Israel – die einsame Demokratie

„Israel hat viele Feinde, nicht nur die Palästinenser. Neben Judenfeindschaft ist es auch ein Hass auf den Westen, der an Israel abreagiert wird. Hass auf die bürgerliche Freiheitswelt, dem Teile des rot-grünen Milieus huldigen.“ So erklärt Frank A. Meyer, der in Berlin lebende Schweizer Journalist, die immense Wucht der Parolen „Scheiß Juden“, „Juden ins Gas“, „Palestine freee, from the river to the sea“ (d.h. Israel vernichten), „Israel Kindermörder“ usw, die seit Beginn des Beschusses der Hamas-Raketen vom Gaza auf Israel auf Deutschlands Straßen gerufen werden.
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Da ist zum einen der Antisemitismus von Muslimen, die algerische, tunesische, palästinensische, syrische wie türkische Fahnen schwenken mögen, aber großenteils einen deutschen Paß haben. Der Judenhass wurde ihnen über Sozialisation und Erziehung beigebracht.
Daneben verweisen die Fahnen von linken Guppierungen und Antifa auf Demonstranten, die über den Antisemitismus hinaus ihre Kritik an Marktwirtschaft, Mittelstand und freiheitlich-demokratischer Grundordnung artikulieren.
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Zwei Gruppen von vornehmlich jungen Demonstranten – Muslime und Linke – prägen den Strassenprotest und werden immer mehr und lauter. Weil sie es dürfen, da die Polizei auch aus Angst immer weniger einschreitet. Und weil sie die Mainstreammedien an ihrer Seite wissen – schließlich wird „Scheiß Jude“ in Deutschland 2021 als „antiisraelischer Protest“ (Spiegel, Faz, Zeit et al) verharmlost und wörtlich nicht einmal genannt.
Der von Meyer festgestellte „Hass auf die bürgerliche Freiheitswelt, dem Teile des rot-grünen Milieus huldigen“ scheint sich mit dem Hass der Muslime auf Juden und Israel zu verbinden.

Israel und Deutschland sind beide demokratische Rechtsstaaten und müßten sich eigentlich gegenseitig unterstützen. Israel hat Deutschland immer beigestanden, man denke nur an die Zeit der Wiedervereinigung um 1989. Deutschland hingegen tut es immer weniger.
18.5.2021

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Die einsame Demokratie – Israel im Nahostkonflikt
Israel hat viele Feinde, nicht nur die Palästinenser. Neben Judenfeindschaft ist es auch ein Hass auf den Westen, der an Israel abreagiert wird. Hass auf die bürgerliche Freiheitswelt, dem Teile des rot-grünen Milieus huldigen.
Ja, Israel macht Fehler. Innenpolitisch. Außenpolitisch. Vermutlich war auch die Behändigung von palästinensischen Wohnungen in Ostjerusalem ein Fehler. Allerdings werden sie von jüdischen Bürgern nicht ohne rechtliche Argumente für sich reklamiert. Der juristische Streit wird jetzt vor einem Gericht ausgetragen.

Ja, Israel ist ein Rechtsstaat. Mit einer funktionierenden und deshalb unabhängigen Justiz. Gerade muss sich der Regierungschef wegen des Vorwurfs der Korruption vor Gericht verantworten.

Ja, Israel ist eine Demokratie. Vor kurzem wurde gewählt. Ohne klares Ergebnis für eine Regierungsbildung. Vielleicht müssen die Wähler demnächst erneut an die Urne. Zwanzig Prozent von ihnen sind israelische Bürger arabischer Herkunft.
Ja, Israel ist ein Unikum in der muslimischen Welt des Nahen Ostens. Seit dreiundsiebzig Jahren gibt es diesen demokratischen Rechtsstaat, gegründet in den historischen Stammlanden der Juden. Nach muslimischer Meinung soll es diesen demokratischen Rechtsstaat seit dreiundsiebzig Jahren nicht geben – nach Meinung der Staaten, die Israel direkt oder indirekt umgeben.

Ja, Israel ist ein Staat westlicher Werte, wurzelnd in westlicher Entwicklung, von der Aufklärung bis zur sozialkapitalistischen Postmoderne. Die Kapitale Tel Aviv atmet die Luft der offenen Gesellschaft wie Zürich, Paris, Berlin, London, New York – republikanisch-freiheitliches Durcheinander, also Versuch und Irrtum in Politik, Wirtschaft, Kultur, deshalb auch beeindruckend erfolgreich.

