EU-Zentralstaat

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Waldrappe in Hödingen nahe Überlingen/Bodensee 2021

 

Die EU-Kommission praktiziert einen permanenten Staatsstreich
Prof. Markus C. Kerber warnt im Interview mit eXXpressTV vor einer Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der EU. Genau das habe die EU-Kommission nämlich vor. In Fragen der Sicherheit und der Außenpolitik könnten dann andere Staaten wie Österreich einfach überstimmt werden. Es wäre das Ende der staatlichen Souveränität. Es drohe eine EU-Diktatur, die demokratisch nicht legitimiert ist. Prof. Kerber lehrt Finanzwissenschaften und Wirtschaftspolitik an der TU-Berlin.
https://www.youtube.com/watch?v=IdLqgUwUX3E&t=1s

Prof. Kerber: „EU praktiziert permanenten Staatsstreich gegen nationale Demokratien“
Die Europäische Kommission „bewegt sich eindeutig in Richtung einer Brüsseler Diktatur“, warnt Prof. Markus C. Kerber auf eXXpressTV. Jede Krise, ob Corona oder Ukraine, wird als Vorwand zur Ausweitung der Macht genutzt. Eine Hüterin der Verträge sei die EU-Kommission schon lange nicht mehr.

Die Europäische Kommission und insbesondere der EU-Beauftragte für Außenpolitik Josep Borrell „möchten ihre Zentralmacht vergrößern. Deshalb benutzen sie jede Krise – ob Pandemie oder Ukraine-Krieg – als Vorwand um ihre Zentralgewalt zu stärken“, kritisiert Prof. Kerber im TV-Gespräch mit eXXpress-Redakteur Stefan Beig. Eigenmächtig entschied Borrell etwa mit Hilfe der EU-Friedensfazilität, die eigentlich Friedenseinsätze finanzieren sollte, die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Ebenso sei es „skandalös, dass Frau von der Leyen permanent nach Kiew fliegt, gekleidet in den Farben der Ukraine, und erklärt: Die Ukraine wird EU-Mitglied. Das ist eine Fragestellung, die Frau von der Leyen gar nichts angeht. Ausschließlich Mitglieder des Staatenbundes entscheiden, ob sie ein weiteres Mitglied und noch dazu ein so problematisches Mitglied aufnehmen wollen.“

Mit ihren 27 Mitgliedern sei die EU kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund mit souveränen Mitgliedstaaten, die „notwendigerweise völlig unterschiedliche Interessen haben“. Deshalb sei es schon Unsinn gewesen, der EU-Kommission im Lissabon-Vertrag die Definitionsmacht über das allgemeine europäische Interesse einzuräumen. „Denn es gibt ein solches allgemeines europäisches Interesse überhaupt nicht. Man kann bestenfalls Kompromisse zustande bringen.“

Die Europäische Kommission hat ihre eigentliche Aufgabe, Hüterin der Verträge zu sein, schon längst aufgegeben. „Sie bewegt sich eindeutig in Richtung einer Brüsseler Diktatur.“ Für Kerber steht fest: „Was die Kommission plant und praktiziert, ist permanenter Staatsstreich gegen die nationalen Demokratien, begleitet von einem europäischen Diskurs, der sagt: Wer das nicht mitmacht, der ist gegen Europa.“

Obwohl es ihr nicht erlaubt ist, versucht die EU überdies, Steuern einzuheben. Sie tat es aber bereits insgeheim mit dem Wiederaufbaufonds „A New Generation EU“, der die wirtschaftlichen Folgen der Covid-Pandemie eindämmen soll. „Das sind natürlich verkappte Steuern. Damit ist zum ersten Mal ein großvolumiges Schuldenpaket von 800 Milliarden Euro geschnürt worden – das ganz katastrophal läuft, weil die Europäische Kommission die Verteilung der Mittel gar nicht bewältigen kann. Sie werden es auch nicht bewältigen können bei der Refinanzierung. Zwischenzeitlich haben sich die Zinsen erhöht.“
…. Alles vom 14.10.2023 bitte lesen auf
https://exxpress.at/prof-kerber-eu-praktiziert-permanenten-staatstreich-gegen-nationale-demokratien/

