Henri Down-Syndrom Inklusion

Henri aus Walldorf hat Down-Syndrom, wurde in einer regulären Grundschule unterrichtet und soll auf Wunsch der Eltern nun auf dem Gymnasium inklusiv unterrichtet werden, da seine Freunde auch auf diese Schule wechseln. Henri  hätte dort ein anderes Lernziel als das Abitur. Nach Ablehnung durch Gymnasium wie auch Realschule fühlen sich die Eltern diskriminiert.

 

Henri darf weder auf Gymnasium noch Realschule
Wie die schulische Zukunft des geistig behinderten Schülers Henri aus Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis) weitergeht, ist noch immer offen. Nach einem Gymnasium weigert sich nun auch die Realschule in demselben Schulzentrum, den Jungen nach den Sommerferien in der fünften Klasse aufzunehmen. . …
Alles vom 16.5.2015 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/wir-sind-sehr-traurig-ueber-diese-weitere-diskriminierung-unseres-sohnes

Sonderschulen sind doch kein Ort der Ausgrenzung
Der Lehrerverband VBE sieht die Sonderschule durch den Fall Henri in ein schlechtes Licht verunglimpft: Mit ihren Fördermöglichkeiten sind Sonderschulen ein Baustein zur Integration Behinderter und kein Ort der Ausgrenzung. Wenn die Eltern mit der Brechstange versuchen, ihren Henri auf Regelschulen ohne entsprechende Fördermöglichkeiten unterzubringen, „werden benachteiligte Kinder noch einmal benachteiligt“, so der VBE. Ca 3/4 der Kinder mit Förderbedarf besuchen eine Sonderschule, aber nur jedes vierte Kind eine Regelschule. Um das in Deutschland etablierte System von Sonderschulen werden wir in aller Welt beneidet. Henri beherrscht auch nach der 4.Klasse nicht alle Buchstaben des Alphabets. Man sollte sein Wohl in den Mittelpunkt stellen und mithilfe der Sonderschulen die Förderung nutzen, die ihm einen geeigneten Einstieg ins Berufsleben eröffnet.
16.5.2014, A. Hildebrandt

Nicht alle müssen auf denselben Baum klettern

Was die Eltern und Unterstützer dieses Kindes offensichtlich nicht verstehen, ist, dass die Gleichwertigkeit eines jeden Menschen nicht bedeutet, dass man an alle die gleichen Maßstäbe anlegen kann. Dieses Verhalten erinnert mich an eine Karikatur zum Thema Gerechtigkeit: Damit alle Tiere (Affe, Hund, Katze, Fisch usw.) die gleiche Chance haben, sollen alle am gleichen Wettbewerb teilnehmen, sie sollen auf einen Baum klettern. Den Eltern ist zu wünschen, dass sie ihr Kind lieben und schätzen (lernen), ohne dass es ein Abitur hat. Das geht, ich weiß das aus eigener Erfahung.
15.5.2014, Linus Brandt

Kind nicht permanent in die Medien zerren
Der gesunde Menschenverstand sieht Inklusion GEISTIG Behinderter ganz eindeutig in der Gemeinschaftsschule und nicht im Gymnasium. Aber dort möchte Henris Mutter ja den Jungen nicht einschulen. In der Gemeinschaftsschule müssen die entsprechenden Angebote und Strukturen geschaffen werden, um alle Kinder ihren Fähigkeiten nach beschulen zu können. Das Gymnasium ist für Kinder mit den besten Lernfähigkeiten da. Sie glauben doch nicht im Ernst daran, dass Henri dort glücklich würde? Wenn man keine Begabtenförderung in dieser Form mehr möchte, dann ist die Lösung, das Gymnasium abzuschaffen und alle Schüler in der Gemeinschaftsschule zu unterrichten. Aber nicht, im Gymnasium Kinder zu unterrichten, die nicht die aller kleinste Chance haben, dem Unterricht zu folgen. Hier wird nur auf Prinzipien und Grundsätzen herumgeritten, statt sich darüber zu unterhalten, wie man die Gemeinschaftsschule finanziell und personell ausstatten muss und wie die Lehrerbildung reformiert werden muss, um eine sinnvolle Inklusion zu ermöglichen.  Und die Eltern sollten endlich aufhören, das Kind permanent in die Medien zu zerren. Das ist furchtbar.
15.5.2014