Israel zählt – übrigens mit der Schweiz – zu den kompetitivsten Nationen der Welt. Ist das auszuhalten für die Muslime, für die Nachbarn Israels, die außer Öl und Gas und touristischen Luxusresorts kaum etwas anzubieten haben? Ist das auszuhalten für die Palästinenser, die ihren Lebensraum mit den wissenschaftlichen, wirtschaftlichen Weltmeistern zu teilen haben – und beim Blick über die Grenze feststellen, was die dort können und sie nicht dürfen?

Palästinenser dürfen nicht frei sein
Nicht dürfen? Der Islam verhindert die Emanzipation von Frauen und Männern zu aufgeklärten und säkularen, zu eigenständigen und eigenverantwortlichen Individuen. Die Palästinenserinnen und Palästinenser dürfen nicht frei sein. Es wäre Verrat an der Religion. So bleibt Israel allein, ohne den natürlichen Austausch mit seinen Nachbarn, die ihrerseits interessiert sein müssten an den immensen Kompetenzen des jüdischen Staates. Das Alleinsein in feindlicher Umwelt, in vernichtungsbereiter Umwelt dauert nunmehr drei Generationen.

Und immer noch ist Israel eine funktionierende freiheitliche Demokratie: voller Debatten unter Demokraten – voller Kritik und Selbstkritik. Welche Nation wäre das noch nach zwei großen Kriegen, angezettelt von aggressiven Nachbarn, nach nie abreißender Bedrohung durch Terroristen von der Hisbollah über die Hamas bis zur iranischen Staatsführung, nach ständigem Gewaltgeschehen an der Grenze, nach militärischen Vergeltungsmaßnahmen sonder Zahl, gelungenen wie misslungenen? Das Volk von neun Millionen, auf einem Territorium halb so groß wie die Schweiz und mitten im Feindesland gelegen, lässt sich nichts gefallen – wohl wissend, dass jedes Zeichen von Schwäche die Vernichtung seiner Existenz zur Folge hätte.

Israel hat viele Feinde
Auch sind seine Feinde nicht nur im Umland angesiedelt. Sie vernetzen sich weltweit, vor allem in der Uno, deren Menschenrechtsrat Israel zwischen 2006 und 2021 neunzigmal verurteilt hat – Nordkorea dreizehnmal, China und Russland nie. Hinzu kommen Feinde Israels in Europa. Sie zogen diese Woche mit militanten muslimischen Migranten vor Synagogen und verbrannten Fahnen des verhassten Staates. Ist es klassischer Antisemitismus, der da seine Bühne findet?
Es ist, neben Judenfeindschaft, auch Hass auf den Westen, der an Israel abreagiert wird: Hass auf die bürgerliche Freiheitswelt, dem Teile des rot-grünen Milieus huldigen – selbstverständlich unter ausgiebiger Nutzung eben dieser bürgerlichen Freiheiten. In Tel Aviv flüchten derweil die Menschen in die Schutzräume, wenn die Raketen der Hamas einschlagen – ziellos und damit gezielt gegen Zivilisten.

Propaganda-Sieg für die Hamas
Berichtet wird in den europäischen Großmedien akribisch über die Opfer von Israels Gegenschlägen, die ebenfalls Zivilisten treffen, darunter Kinder. Die Terrororganisation Hamas beutet die ungewollten Opfer israelischer Gewalt seit jeher zynisch aus: Die bösen Bilder sind ihr Propaganda-Sieg in einem Krieg, den sie nicht gewinnen kann. Wer sich bemüßigt fühlt, empörte Kritik an der israelischen Politik zu üben, der setze sich in Zürich, Paris, Berlin, London oder New York vor ein Café und stelle sich vor – eine Hamas-Rakete schlägt ein. Und noch eine und noch eine und noch eine. Er stelle sich ferner vor, Gewalt und Hass bedrohten sein Land seit drei Generationen. Wer wagte zu behaupten, sein demokratischer Rechtsstaat bliebe unter solchem Druck ein demokratischer Rechtsstaat – dreiundsiebzig Jahre unbeugsam und voller Leben? Wie Israel!
Alles vom 18.5.2021 von Frank A. Meyer bitte lesen auf
https://www.cicero.de/aussenpolitik/nahostkonflikt-die-einsame-demokratie

Frank A. Meyer ist Journalist und Kolumnist des Magazins Cicero. Er arbeitet seit vielen Jahren für den Ringier-Verlag und lebt in Berlin.
Trifft den Nagel auf den Kopf.

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