 

Gauweiler: EU will demokratische Verfassungen ihrer Mitgliedsstaaten aushebeln
Der Anwalt und frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler über den Versuch der Institutionen in Brüssel, einen Zentralstaat zu schaffen – und warum der Versuch trotzdem scheitern wird.
it seiner Klage gegen das Anleihenkauf-Programm der EZB vor dem Bundesverfassungsgericht löste Peter Gauweiler 2020 ein politisches und juristisches Beben aus: Das Gericht gab ihm Recht und forderte von der Zentralbank zumindest eine Erläuterung ihrer Geldpolitik. Für die EU-Kommission war das schon zu viel. Sie überzog die Bundesrepublik mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Das Ziel der Strafaktion besteht darin, das Bundesverfassungsgericht dem Europäischen Gerichtshof zu unterwerfen und die Bundesrepublik faktisch zu einem EU-Bundesstaat zu machen. Ein ganz ähnlicher Konflikt brach letzte Woche zwischen Polen und der EU auf: Dort entschied das Verfassungsgericht, Teile des EU-Rechts seien nicht mit nationalem Recht vereinbar. Im Konflikt, so die Richter, stehe das Recht aus Brüssel nicht über dem polnischen. Obwohl Deutschland grundsätzlich im gleichen Konflikt wie Polen steht, schlugen sich fast alle deutschen Medien auf die Seite der EU-Kommission.
Gauweiler sieht in dem EU-Vorgehen das Fernziel, Brüssel zur „ultimativ letzten Instanz des Kontinents“ zu machen, „einer Art heiligem Stuhl im Weltlichen“. Und er erklärt im Gespräch mit TE auch, warum trotzdem jeder Versuch scheitern muss, Europa in die Form eines Zentralstaats zu pressen.

TE: Herr Gauweiler, als Sie im Sommer 2020 vor dem Bundeverfassungsgericht ein Urteil gegen den unbegrenzten Anleihen-Kauf der Europäischen Zentralbank erzwungen hatten – haben Sie es damals für möglich gehalten, dass daraus noch ein viel größerer Rechtsstreit entstehen könnte? Denn wegen dieses Urteils aus Karlsruhe setzte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Gang mit dem Ziel, wie der frühere Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle glaubt, den europäischen Zentralstaat auf kaltem Weg zu erzwingen. Wie auch immer diese Auseinandersetzung ausgeht, Sie haben Rechtsgeschichte geschrieben.
Peter Gauweiler: Das Urteil selbst ist mittlerweile Rechtsgeschichte als erste Ultra-vires-Entscheidung. Also die Feststellung, dass ein bestimmtes Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Deutschland nicht angewendet werden darf, weil es gegen das Grundgesetz verstößt. Was das deshalb von der EU-Kommission eingeleitete sogenannte „Vertragsverletzungsverfahren“ angeht: Mich hat überrascht, dass sich die EU eine so klare Intervention von oben ohne vielfache Absicherung traute. Aber am Ende wird dieser Streit nicht politisch ausgetragen werden, sondern in der wechselseitigen Beteuerung von Missverständnissen versandeln.

