Heimat-Tour Fidelius Waldvogel

Heute werde ich auf dem Königstiger durch den Schwarzwald reiten. Von Kirchzarten nach St. Märgen und bis zum Thurner. Der Königstiger, das ist ein alter Eicher-Traktor in Blaugrau, Baujahr 1968, mit unter Last zuschaltbarem Allrad und luftgekühlt. „Ein typischer Schwarzwälder vom Charakter her. Und das, obwohl er eigentlich aus Bayern stammt“, sagt mein Chauffeur Fidelius Waldvogel. Der ist selber ein Schwarzwälder, wie er uriger nicht sein könnte. Angetan mit Zimmermannshut, Karohemd und Kniebundhose startet er an diesem Tag seine Heimattour, eine 14-tägige Reise vom Dreisamtal über die Westhänge des Schwarzwalds bis nach Karlsruhe. Wo er abends Station macht, präsentiert er sein Kabarettprogramm „Nächste Ausfahrt Heimat!“. Über den schwäbischen Teil des Schwarzwaldes geht es dann zurück in den Hochschwarzwald nach Breitnau.
Von dort kommt er nämlich: Hier wohnt der Schauspieler Martin Wangler, der die Kunstfigur Fidelius Waldvogel verkörpert, mit seiner Familie. Fidelius’ Heimat während der Tour ist ein zur Bühne umgebauter Waldarbeiterwagen, innen bestens ausgestattet mit Tisch, Bett, Küche und Hygienezone, wie er stolz erklärt. An der Decke baumeln Schwarzwälder Schinken, Würste, ein Bund Karotten und Kräuter, Proviant für unterwegs. „De erschde Breitnauer Zigiiner bin y“, sagt Waldvogel, er habe sogar extra einen Reisegewerbeschein beantragen müssen, damit auch alles seine Richtigkeit habe.
Bevor die Fahrt beginnt, befestigt Fidelius Waldvogel einen kleinen Bildschirm am Lenker, der ihm das Bild der Kamera von der Rückseite des Bauwagens liefert. Den Strom dafür produzieren ein kleines Windrad und ein Solarpaneel auf dem Dach. Ich sitze auf, Fidelius startet denMotor, der bollert ziemlich laut und los geht es durchs Dreisamtal, vorbei an freundlich winkenden Leuten über Buchenbach und das Wagensteigtal hinauf nach St. Märgen. Schon blitzen die Doppeltürme des barocken Klosters hervor, als Fidelius den Schlepper anhält. Er will Kühe fotografieren für seine „Rindvieh-Wahl“. Die Fotos stellt er auf seine Website www.heimat-tour-2017.de – jeder darf hier über das schönste Rindvieh abstimmen.
Die Hengststation der Schwarzwälder Kaltblutpferde bei der Weißtannenhalle ist das nächste Ziel. Hier hat sich Fideliusmit Karl-Heinz Behler verabredet, dem Pferdezuchtwart der Außenstelle des Landesgestüts Marbach. Solche Stopps gehören zum Konzept der Heimattour dazu. Was Fidelius unterwegs erlebt, wird mit der Kamera festgehalten und als Video-Clip im Internet gezeigt. Wie schon bei seiner ersten Heimattour 2016 filmt ihn der Fotograf Sebastian Wehrle „ussem Simmiswald“, also aus Simonswald, der sich mit Fotos von neu inszenierten Schwarzwaldtrachten einen Namen gemacht hat. Wehrle stößt bei der Hengststation dazu und Pferdezuchtwart Behler zeigt die vier Deckhengste Dony, Markus, Rosenkavalier und Wildbach, allesamt prächtige Exemplare der Schwarzwälder Pferderasse, die vor etwa 50 Jahren vom Aussterben bedroht war. Heute ist das Schwarzwälder Kaltblut ein beliebtes Reit- und Kutschenpferd, Züchter aus ganz Deutschland bringen ihre Stuten nach St. Märgen,um sie decken zulassen. „Mein Onkel Albert hatte Schwarzwälder Füchse, ich kenne sie seit meiner Kindheit. Sie spiegeln den Charakter des Wälders wider: Sie sind willig, kräftig, untersetzt, und wenn man ihnen dumm kommt, kann man sich an ihnen die Zähne ausbeißen“, sagt Fidelius. Heute passiert das allerdings nicht, wir sind sogar auf eine Kutschfahrt im Zweispänner rund um St. Märgen eingeladen. Dann geht es weiter, Fidelius hat an diesem Tag noch die Strecke bis Schönwald vor sich, wo er am Abend auf dem Farnbauernhof gastiert. Dieser Familienferien-Bauernhof liegt im Außenbereich von Schönwald beim Rohrhardsberg. Die Mutterkuhherde weidet im Sommer draußen, deshalb kann der große Laufstall als Veranstaltungshalle genutzt werden. Rappelvoll ist sie, die Gäste sitzen an Bierbänken, Traktor und Bühnenwagen sind aufgebaut.
„Sin Hochdütsche da?“, fragt Fidelius Waldvogel zu Beginn des Programms und rät den wenigen, gleich heimzufahren. „Was isch eigentlich Heimat?“, sinniert er und gibt selbst die Antwort: „Heimat isch do, wo mer verstande wird, au wenn mer nix sait“ und spielt damit auf die Wortkargheit der Wälder an. Er selbst zählt allerdings nicht zu denen, denen man die Wörter einzeln aus der Nase ziehen muss. Wortgewaltig schlägt er den Bogen von der großen Politik bis zur Anleitung, wie man richtig Speck isst, und führt das sogleich vor. Bei aller Komik und allem Humor hat er auch eine Botschaft: Fidelius Waldvogel fordert den echten Schwarzwald. Er kritisiert Geiz und Gier, beklagt, dass das Schweinefleisch für den Schwarzwälder Schinken aus Norddeutschland, Polen und Dänemark kommt,und singt das Lied vom Schwarzwaldbauern, der wegen der billigen Milch erst den Hof und dann sich selbst an den Nagel hängt. „In Dütschland heißt’s uffpasst bim Thema Heimet un Tradition, des isch die erschte Chrischdepflicht“, sagt er, „jeder Mensch, egal welcher Hutfarb, Herkunft un Religion, bruucht en Ort, der Heimet für ihn isch.“
6.8.2017, Gabriele Hennicke, www.der-sonntag.de

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Gabriele Hennicke war einen Tag mit Fidelius Waldvogel auf dem Schlepper unterwegs
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SEINE HEIMATTOUR führt Fidelius Waldvogel derzeit von Dobel nach Rothaus. … die nächsten Stationen sind WeilerKönigsfeld (10. August), Unterkirnach (11. August), Bräunlingen (12. August) und Rothaus(13. August). Termine und Karten sowie Videos, Bilder und weitere Informationen finden sich auf der Webseite www.heimat-tour-2017.de

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