder Peter Thumb weit hinter den ewig gültigen Idealen des rein kubischen Baukörpers zurückblieben. Je länger man über Kulkas Dictum und Paralleläußerungen zeitgenössischer Architekturpäpste nachdenkt, sieht man sich in der Auffassung bestätigt, dass wir es bei diesen Herren mit Anhängern einer neuplatonischen Architekturphilosophie zu tun haben, deren Lieblingslektüre wohl der platonische Timaios ist. Den haben allerdings auch schon die Theologen der Schule von Chartres im 12. Jahrhundert eifrig studiert und mit ihren Gedanken Auftraggeber und Architekten der Kathedrale beeinflusst. Merkwürdig nur, dass sie nicht zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt sind wie Peter Kulka: Die weltberühmte Kathedrale und ihre „Schwestern“ stellen nachgerade unerträgliche Abweichungen vom Ideal des reinen Würfels dar, was gewiss auch das Freiburger Münster zu einem unvollkommenen Bauwerk macht.
Dass sie dennoch bei unzähligen Besuchern aus aller Welt Gefallen finden, muss an einem unausrottbaren Hang zum Dekorativen und oberflächlich Abwechslungsreichen beim Durchschnittsmenschen liegen, der die reine, strenge Schönheit der Würfel nur schwer erträgt. Es liegt nun auf der Hand, dass niemand aus der Freiburger Politik und Gesellschaft sich derlei Banausentum zurechnen lassen möchte; und so verwundert es nicht, dass die Kulka’schen Würfel so viel Beifall finden. Wie immer man zu dem Projekt von Peter Kulka stehen mag, die Dreisamflaneure werden vermutlich niemals die moderne Streuwürfelwiese mit der gleichen Begeisterung betrachten wie das ländlich-charmante Ambiente, das uns die gestrengen Kartäuser hinterlassen hatten.
Karl Hillebrand, Freiburg (Netzwerk Architektur und Landschaft), 29.10.2012

Würfel mit Hang zum Tanzen“ vom 19.10.2012 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/freiburg/wuerfel-mit-hang-zum-tanzen–64736408.html

 

Quadratisch, praktisch – also muss es gut sein
Der Hang in der Kartaus wird bebaut. Nun gut, ein Prestigeobjekt wie das UWC will und soll die Stadt sich nicht entgehen lassen. Muss man diese Fläche aber wirklich mit Gebäuden versehen, die schlichte Würfel sind? Kein Dach, keine Fassade, nur Betonwürfel in unterschiedlichen Größen? Begründung: Der prominente und kreative Architekt hat verlautbart, Würfel seien die „schönste Architekturform der Welt“? Wie bitte? Man stelle sich vor, am Münsterplatz oder in der Konviktstraße stünden nur Würfel – wie viele Menschen würden wohl nach Freiburg kommen, um eine solche architektonische Meisterleistung zu betrachten? Nur die unverstellte Sicht eines Architekturexperten kann wohl eine solche Gestaltung erklären. Davon versteht der einfache Betrachter einfach zu wenig. Quadratisch, praktisch, also muss es auch gut sein. Neben einem historischen Klostergebäude solche Dinger zu genehmigen, ist fragwürdig. Aber der Architekt Kulka ist sich ja der Verantwortung bewusst, wie er sagt. Gott sei Dank! Und er will, dass „die Würfel tanzen“. Na, dann können wir uns ja sicher freuen. Und ein paar Touristen kommen sicher auch zum Anschauen.
30.10.2012, Andreas Schnitzler, Freiburg

Verschandelung eines der wichtigsten zeitgeschichtlichen Denkmäler Freiburgs
Mit großem Entsetzen habe ich die Pläne der Bosch-Stiftung verfolgt, die jetzt ihre Umsetzung finden. Es bleibt mehr oder weniger schleierhaft, wie sowohl Stadt als auch Bürgerschaft die Verschandelung eines der wichtigsten zeitgeschichtlichen Denkmäler Freiburgs hinnehmen, gar unterstützen können. Die alte Kartause, 1346 errichtet, stellt für Freiburg und seinen Werdegang als Universitätsstadt und die städtebauliche Geschichte ein einzigartiges Denkmal dar. Grundsätzlich spricht nichts gegen die Stärkung des Bildungsstandorts Freiburg, dies darf jedoch nicht auf Kosten denkmalgeschützter Gebäude, beziehungsweise eines Landschaftsbildes geschehen. Genau das geschieht: An das Konventgebäude aus dem 18. Jahrhundert werden „Wohnwürfel“ aus Beton gebaut; wohl weniger eine „perfekte Form“ als eine günstige Art zu bauen. Spätestens seit den 70er Jahren sollte man gelernt haben, dass Betonwürfel weder zu Barockarchitektur passen noch die Eigenschaft besitzen zu „tanzen“, wie der Architekt stolz ankündigt. Anstatt aus Fehlern der Vorzeit zu lernen, opfert man verbliebene Freiburger Geschichte für Prestige. Schade eigentlich!
5.11.2012, Fridolin Dorwarth, Freiburg

 

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