TE: Welche Position wollen die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof gegenüber Deutschland eigentlich durchsetzen?
Dass die EU die demokratischen Verfassungen ihrer Mitgliedsstaaten zur Gänze aushebeln kann, dass sie als Instanz über dem Volkswillen der Mitgliedsstaaten steht und dass sie die ultimativ letzte Instanz des Kontinents wird, eine Art heiliger Stuhl im Weltlichen, wie im Mittelalter vor der Reformation.
Das sieht man juristisch auch an einem leider überhaupt nicht beachteten ganz anderen Umstand. Im Jahr 2007 war im Lissabon-Vertrag noch vereinbart worden, dass die Europäische Union in ihrer Gesamtheit der Europäischen Menschenrechtskonvention beitritt und sich als Institution in ihrer Gesamtheit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unterwirft. Dieser Beitritt wird bis heute EU-intern nicht ratifiziert. Warum? Weil ein EU-internes „Gutachten“ angeblich belegt, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg seine Urteile nicht durch den dann übergeordneten Europäischen Menschenrechts-gerichtshof in Straßburg überprüfen lassen darf. Das aktuelle Vertragsverletzungsverfahren der Kommission ist ein Feldzeichen dieses Absolutheitsanspruchs.

Nun geht ja die Bundesregierung davon aus, dass der Konflikt über den Anleihenkauf, um den es vor dem Bundesverfassungsgericht ging, mittlerweile durch Erklärungen der EZB beigelegt ist. Sehen Sie das auch so?
Das, was das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2020 in Sachen Anleihenkauf verlangt hat, war ja nicht spektakulär. Spektakulär war, dass vom deutschen Verfassungsgericht ein bereits ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs als nicht mehr nachvollziehbar und objektiv willkürlich bezeichnet wurde. Inhaltlich gefordert hatte das BVerfG lediglich, dass die Bundesregierung darauf drängen müsse angesichts der Riesensummen, die im Spiel sind, bestimmte Abwägungsprozesse vom Rat der Europäischen Zentralbank durchführen zu lassen, die mit den währungspolitischen Zielen in Beziehung zu setzen und zu dokumentieren wären.
Diese Abwägung soll die Auswirkungen des Ankaufprogramms auf Staatsverschuldung, Sparguthaben, Altersvorsorge, Immobilienpreise, das Überleben wirtschaftlich nicht überlebensfähiger Unternehmen beinhalten. Das ist angesichts der Riesensummen, um die es geht, ja nicht gerade viel verlangt. „Abwägen“ gehörte für jede nicht willkürlich handelnde Körperschaft eigentlich zum Tagesgeschäft. Mittlerweile gibt es eine Erklärung des EZB-Rats an die Bundesregierung, dass diese Aufgabe nunmehr erledigt sei. Ich als Kläger halte diese EZB-Erklärung für provokativ-unpräzise und inhaltlich viel zu unklar und unverständlich, als dass man darin eine korrekte Erledigung der höchstrichterlichen Vorgabe aus Deutschland sehen könnte.

Die Bundesregierung scheint das anders zu sehen.
Die Bundesregierung verlässt sich auf das Wort der EZB und der Frau Lagarde und sagt: Jetzt lasst es aber genug sein. Große Teile der demokratischen Öffentlichkeit halten das für Leichtsinn, weil uns allen Lagardes programmatischer Satz als französische Finanzministerin in den Knochen steckt, sie habe alle juristischen Regeln, die es zu brechen gab, auch tatsächlich gebrochen, um den Euro zu retten. Was wiegt also die mündliche Versicherung dieser Frau?

Was will die EU-Kommission mit ihrem Vertragsverletzungsverfahren konkret erreichen?
Andere Länder einschüchtern und Stimmung machen, vor allem das deutsche Verfassungsrecht außer Kraft setzen, wonach über die Auslegung des Grundgesetzes in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Nicht mehr und nicht weniger: das demokratische System der Grundgesetze unter die EU-Prämisse zu stellen und als erstes die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die in Deutschland Gesetzeskraft haben, zu zerbröseln. Mit diesem Angriff auf die Kompetenz-Kompetenz werden die Geschäftsgrundlage des gesamten EU-Vertragswerks und seine Architektur auf den Kopf gestellt.

Und auch die Geschäftsgrundlage der Bundesrepublik Deutschland.
Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat das Vorgehen der EU-Kommission in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung als “Aufforderung zum Staatsstreich” bezeichnet. So kann man es nennen.