Präzedenzfälle beingen die Inklusion endlich ins Rollen
Henri „sollte“ oder „muss“ überhaupt gar nicht in eine Förderschule. Er hat nach geltendem Recht die Wahlfreiheit: Er kann in eine Sondereinrichtung, wenn man zu dem Schluss kommt, dass dies das Beste für ihn ist. Ich will und kann hier nicht darüber befinden, ob das der Fall wäre oder nicht.
Das „Wohl des Kindes“ kann ein Argument für die eine wie auch die andere Richtung sein! Das ist individuell zu beurteilen. Ein Bestandsschutz für Sondereinrichtungen (Sie schreiben: „teure Einrichtungen“) darf auf keinen Fall die Motivation für Förderbeschulung sein.
Ihre „allernächste Erfahrung“ ist typisch für Deutschland: Ja, hierzulande geht es allzu vielen behinderten Kindern an Regelschulen wirklich nicht prächtig. Das liegt aber daran, dass Deutschland sich bildungspolitisch noch im 18. oder 19. Jahrhundert befindet. Schauen Sie nach Skandinavien oder Südtirol: Dort ist die schulische Inklusion z.T. seit Jahrzehnten selbstverständlich und funktioniert prächtig. Und dort ist es auch nicht mehr das einzige Ziel, dass alle Schüler denselben gemeinsamen Abschluss machen, sondern dass sie die Werte einer sozialen und inklusiven Gesellschaft zu leben lernen. Und die Schüler dort sind fachlich kein bisschen ungebildeter als hierzulande.
Ob es Henri persönlich gut tut, als Präzedenzfall und „bunter Hund“ zu fungieren, darf in der Tat bezweifelt werden.
Andererseits ist es allerhöchste Zeit, solche Präzedenzfälle zu schaffen, damit die Inklusion endlich wirklich ins Rollen kommt. Irgendjemand muss wohl leider das Opfer bringen, die verkrusteten Strukturen unseres überkommenen Schulsystems aufzubrechen. Reine Theorie wird nie so wirkmächtig sein können, es bedarf konkreter Menschen und Biographien, die das auf sich nehmen.
16.5.2014, Kai Fischer
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Grüne wollen Sonderschulen abschaffen – Vorwurf von Monika Stolz
Als Beleg führte Monika Stolz die Position der Landesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik der Grünen zur Inklusion an. Danach seien „die sogenannten Schulkindergärten und Sonderschulen“ mit der einschlägigen Uno-Behindertenrechtskonvention „nicht vereinbar. Sie sind eine pädagogische Fehlentwicklung.“ Ihre Auflösung müsste schrittweise erfolgen. Für Stolz verbirgt sich hinter dieser „grünen Bevormundungspolitik“ eine „völlige Missachtung der hervorragenden sonderpädagogischen Arbeit, eine Diffamierung der Lehrer und Blindheit gegenüber jenen Kindern, die dort besser aufgehoben sind“….
Alles vom 15.5.2014 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/plaedoyers-fuer-sonderschule–84839259.html

Die richtige Entscheidung
Henri wäre an Gymnasium oder Realschule fortlaufend mit vielen entmutigenden Situationen konfrontiert worden, bedingt durch seine eigene begrenzte Leistungsfähigkeit. Im geschützten Raum der Sonderschule ist diese Gefahr geringer, drei von vier Betroffenen wählen nicht zuletzt deshalb diesen Weg. Der Fehler von Henris Eltern aber ist nicht etwa die falsche Wahl von Schule oder Schulart, die eine optimale, zieldifferenzierte Förderung einfach nicht leisten kann. Sondern das grelle Schlaglicht, in das sie ihr Kind gezerrt haben. ….
Alles vom 17.5.2014 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/kommentar-die-richtige-entscheidung-x2x–84957389.html
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Sonderschule als Schutzraum
Die Mehrheit der Eltern der rund 500.000 Kinder mit besonderem Förderbedarf bevorzugt immer noch die Förderschulen, mit guten Gründen. Zwar machen die Schüler dort selten einen regulären Schulabschluss, dafür schätzen viele die Sonderschule als Schutzraum – der Personalschlüssel ist besser, der Konkurrenzdruck fehlt. ….
Alles vom 19.5.2014 bitte lesen auf
https://www.spiegel.de/kultur/tv/inklusion-jauch-talk-ueber-den-fall-henri-a-970134.html#js-article-comments-box-pager

