Insektensterben 75 Prozent

In 30 Jahren schrumpfte der Bestand geflügelter Insekten um mehr als drei Viertel. Noch vor wenigen Jahren war nach der Autofahrt von Heidelberg nach Freiburg die Windschutzscheibe voll von Insekten – heute bleibt sie sauber. Noch vor wenigen Jahren vollführten die Rotschwänzchen im Garten waghalsige Flugsaltos, um nach Insekten zu schnappen – heute picken sie am Boden oder sind einfach weg.

Rückgang der Insekten über Jahre hinweg
BZ: Der Bauerverband kritisiert, dass die Studie ausschließlich in Schutzgebieten stattfand.
Klein: Es gäbe noch viel mehr Kritikpunkte zu finden, die findet man bei jeder wissenschaftlichen Studie. Es ist aber die erste Studie, die den Rückgang über Insekten über Jahre hinweg zeigt. Sollen wir jetzt ein optimales Studiendesign machen, 30 Jahre weiter forschen, bis wir dann endlich sagen können „Jetzt wissen wir es ganz genau“? Für manche Arten wird es dann wohl zu spät sein. Wären die Daten nicht in Schutzgebieten, sondern beispielsweise in einem Maisfeld gesammelt worden, hätten wir dort vielleicht einen geringeren Schwund. Aber nur, weil dort schon immer weniger Arten waren. Dazu kämen noch die ganzen Schädlinge, die dann auch zur reinen Biomasse zählen. Das Argument des Bauernverbandes kann das Ergebnis der Studie nicht entkräften.
…. Alles vom 20.10.2017 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/panorama/freiburger-forscherin-ueber-die-studie-zum-insektensterben–143694500.html

Keine Larve kann diese Prozedur überleben
Der stumme Frühling ist da. Das große Sterben. Vogelarten sterben. Und neu verarmte Landschaften. Schon im Artenschutzreport 2015 ist die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten gefährdet. Die Ursache ist doch bekannt, sie ist hausgemacht. Umweltschutz? Jeder könnte, sofern er wollte, dabei sein. Steinvorgärten, blütenfreie Rasen und Zäune, versiegelte betonierte Flächen. Immer mehr Wohnungen müssen gebaut werden. Früher gab es noch Ziergärten, gab es Straßenborde, die erst gemäht wurden, wenn sich die Wildblumen ausgesät hatten.
Heute werden die Straßenborde allesamt mit Mulchmaschinen bearbeitet. Ob Wiesen oder Waldwege – es wird gemulcht, und zwar rigoros. Kein Insekt, kein Käferlein, Schmetterlinge, keine noch so wichtige Larve kann diese Prozedur überleben. Sie werden regelrecht und allzu oft regelmäßig geschreddert. Früher, als normal die Borde mit dem Mäher geschnitten wurden, war es für die Insekten schon schwierig, heute geht es ihnen an den Kragen. Dabei sind sie für viele Tiere die Hauptnahrungsquelle. Kaum jemand bemerkt das Sterben. Doch, die Vögel, die im Frühling verstummen. Sie brauchen für die Aufzucht Insekten. Die Bienen, denen die Wiesenblumen als Nektarspender fehlen. Die Schmetterlinge, Tagfalter, Hummeln, Wespen, Schwebfliegen und viele andere, die sonst noch unsere Natur bereichern: Ihnen wird die Nahrungsgrundlage genommen. Und ich frage mich: Was ist mit den sonst streng geschützten Eidechsen? Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass nunmehr vereinzelt ganze Wiesen mit Mulchgeräten bearbeitet werden. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass die Bewirtschaftung so einfacher und effizienter ist. Die entsprechenden Maschinen sind zu erwerben und müssen sich amortisieren. Doch viel zu oft, sobald sich wieder kleine Blüten zeigen, wird wieder gemulcht und Artenvielfalt zerstört. Je ausgeklügelter und technisch aufgerüstete Maschinen eingesetzt werden, umso mehr hat die Natur das Nachsehen.
Es stimmt mich einfach traurig, und ich hoffe doch sehr, dass, um die Artenvielfalt zu erhalten, diese Methode der Bearbeitung, wenigstens entlang der Straßen, Bäche, Waldwege, und sonstigen Wiesenraine, geändert wird. Es sind im Vergleich zu den Flächen, die die Erwerbslandwirtschaft mit ihren Monokulturen bewirtschaftet, kleinste Nischen. In der Summe jedoch summieren sich diese. Ich appelliere an alle, die eine Verantwortung tragen, seien es Kommunen, Landratsämter, Imker, Verbände. Es wäre so einfach, wenn nicht so oft und mit dieser für die Artenvielfalt dramatischen Methode gearbeitet und gehandelt würde.
10.11.2017, Heidrun Wahler, Lörrach
Im Namen der stummen Natur: Helfen Sie ihr zu überleben!
Bei der Suche nach den Verursachern des gravierenden Rückgangs der Insektenpopulationen erscheint es mir nicht zielführend, reflexartig pauschal die Landwirtschaft als Sündenbock zu brandmarken.
Die hierzulande verbreitete auf hohe Erträge ausgerichtete Form der konventionellen Agrarwirtschaft wird durch eine Gesellschaft befördert, deren Menschen entweder finanziell nicht in der Lage oder auf Grund anderer persönlicher Prioritäten nicht willens sind, erheblich höhere Preise für ökologischer, damit aber kostenintensiver produzierte Lebensmittel zu akzeptieren. Sie wird auch praktiziert, weil die Gesellschaft den Landwirten immer mehr Agrarflächen zugunsten von Bau- und Verkehrsflächen abringt.
Weiterhin ist Mitverursacher des Insektenrückgangs auch eine Gesellschaft, die es in Kauf nimmt, dass viele private und auch öffentliche Grundeigentümer innerorts immer mehr Grünflächen und Vorgärten entweder asphaltieren und betonieren oder sie mehr oder weniger hässlich einschottern und einkiesen, anstatt sie vorwiegend mit einheimischen Gras- und Blumenarten, Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen.
Das Wissen, dass eine artenreiche Pflanzenwelt die Grundlage aller Artenvielfalt der Tierwelt auf unserem Planeten darstellt, scheint bei vielen Menschen, auch bei Entscheidungsträgern, in dieser zunehmend digitalisierten, technisierten und ökonomisierten Welt immer weniger existent und aus dem Bewusstsein geraten zu sein. Die Insekten und Vögel zeigen uns untrüglich an, ob wir verantwortungsvoll und nachhaltig mit unserer wichtigsten Ressource Vegetation umgehen – und zwar vor Ort, regional und global. Dabei wird man künftig den Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzenwelt ein ganz besonderes Augenmerk widmen müssen, um einem unerwarteten Kollaps ganzer Ökosysteme rechtzeitig vorbeugen zu können.
Als Entscheidungsgrundlage für geeignete Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt sollten für alle wichtigen Pflanzen- und Tiergruppen flächendeckende repräsentative Monitoringsysteme eingerichtet, optimiert und vernetzt werden.
6.11.2017, Dr. Hansjochen Schröter, Kirchzarten

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