Keine Bundesregierung und keine Parlamentsmehrheit könnte die zentralen Bestandteile der Verfassung ändern. Das verhindert schon die Ewigkeitsklausel für den Artikel 20. Der Konflikt bleibt also bestehen.
Klar bleibt er bestehen.

Nun gibt es ja die Möglichkeit, dass sich zwar der Wortlaut einer Verfassung in den entscheidenden Punkten nicht ändert, der Charakter eines Staates aber schleichend doch.
So ist es! Die Bundesrepublik beispielsweise war einst als Bund deutscher Länder gegründet. Seit der Wiedervereinigung gibt sie sich selbst mehr und mehr als Zentralstaat. Aktuell – in der Corona-Pandemie – wurde verlangt, das föderalistische System vollständig auszuhebeln: die deutschen Länder nur noch als Verwaltungsstellen von Berlin.

Könnte das auch die Entwicklung in der EU sein: auf dem Weg zum Erdteilsstaat „Europa“, auf Schleichwegen, an den viel freiheitlicheren Verfassungen der Mitgliedsländer vorbei?
Es gehört zur physikalisch-politischen DNA zentralistischer Systeme, sich auszudehnen, um ihre Kompetenz ständig erweitern zu können. Und warum sollte das in Brüssel anders sein als in der Bundesrepublik Deutschland? Schauen Sie nur auf die weitere Machtanmaßung Berlins im Verhältnis zu den deutschen Ländern, die früher undenkbar war. In der Kulturpolitik hätte der Bund nach dem Grundgesetz überhaupt keine Zuständigkeiten. Ich habe mich gefreut, dass gerade der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann sagte, das sogenannte Bundesbildungsministerium könnte man eigentlich abschaffen, es steht für nichts da in der Landschaft. Er hat völlig recht damit.

Er sagte in diesem Zusammenhang, Baden-Württemberg habe ja auch kein Außenministerium.
Ja, völlig richtig. Andererseits wäre es um die deutsche Außenpolitik besser bestellt, läge sie in den Händen der deutschen Länder.

Und wie sehen Sie nun die Gefahr, dass ein EU-Zentralstaat auf leisen Sohlen kommt?
Letztendlich wird er nicht kommen!

Was lässt Sie da halbwegs optimistisch sein? Immerhin sind die Verantwortlichen der EU auf diesem Weg schon weit gekommen – obwohl es nirgends in den EU-Staaten eine Sympathie der Bevölkerung für einen Zentralstaat gibt.
Wie gesagt, die zentralistische Tendenz gibt es überall und immer. Aber gerade in Europa gibt es doch auch starke gegenläufige Tendenzen aus allen politischen Himmelsrichtungen, die Dezentralität als Wert sieht. Nach der Wende war es der bayerische Ministerpräsident Max Streibl, der als erster von einem Europa der Regionen sprach. Heute fordert selbst die Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament in ihrem Programm “progressiven Regionalismus”. In dieser grünen Fraktion im Europäischen Parlament repräsentieren die Scottish National Party ebenso wie die baskischen Unabhängigkeits-Vertreter regionales Bewusstsein. Das muss also nicht immer „rechts“ sein. In beiden Fällen handelt es sich um linke Bewegungen. Andererseits werden Ungarn oder Polen demonstrativ rechts „verortet“, wenn sie dem Zentralismus die Stirn bieten. Ich halte dieses regionalistische Gegengewicht auf beiden Seiten des demokratischen Spektrums für erfreulich: Es ist egal, ob die Katze schwarz ist oder grau. Hauptsache, sie frisst Mäuse.

