Vor drei Jahren waren Verbraucher durch Funde eines giftigen Wildkrautes in Rucola-Salat alarmiert. Dabei handelte es sich um Blätter des Jakobskreuzkrautes, eines gelb blühenden Korbblütlers. Diese Pflanze hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark ausgebreitet – auch in Südbaden. Nun wächst die Sorge, dass ihre Inhaltsstoffe in Nahrungsmittel gelangen könnten, etwa über den Viehmagen, Bienen oder die Salatschüssel. Sorgen macht sich auch Ulrike Schelb, die zusammen mit ihrem Mann Stephan im Münstertal eine Viehhaltung im Nebenerwerb betreibt und sich im Vorstand des Landfrauenvereins engagiert. Sie beobachtet eine starke Ausbreitung der leuchtend gelben Pflanze im Münstertal an Wegrändern und immer stärker auch auf Wiesen. Alarmiert von Pferdehaltern, die bei Schelbs Heu kaufen und sich dabei vergewissern, dass das Trockenfutter kein Jakobskreuzkraut enthält, appelliert Ulrike Schelb an Grundstückseigentümer und -bewirtschafter, die Pflanze zu bekämpfen.
Giftig wirken Pyrrolizidinalkaloide (PA), die in allen Teilen des Jakobskreuzkrauts vorkommen. Das sind stickstoffhaltige organische Verbindungen, die in der Natur weit verbreitet sind. Die Pflanzen bilden sie aus, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Das funktioniert auch: Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde verschmähen beim Weiden solche Pflanzen, auch das Jakobskreuzkraut, weil sie bitter schmecken. Einige Insekten machen sich diese Wirkung zunutze, indem sie gezielt PA-haltige Pflanzen anknabbern, um sich ihre Feinde vom Leib zu halten. Toxisch wirken die Abbauprodukte, die beim Verzehr im Körper entstehen. In hoher Dosierung schädigen sie die Leber. Die Wirkung ist so stark, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung eine Nulltoleranz für Lebensmittel fordert. Auf das Vorkommen in Rucola-Salat im Sommer 2009 gibt es denn auch eine Reaktion. Gemüseerzeuger, die nach den Richtlinien des QS-Prüfzeichens und nach dem internationalen Standard der Global Partnership für Good Agricultural Practise (GLOBALG.A.P.) zertifiziert sind – was ein Muss ist bei der Vermarktung über den Lebensmittelhandel – müssen nun eine Feldbegehung vor der Ernte nachweisen. Das Risiko, dass Menschen Pyrrolizidinalkaloide auf anderem Weg aufnehmen, ist jedoch gering. Nach der Untersuchung von rund 1300 Honigsorten kommt das Bundesinstitut für Risikobewertung zum Ergebnis: Bei normalem Verbrauch besteht keine Gefahr – auch nicht über das Fleisch oder die Milch von Weidetieren.
Das Jakobskreuzkraut war ursprünglich in den gemäßigten Zonen Mitteleuropas und Asiens verbreitet, heute ist es auf allen Kontinenten präsent. Die zweijährige Pflanze bildet im ersten Vegetationsjahr die etwa 20 Zentimeter langen Grundblätter aus und im zweiten Jahr den bis zu einen Meter hohen Stängel und der typischen Schirmrispe mit vielen gelben Einzelblüten an der Spitze. Ihre Ansprüche an den Boden sind gering. Daher fühlt sie sich an Wegrändern wohl oder auch auf mageren, ungedüngten Wiesen. Auf Wiesen hingegen, die normal landwirtschaftlich genutzt, also gedüngt und regelmäßig gemäht werden, hat es keine Chance. „Das hat die Natur gut eingerichtet, weil das Jakobskreuzkraut dem Vieh schadet“, sagt Klaus Kreß, Berater für Grünlandwirtschaft in der Außenstelle Titisee-Neustadt der Abteilung Landwirtschaft im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald. Umgekehrt entstehen gute Bedingungen überall dort, wo sich die Wiesenbewirtschaftung verändert, erklärt Kreß. In der Rheinebene etwa ist die Viehhaltung nahezu verschwunden. Noch bestehende Wiesen werden oft kaum oder gar nicht gedüngt, und relativ spät gemäht. Sei es, weil das Gras eher raues Heu erbringen soll für die Fütterung von Pferden oder weil die Flächen dem Naturschutz dienen und die Pflanzen die Möglichkeit haben sollen, ausgiebig zu blühen, was Insekten nützt, und ihre Samen ausreifen zu lassen. Dichte Jakobskreuzkrautbestände hat Klaus Kreß auch schon auf Pferdekoppeln gesehen. „Weil solche Flächen oft überweidet sind. Wenn die Tiere die Gräser stark zerbeißen, kommen unerwünschte Pflanzen wie das Jakobskreuzkraut hoch“, erklärt er.
Eine allgemeine Gefahr sieht Klaus Kreß nicht. „Diese Pflanze kommt seit jeher in unseren Breiten vor. Sie hat ihre Berechtigung im Ökosystem. Man muss sie nur kennen“, sagt er. Wer sie wieder zurückdrängen will, brauche nichts weiter zu tun, als sie vor der Samenreife, am besten Anfang Juni, zu mähen oder zu mulchen. Ins Heu sollte das Jakobskreuzkraut jedenfalls nicht kommen, denn in getrocknetem Zustand schmeckt es nicht mehr bitter, ist aber noch genauso giftig. In Amerika und Australien wird das Jakobskreuzkraut übrigens als sich invasiv verbreitender Neophyt bekämpft – so wie hierzulande das indische Springkraut beispielsweise – und zwar mit einem überaus gefräßigen Käfer, der unempfindlich gegen die giftigen Inhaltsstoffe ist.
Silvia Faller, 14.7.2012
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