Husemann-Klinik: Neubau kalt

Das Michaelhaus der Friedrich-Husemann-Klinik in BuchenbachWiesneck wurde durch einen Neubau ersetzt. Darüber sind alle, mit denen ich sprach, entsetzt, da der mächtige einförmige Klotz so gar nicht zur anthroposophischen Psychiatrie und Rudolf Steiner’s Welt passen will. Das idyllisch am Fuße der Wiesneck gelegene Klinik-Ensemble umfaßt zahlreiche Gebäude, für die doch eher gilt: kleinteilig, unregelmäßig, verstreut, rund, eckig, oval, schräg, farbig, hölzern, naturnah. Beispiel: Die Gärtnerei Echinos hat ein Dach mit sechs verschieden geneigten Flächen, hurra!
Das 2018 abgerissene Michaelhaus mag ein Zweckbau der 1960er Jahre gewesen sein, aber man erkennt doch Dachüberstände, Versätze, Gaupen groß und klein, Balkone, Überdachungen, Fenster und Fernsterchen. Unregelmäßigkeit.
Das neue Michaelhaus hingegen wirkt monoton, öde, kalt, abweisend und trist. Ein Flachdach-Riegel, der dem Johanneshaus Sicht nimmt und Schatten aufzwingt. Patienten („Mein Name tut nichts zur Sache“) drücken es so aus:
„Ich glaube immer, da fehlt das Dach“
„Die Farbe blendet mich eigentlich“
„Viele gleiche Fenster wie Augen, die mich alle anstarren und löchern.“
„Das schönste sind noch die Container der Arbeiter da vor dem Neubau. Oh je, wenn die erst mal weg sind.“

husemann-klinik151025               husemann-michaelhaus201912046
Michaelhaus alt am 25.10.2015                   Michaelhaus neu am 4.12.2019
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Die Ankündigung vom 14.6.2017 klingt heute wie Hohn: „… erläutert, sei bei der Heilung von psychischen Erkrankungen das räumliche Umfeld für den Patienten von großer Bedeutung. Für die parkähnliche Anlage der anthroposophisch orientierten Friedrich-Husemann-Klinik wurde ein Baukörper entwickelt, der sich seiner Umgebung anpasst und diese einbezieht.“ https://www.badische-zeitung.de/neubau-ersetzt-bisheriges-michaelhaus–138047046.html
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Warum wurde hier gebaut, was anscheinend niemandem gefällt?
Ich höre die üblichen Entschuldigungen: Stuttgart hat die Teil-Finanzierung des Neubaus (8,8 von 16 Mio Euro) mit entspr. Bauvorschriften verknüpft: Sicherheit der Bewohner und Einsparen an Energie (dies hat aber doch nichts mit Wohlfühlambiente zu tun). Es muß preiswert gebaut werden (seit wann steht Ästhetik – Kreativität und Pfiffigkeit der Architekten vorausgesetzt – im Widerspruch zum Kostensparen). Mehrere kleine Gebäude statt ein großer Bau nicht möglich, da zu viele Verbindungswege erforderlich seien (geht doch, siehe die am Hang gelegenen Würfel des UWC-College an der Kartaus).
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Was tun mit diesem seelenlosen Neubau des Michaelhauses? Vier Vorschläge:
Man sollte Lüftelsmaler aus Mittenwald oder Ligurien beauftragen, Gesimse , die dritte Dimension und „Interessantes“ auf die Fassage zu malen.
Friedensreich Hundertwasser wieder auferstehen lassen, damit er den Bauten etwas zum Anschauen im Sinne von „Du, guck mal dort“ verleiht.
Gärtner von Echinos ans Werk lassen, damit Efeu, Wilder Wein, Glyzinie, Hortensie, duftendes Geißblatt hochklettern und ranken, um die kargen Flächen zu bedecken und Leben in die tote Fassade zu bringen.
Den unteren 1,50 m hohen Sockel den Patienten freigeben, damit sie dort mit Pinsel und Sprayer (Graffiti) das Gebäude in ihrem Sinne verschönern.

