Hauptmann von Koepenick

Ein nachdenklicher Hauptmann: Am 15. und 16.3.2014 um 19 Uhr führte die Ökumenische Theatergruppe unter Leitung von Thomas Schelenz den „Hauptmann von Köpenick“ im Gemeindesaal der Auferstehungskirche FR-Littenweiler auf. Zuckmayers Stück wird gern eine Komödie genannt. Stimmt, es ist eine Komödie, aber gelacht wird aus Verlegenheit. Die Zuschauer möchten dem armen Schuster Voigt so gerne helfen, sie können es aber ebenso wenig wie er sich selber helfen kann. Das Gelächter als Fluchtversuch aus tragischer Ausweglosigkeit – so scheint es die Ökumenische Theatergruppe gesehen zu haben. Denn der Hauptmann erschien auf anrührende Weise nachdenklich: ein glaubwürdiger Mensch, keine Karikatur. Ja, sicher: Bloße Uniformen sind heute kein Signal mehr für ziviles
Strammstehen, von Knöpfen und Schulterstücken geht kaum noch Faszination aus. Aber wenn man das Stück so inszeniert, wie es in der Auferstehungskirche zu sehen gewesen ist, bekommt es seine überraschende Aktualität zurück: Da gerät einer in mitmenschliche Eiszeit und in die gnadenlose Mühle der Bürokratie. Heutzutage könnte das vielleicht ein Asylant sein, jedenfalls einer, der ein neues Leben beginnen will und keine Chance bekommt. Nicht mit Redlichkeit und auch nicht mit dem Uniform-Trick erlangt er die Grundausstattung eines menschenwürdigen Lebens: den Pass und den Arbeitsplatz. Ist denn da niemand, der ihn versteht?
Nein, sie wuseln alle nur um ihn herum in ihrer Selbstverliebtheit. Lauter Charakterstudien bekam man zu sehen: Den Kumpel Kalle, pfiffig, aber zynisch. Die Uniformschneider, sehr originell, aber tricksend aufs Geschäft bedacht. Offiziere und Bürgermeisterehepaar, alle nur eitel und egoistisch. Ein Chor, der bekannte Schlager der 20-er Jahre an Wilhelm Voigts Nöten vorbeisingt. Ein kokettes armes Liebchen vom Strich. Pastor und Gefängnisdirektor, beide nur pathetische Phrasendrescher. Schwester und Schwager: lieb, aber spießig und begriffsstutzig … Ein bunter, vom Regisseur gut geführter Reigen, in dem der arme Schuster Wilhelm  Voigt wie ein Solitär herumirrt, immer falsch oder gar nicht verstanden. Hat  die kleine sterbenskranke Untermieterin vielleicht als einzige erkannt, was ihm fehlt? Diese Szene, in der Voigt endlich einmal nicht einsam ist, bleibt dem Zuschauer besonders im Gedächtnis. Und es steckt ihm noch im  Halse, das Gelächter Voigts am Schluss vor dem Spiegel. Bleibt der  Dank, ein großer, an die ganze Theatergruppe, ihren Regisseur, an den Bühnenbildner, die Musik und an alle Helfer hinter und auf der Bühne. Mit dieser unter riesigen Anstrengungen erarbeiteten Doppelaufführung haben sie den Besuchern eine nachdenkliche, vergnügliche Freude gemacht und (nicht zuletzt) einen beträchtlichen Beitrag zur Finanzierung des Gemeindeprojekts „Fogarasch“ eingespielt.
20.3.2014, Reinhard Jung

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