Eine Mutter muss sich profilieren
Unfassbar, wie viel Aufhebens um diese Sache gemacht wird, nur weil eine Mutter meint, sich darüber profilieren zu müssen. Der Junge hat (leider) einfach nicht die Fähigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Wie diskriminierend wäre es dann gegenüber allen Nicht-Behinderten, die nicht aufs Gymnasium können/dürfen eigentlich, ihn trotzdem aufs Gymnasium wechseln zu lassen. Außerdem kommt dann noch die Tatsache hinzu, dass die 29 anderen Schüler, die in seiner Klasse wären, definitiv noch kürzer kommen würden als es jetzt schon der Fall ist. Ein behindertes Kind braucht nun mal mehr Aufmerksamkeit, erst recht, wenn es sowieso überfordert ist. Ich denke auch nicht, dass dem Jungen bzw. Behinderten allgemein damit gedient ist, ihn aus Mitleid (und um nichts anderes geht es hier…) in ein unverdientes und vor allem überforderndes Umfeld hineinzuzwängen. Von daher finde ich die Entscheidung des Lehrerkollegiums richtig und gleichzeitig mutig. Schule ist zu allererst ein Ort des Lernens und nicht des Kuschelig-alle-haben-sich-lieb-und-tanzen-Namen-Seins. Dafür gibt es außerschulische Clubs, Aktivitäten, etc… Wäre mein (hypothetisches) Kind behindert, würde ich niemals versuchen, ihn oder sie in eine Schule zu stecken wo er/sie nicht hineinpasst/hingehört.
19.5.2014, B.Baum
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Geht es mehr um den Ehrgeiz der Mutter als um das Wohl des Kindes?
Seine Mutter hat Henri zum bekanntesten Elfjährigen Deutschlands mit Downsyndrom gemacht. Aber: „Längst nicht alle Eltern in Henris Klasse unterstützen das Anliegen seiner Mutter. Von der kämpferischen Juristin fühlen sich viele gegen ihren Willen vereinnahmt. …. Auch am Gymnasium Walldorf ist man über die von Kirsten Ehrhardt entfachte Medienkampagne bestürzt. Als inklusionsfeindlich wurde die Schule dargestellt“, so Ulrich Schnabel in „Warum die Geschichte von Henri nicht typisch für die Inklusion ist“, Die Zeit 22.Mai 2014, S. 35, www.zeit.de

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Das Sonderschulwesen in Baden-Württemberg ist eine wertvolle Errungenschaft
Die Sonderschulen ermöglichen jedem Kind eine individuelle Förderung mit hervorragend geschultem Personal, kleinen Klassen und einer homogenen Schülerschaft. Kinder von Sonderschulen können jederzeit in Regelschulen umgeschult werden – wenn sie dem Bildungsniveau folgen können. Dieses Recht hat jedes behinderte Kind! Aber es ist doch einleuchtend, dass die Bildungsstandards der jeweiligen Lehrpläne noch eine Bedeutung im Unterricht haben müssen.
Die Feststellung des „sonderpädagogischen Förderbedarfs“ ist keine Diskriminierung, sondern genau das Gegenteil: Das Kind hat ein Recht auf eine ihm gerecht werdende Bildung in einer dafür materiell wie personell ausgestatteten Einrichtung. Weiter gedacht: auch das Recht auf eine Sonderberufsschule, die es ohne Hauptschulabschluss besuchen darf. Und bei Menschen mit geistiger Behinderung: sogar das Recht auf einen Arbeitsplatz in einer Werkstatt! Auch die UN-Behindertenkonvention widerspricht dem Sonderschulwesen nicht. Viele meiner Schüler haben die Anforderungen einer Hauptschule nicht bewältigen können. Sie haben nach der Förderschule eine Reha-Ausbildung an einer Sonderberufsschule gemacht und sind nun inkludiert. Die Sonderschule hat sie voll inkludiert, nicht diskriminiert. Wenn ein Schüler die Anforderungen eines Bildungsplans erfüllen kann, darf er diese Schule besuchen und hat ein Recht darauf. Auch die Sonderschule hat gute Bildungsangebote. Was die gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen angeht: Begegnungsprojekte gibt es im Land viele. Ob die Schule der Ort sein muss, an dem behinderte Kinder zum sozialen Lerngegenstand für nichtbehinderte Kinder werden müssen, stelle ich mit Nachdruck in Frage.
30.5.2014, Oliver Pichler, Sonderschullehrer, Meßkirch

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