Kleiner Exkurs: In dieser modernen Bauweise spiegelt sich unser Zeitgeist (neudeutsch Mainstream) wider mit seiner Bildungslosigkeit (Pisa), Gleichmacherei (das Ungleiche könnte ja durch seine Ungleichheit als Diffamierung aufgefaßt werden), Mutlosigkeit (Verantwortung), Angst (schuldbeladene „German Angst“) bis hin zu Panik (Greta’s Klima-Weltuntergang naht und wird diesmal nicht verschoben).
Diese moderne Bauweise mag man noch nicht mal als Architektur bezeichnen. denn sie strahlt nichts aus, drückt nichts aus, allenfalls Einfallslosigkeit, Monotonie, Leere. Sie entspricht unserer Zeit der rasant abnehmenden Bildung, ist unge“bild“et, nicht mal mißgebildet, nicht mal häßlich. Man scheut sich, von einem häßlichen Klotz zu sprechen. Ihr fehlt alles, was dem Auge gut tut: Unregelmäigkeit, das Filigrane und Verspielte, Türmchen, Dachüberstand, „rund, oval, eckig, schräg“, Abwechslung, Kleinteiligkeit, Kontraste, Natur (und sei’s nur ein Vogelnest). Da gibt es nichts zu entdecken. was verborgen sein könnte bzw. sich hinten anstellt. Da gibts nicht viele vorne und hinten, hell und dunkel, Diese Bauweise demonstriert Langeweile, sie „hängt sich selbst zum Hals heraus“ (Kästner). Sie gibt keine Antwort, allenfalls die heutige, Dummheit verratende Standardantwort „keine Ahnung“. Die moderne Bauweise ist nicht mal zweckmäßig, sie hat keinerlei Alleinstellungsmerkmal. Gleichheit allüberall – wenn es 5 Türen gibt, sind alle gleich; wenn es 50 Türen gibt, ebenso. Allenfalls ist eine Türe rot und die andere blau.
Das Michelshaus hat nach Süden 3 mal 9 = 27 Fenster, alle gleich: „Ich wohne als Patient hinter dem Fenster in der 2. Reihe, das 5. Fenster von links)“.
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Der Husemann-Neubau ist kein Einzelfall. Siehe die Business-Meile in der Heinrich-von-Stephan-Strasse nahe Freiburg Hbf, oder die Heinrich-Heine-Strasse/Kreuzsteinäcker in FR-Littenweiler. Christine van Herk hat Kirchzartens Ortskern deutlich als „einfallslosen architektonischen Einheitsbrei“ beschrieben. Wir haben 75 Jahre Frieden und können hier lange suchen, was die Architektur in diesen 75 Jahren als „neue Moderne“ außer Einheitsbrei hervorgebracht hat. Wo sind die architektonischen Highlights im Dreisamtal der letzten 75 Jahre? Das Kurhaus von Kirchzarten etwa, oder das Schulzentrum? – sicher nicht.
Als ansprechender Neubau fällt mir nur das Gebäude der Fa Wandres in Buchenbach-Wagensteig ein (im Stil eines Schwarzwaldhauses). Die übrigen ansprechenden „Neubauten“ sind Sanierungen alter Gebäude: Birkenhof-WG, Fußehof (Geroldstal) , Kartaus, Klosterscheune (Oberried), Rainhofscheune, Rummlerhof (Dietenbach), Talvogtei, Hirschen (Ebnet). Viele davon wurden von der Firma Sutter3KG saniert.
Vielleicht entdeckt man ja im Zuge von Nachhaltigkeit und Fortschritten im mehrgeschossigen Holzbau das Schrägdach als unseren geograhischen Breiten entsprechende Dachform wieder. Es ist doch so einfach: Man kombinieren Sattel-, Walm und Mansardedächer, und erhält so eine abwechslungsreiche Dachlandschaft, die für Auge wie Nutzung interessant ist. Dazwischen ist noch ein kleines Flachdach gestattet – aber voll begehbar für Begrünung, Kräutergarten und Relax.
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Das neue Michaelhaus der Friedrich-Husemann-Klinik zählt zu den Anywheres und nicht zu den Somewheres, ist also nicht ortsgebunden konzipiert – es könnte genauso gut im Gewerbegebiet Oberried (als Bürogebäude) stehen, in Freiburg-Zähringen (als Boarding-House), in Feldberg-Falkau als Ferienwohnungsdomizil für den Kapitalanleger oder am Autobahnzubringer Mitte bei Lehen (als P&R Parkhaus).
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Nach so viel Kritik (Kennzeichen der Demokratie) zum Abschluß dennoch ein Wort des Trostes:
Das Dreisamtal als Talstern mit 15 Seitentälern (kennen Sie diese?) beschert uns eine Landschaft, die so lieblich und abwechslungsreich ist, dass sie die coolsten, übelsten Neubauten zu ummanteln vermag. Wenn aber die Bausünden zur Dominanz anschwellen, was dann ….?
5.12.2019

https://www.freiburg-schwarzwald.de/friedrich-husemann-klinik.htm (Archivseite)
https://www.freiburg-dreisamtal.de/wiesneck.htm (Archivseite)
https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/wiesneck

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