Hinterzarten – Breitnau: Wind

Die Bürgermeister Klaus-Michael Tatsch von Hinterzarten und Josef Haberstroh von Breitnau im Interview. Dreisamtäler: Herr Tatsch, Herr Haberstroh, landauf, landab sind die Kommunen dabei, den Windenergie-Erlass der Landesregierung umzusetzen. Ziel des Erlasses sind 1200 zusätzliche Windräder in Baden-Württemberg bis 2020 um die Energiewende voranzutreiben. Ganz entscheidend hierbei ist, dass die Planungshoheit weg von den Regierungspräsidien hin zu den Kommunen verlagert wurde. Deshalb laufen in allen Gemeinden derzeit Flächennutzungsplanverfahren für Windkraftstandorte, auch in Hinterzarten und Breitnau!
Tatsch: Es plant jedoch nicht jede einzelne Gemeinde für sich. Für die Aufstellung des „Flächennutzungsplanes Windenergie“ haben wir den „Planungsverband Windenergie Hochschwarzwald“ mit neun Hochschwarzwaldgemeinden gegründet, dem auch Hinterzarten und Breitnau angehören. Wir haben uns am 5. November 2012 gegründet und am 4. Dezember wurde der Aufstellungsbeschluss für den „Teilflächennutzungsplan Windenergie“ gefasst. Damit wird die Planung angestoßen und wir haben damit die Möglichkeit, eingehende Anträge solange zurückzustellen, bis die Planung abgeschlossen ist. Dieses Verfahren so ist nötig, weil sonst die Gefahr von Wildwuchs besteht. Es ist ein demokratisches Verfahren, bei dem die Bürger informiert und angehört werden. Momentan werden in allen Gemeinderäten die möglichen Flächen diskutiert.

Dreisamtäler: Wie steht Breitnau zur Windkraft?
Haberstroh: Wir haben in Breitnau eine durchaus positive Grundhaltung zum Thema Windkraft, jedoch unter der Prämisse, dass die Räder eine Gesamthöhe von 100 Metern nicht überschreiten. Zum Vergleich: das schon bestehende Windrad in Breitnau ist 33 Meter hoch. Was wir uns schlicht nicht vorstellen können, das sind diese 200-Meter-Giga-Anlagen und deshalb versuchen wir das mit einer Begrenzung zu steuern. Denn solche Riesenräder sind regelrechte Industrieanlagen, die nicht in den Schwarzwald passen und das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Die Begrenzung auf 100 Meter, das ist ganz klar eine Einschränkung, die auch die Wirtschaftlichkeit tangiert. Ich gehe davon aus, dass Großinvestoren sich dann nicht mehr für unsere Standorte interessieren. Interessant bleiben sie allerdings für Bürgerenergievereine oder -genossenschaften.
Ich empfinde eine solche Beschränkung als gesundes Augenmaß. Wir wollen es gerne etwas bescheidener und das zeichnet uns als Ort auch aus.

Dreisamtäler: Wo könnten in Breitnau Windmühlen stehen?
Haberstroh: Als Standort kommt einmal der Haldenbuck in Frage, also dort wo schon ein Windrad steht. In unmittelbarer Nähe, dem Hohwart, hat das Dreisamtal auch Anlagen anvisiert. Ein weiterer Standort ist die Weißtannenhöhe.

Dreisamtäler: Wie sieht es Hinterzarten in aus?
Tatsch: Der Gemeinderat – inklusive Bürgermeister – lehnt die Nutzung von Windkraft auf Hinterzartener Gemarkung einstimmig ab. Wir sind der Meinung, dass Windkraft für den Tourismus kontraproduktiv ist und in Hinterzarten keine geeigneten Flächen vorhanden sind. Eine von der Windhöfigkeit mögliche Fläche wäre der Windeckkopf. Da die Windräder aber bis zu 200 Meter hoch sein können – diese Höhe ist der eher schlechten Windhöfigkeit im Vergleich zum Norden geschuldet – , wären die Rotoren immer zu sehen, das haben wir visualisieren lassen. Sie wären ein Störfaktor und zwar nicht nur tags, sondern auch nachts durch die roten Signallichter. Sie würden das Landschaftsbild empfindlich stören und der Landschafts- und Naturschutz ist für Hinterzarten ein hohes Gut und das wollen wir nicht ohne Not aufgeben!
Momentan ist der Windeckkopf jedoch noch in die Planung einbezogen. Die einzelnen Gemeinderäte geben ihr Votum dazu ab, die Bürger können ihre Anregungen und Bedenken dazu einbringen und sämtliche Flächen werden noch einmal überprüft. Im Übrigen haben wir auch gegen Rotoren auf dem Hinterwaldkopf im Rahmen des „Flächennutzungsplanverfahrens Dreisamtal“ Einspruch eingelegt. Wir sind der Meinung dass die Sichtachse zum Feldberg erhalten bleiben muss.

