Hauptfriedhof Naju Lebensraum

Der Hauptfriedhof ist nicht nur ein Ort, an dem unzählige Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben: Vielen Pflanzen und Tieren bietet er darüber hinaus ein Zuhause. Auffälligste Tiergruppe sind die Vögel, um sie kümmert sich die Kinder- und Jugendgruppe des Freiburger Naturschutzbundes (Naju). Bei der Nistkästen-Kontrolle stoßen die Nachwuchs-Umweltschützer immer häufiger auf tote Jungvögel. Dafür dürften mehrere Gründe verantwortlich sein. Neugierig suchen Malte Mohrbacher (12), Micha Conrady (8) und Moritz Herlyn (9) bei der Naju-Aktion auf dem Hauptfriedhof zwischen den Gräbern nach Spuren des Lebens. Und sie werden fündig: Eine Feuerwanze, die es sich in einem leeren Schneckenhaus gemütlich gemacht hat, fällt den Jungs ebenso auf wie Efeubeeren: „Sie sind im Winter eine wichtige Nahrung für Vögel“, erklärt ihnen Gisela Friederich, die langjährige Leiterin der Naju.

Besonderes Interesse gilt an diesem Tag den 40 Nistkästen auf dem Gelände der parkähnlichen Anlage: Sie müssen gesäubert werden, damit Meisen und Co. im Frühjahr dort wieder neue Nester errichten können. Seit 26 Jahren nimmt sich die Naju dieser Arbeit an, wofür die Kinder auch von der Stadt gelobt werden: „Die jungen Naturschützer tragen dazu bei, dass der Hauptfriedhof ein wichtiger Lebensraum ist“, betont der stellvertretende Leiter des Garten- und Tiefbauamts, Martin Leser. Viele Besucher würden den Friedhof als Ort schätzen, an dem sich die Natur gut beobachten lässt. Gleich beim Öffnen des ersten Nistkastens erleben die Kinder jedoch eine traurige Überraschung: Zum Vorschein kommen nämlich alte Eier und mehrere tote Kohlmeisen-Jungvögel, die erst kurz vor dem Ausfliegen gestorben sein müssen. „Leider kommt so etwas immer häufiger vor“, klagt Gisela Friederich. Die pensionierte Biologie-Lehrerin ist daher auch nicht sonderlich erstaunt, als in der nächsten Nisthilfe abermals verlassene Eier gefunden werden, diesmal vom Kleiber: „Seit 2008 haben wir in diesem Kasten nämlich kontinuierlich Fehlbruten“, entnimmt sie ihren Aufzeichnungen.
Mögliche Gründe für den zunehmenden Trend an verlassenen Gelegen und toten Jungvögeln gibt es mehrere. So dürften Störungen während der Brutaufzucht und Nahrungsknappheit ebenso eine Rolle spielen wie Beutegreifer: etwa Marder und Katzen, denen die Elterntiere während der Fütterungsperiode zum Opfer fallen. Für wesentlich hält Gisela Friederich den Einsatz von giftigem Schneckenkorn und anderen Pestiziden: „Obwohl das laut Friedhofssatzung verboten ist, greifen manche Leute wohl immer noch auf diese Mittel zurück“, vermutet sie. Um Klarheit zu erhalten, sollen die gefundenen Kadaver nun im Tierhygienischen Institut untersucht werden.
Angesichts der toten Jungvögel ist auch Bernhard Keller, Leiter des Eigenbetriebs Friedhöfe, beunruhigt: „Wir sind sehr an den Untersuchungsergebnissen interessiert“, betont er. Allerdings glaube er nicht, dass die Totfunde mit Schneckenkorn zu tun haben, da dies nicht zum Nahrungsspektrum von Meisen gehöre.
Indes hält man bei der Stadt einen Zusammenhang mit den Raupen des Buchsbaumzünslers für möglich: Deren Futterpflanze, der Buchsbaum, besitzt nämlich giftige Inhaltsstoffe, die von den Raupen beim Fressen aufgenommen werden und über die Nahrungskette möglicherweise auch an Vögel weitergegeben werden. Zudem, so Rathaussprecher Toni Klein, sei nicht auszuschließen, dass die bei der Zünsler-Bekämpfung eingesetzten Spritzmittel für die toten Jungvögel verantwortlich sein könnten.
16.1.2013, Andreas Braun

Lebensraum Hauptfriedhof
Der 27 Hektar große Freiburger Hauptfriedhof wurde 1872 gegründet und verfügt über knapp 35000 Grabstellen. Jährlich gibt es dort zirka 1000 Bestattungen. Als innerstädtische Grünfläche hat er zugleich auch wichtige ökologische Funktionen: Beispielsweise als Staub- und Lärmfilter, der das Klima der umliegenden Wohngebiete positiv beeinflusst. Außerdem beherbergt der Hauptfriedhof eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt: Allein rund hundert Moosarten und rund 30 bis 35 Brutvogelarten kommen dort vor. Da die Tiere die Nähe des Menschen gewohnt sind, lassen sich viele von ihnen – etwa Eichhörnchen – gut beobachten. 

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