Aktiver Klimaschutz. Dreisamtäler: Wenn keine Windmühlen – was tut Hinterzarten sonst für den Klimaschutz?
Tatsch: Was das angeht, so bin ich von einer kürzlich getroffenen Gemeinderatsentscheidung sehr enttäuscht. Die Gemeindeverwaltung hatte sich um Zuschüsse des Landes für die Umstellung der Straßenbeleuchtung in Hinterzarten auf LED gekümmert und tatsächlich einen positiven Bescheid bekommen. Der Gemeinderat jedoch lehnt diese Umstellung ab.
Für mich ist diese Entscheidung sehr bedauerlich.
Wir alle wollen die Energiewende. Aber es ist schon die Frage, wie wir sie umsetzen. Windkraft wollen wir zwar schon, aber nicht hier bei uns. Aber unseren Beitrag leisten müssen wir schon.
Ich habe argumentiert, dass wir mit der Umstellung auf LED den CO2-Ausstoß in Hinterzarten reduzieren würden, dass wir Energie einsparen und damit auch einen Beitrag zur Energiewende leisten würden, das Klimaschutz ein wichtiges Kriterium unseres Prädikates „Premium-Luftkurort“ ist … ich konnte den Gemeinderat jedoch nicht überzeugen.
Dreisamtäler: Was sind die Gegen-Argumente?
Tatsch: Es sind vor allem haushaltspolitische! Die Umstellung kostet 190.000,- Euro. Wir bekämen 46.000,- Euro an Zuschüssen und müssten dann noch einen Kredit von 150.000,- Euro aufnehmen. Und das ist es, was der Gemeinderat ablehnt, weil die Gemeinde Hinterzarten finanziell nicht so gut da steht.
Den Kredit aber nicht aufzunehmen ist sehr kurz gedacht. Denn letztlich würden unsere Gesamtausgaben trotz Kapitaldienst sinken, weil wir jährlich über 30.000,- Euro an Stromkosten einsparen würden. Und da sind wahrscheinliche Strompreiserhöhungen nicht eingerechnet. Was natürlich auch weh tut: wir verschenken Geld, weil wir Zuschussgelder nicht abrufen. Ich verstehe diese Gemeinderatsentscheidung nicht, aber das Thema ist erst einmal abgehakt.
Der Gemeinderat hat aber noch viele weitere „Baustellen“: bei unseren gemeindeeigenen Gebäuden besteht für Sanierung, Wärmedämmung und Energienutzungseffizienz ein hoher Investitionsbedarf. Allein die anstehende Kurhaussanierung, die dringend nötig ist, wird mit zwei Millionen zu Buche schlagen. Da geht es ebenfalls um energetische und bauliche Sanierung und um Brandschutz. Und nicht zuletzt wird auch die geplante Gemeinschaftsschule Investitionen auslösen. Sie sehen, es kommt noch viel Arbeit auf uns zu!

Dreisamtäler: Breitnau ist Bioenergiedorf am Start. Sind Sie inzwischen weitergekommen?
Haberstroh: Das sind wir! Unser Nahwärmeprojekt befindet sich in der Umsetzungphase. Die Realisierung dieses Projekts ist der Bürgerenergie-Genossenschaft Breitnau und deren Vorständen zu verdanken, allen voran Eugen Ketterer, Thomas Schuler und August Maier, die mit ihrem immensen Engagement die Sache vorangetrieben haben! Ein Teil der Leitungen liegt, das Dach auf der Heizzentrale wird demnächst gedeckt und die Brenner können dann eingebaut werden. Der Wintereinbruch verzögert die Bauarbeiten, aber es arbeiten alle mit Hochdruck dran, das Heizwerk in Betrieb zu nehmen.
Dreisamtäler: Wer sind die Abnehmer der Nahwärme?
Haberstroh: Hauptabnehmer ist das Haus Breitnau der BASF, dazu kommen sechs kommunale und mit Kirche, Pfarrhof und Pfarrhaus drei kirchliche Gebäude. Hinzu kommen noch private Abnehmer. Insgesamt sind es derzeit 58 Wärmeabnehmer.
Dreisamtäler: Wie ist das Heizwerk konzipiert, wie wird es betrieben?
Haberstroh: Es gibt zwei Heizkessel: ein Blockheizkraftwerk (BHKW), das mit Biomethangas betrieben wird und Strom und Wärme produziert, und einen Hackschnitzelkessel, der mit Hackschnitzel der Region gespeist wird. Das BHKW wird ganzjährig in Betrieb sein, der Hackschnitzelkessel nur im Winter. Mit diesem Nahwärmeprojekt bleibt ein Großteil der Wertschöpfung im Dorf, es wird mit regenerativen Energien betrieben und langfristig bin ich überzeugt davon, dass es auch wirtschaftlich sein wird, sich an das Nahwärmenetz anzuschließen. Wenn man sich die Chronologie der letzten Jahre in Bezug auf den Gas- und Ölpreis anschaut, dann gehe ich davon aus, dass wir die Wärme, die hier vor Ort regenerativ erzeugt wurde, billiger herstellen können als mit fossilen Energieträgern.

Dreisamtäler: Herr Tatsch, ist die Parkraumbewirtschaftung noch ein Thema?
Tatsch: Wir haben kürzlich im Gemeinderat Bilanz gezogen. Durch die Parkraumbewirtschaftung haben wir Einnahmen von über 100.000,- Euro zuzüglich der Einnahmen aus Verwarnungen. Die anfängliche Aufregung hat sich gelegt, das Parken im Bereich der Freiburger Straße, wo das Parken bis zu eineinhalb Stunden gebührenfrei ist, ist geordneter und die Fluktuation ist größer, was den Geschäftsleuten entgegenkommt.
Der Verein für Handel, Handwerk und Gewerbe hat sich nicht für die Abschaffung der Gebühren ausgesprochen und der Gemeinderat hat die Beibehaltung der Bewirtschaftung einstimmig bestätigt und dem Gemeindehaushalt tun die zusätzlichen Einnahmen gut!
Dreisamtäler: Meine Herren, ich danke für das Gespräch!
Mit den Bürgermeistern Klaus-Michael Tatsch, Hinterzarten, und Josef Haberstroh, Breitnau, unterhielt sich Dagmar Engesser, 12.12.2012, www.dreisamtaeler.de

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