Auf der anderen Seite gibt es eine sehr starke andere politische Richtung, die Europa immer mehr vereinheitlichen will – von der Wirtschaftslenkung, Stichwort “Green Deal” bis zur Geldumverteilung mit einem “Europäischen Währungsfonds”. Und wenn man sich auch die Vorgehen gegen Polen und Ungarn anschaut, scheint es so, als wäre es diesen Leuten recht, wenn sie aus der EU ausscheiden. Dann gäbe es noch mehr Homogenität.
Ja, auch die Engländer haben wir aus der EU faktisch hinausgeekelt. Es gab da eine unangenehmeTendenz zu immer mehr Intoleranz in Brüssel, zwanghaft alles und alle EU-Mitglieder gleich zu bürsten. Erlaubnis zum politischen Denken nur von der Zentrale aus. So wurde das europäische System politisch halbseitig gelähmt. Nur an die EU-Wahrheiten gebunden. Das ist ein Unglück. Wir alle sehen doch in unserem politischen Leben in der Rückschau das Leben als Versuch eines Lernprozesses, Einseitigkeiten zu überwinden. Ich auch. So wurde mein „europäisches“ Modell ein Europa mit der Struktur eines Confoederatio Helvetica: Europa als die Schweiz der Welt – wo die Macht bei den Gemeinden und Kantonen liegt. Das passt im Vergleich schon von der Größe her viel besser zu Europa. 500 Millionen EU-Europäer fielen für ein Parlament der Weltbevölkerung von demnächst 10 Milliarden bald unter die Fünf-Prozent-Klausel. „Größe“ ist für Europa also nicht der entscheidende Trumpf, sondern Qualität. Und die Qualität setzt etwas voraus, was man neudeutsch „Diversität“ nennt. Eine solche Vielfalt in Kultur und Ansichten gedeiht auf diesem Kontinent nicht unter einem stahlharten Gehäuse über dem ganzen Erdteil, das wusste schon Max Weber. Zum Glück finden sich immer mehr Leute, denen es wie Schuppen von den Augen fällt, dass es so, mit immer mehr EU nicht geht.

Aber gerade unter den politischen Eliten in Deutschland gilt der EU-Zentralstaat ausdrücklich als Wunschbild. Die deutschen Grünen wollen möglichst viel nach Brüssel delegieren. Im Wahlkampf 2017 verkündete der damalige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sogar den europäischen Staat als Ziel.
Von Martin Schulz – damals noch in seiner Funktion als Europapolitiker – stammt andererseits der schöne Satz, der eigentlich schon ein Geständnis ist: “Die EU hätte angesichts ihrer undemokratischen Struktur niemals die Chance, der EU beizutreten.“ Das beste Beispiel für diese These war sein eigenes Europa-Parlament, dem alle essentiellen Eigenschaften eines demokratischen Parlaments fehlen: keine gleichen Stimmengewichte, kein Haushaltsrecht, keine Entscheidungsmacht über eine Regierung.

Ihre Argumente teilen nicht wenige von rechts bis links, darauf haben Sie schon hingewiesen. Trotzdem befinden sich diejenigen, die das Modell Schweiz für Europa sympathisch finden, in der Defensive gegen die Verfechter des EU-Staats mit technokratischer Lenkung. Was macht Sie so optimistisch, dass Letztere sich nicht durchsetzen?
Es kommt immer anders, als man denkt. Denken Sie nur an den Zusammenbruch des Kommunismus in Europa. Alle glaubten Erich Honecker, dass die Mauer noch in 100 Jahren stehen würde. Gerade im bürgerlichen Lager. Und was die Zukunft Brüssels und seiner EU-Paläste angeht: Alle Versuche, Europa von oben eine Zwangsjacke anzulegen, waren geschichtlich zum Scheitern verurteilt.

Ein Argument gegen die Idee von Europa als Schweiz der Welt lautet: Nur als möglichst zentral gesteuerte Einheit, als Imperium kann sich die EU im 21. Jahrhundert gegen Großmächte wie China und Russland behaupten, wirtschaftlich wie militärisch. Dieser Rhetorik folgen nicht wenige, gerade in den bürgerlichen Parteien.
Das halte ich für eine größere Gefahr als die totalitären Aspekte der Klimabewegung, wenn wir jetzt in einen neuen Groß-Konflikt hineingeredet werden: mit China, mit Russland, mit zahllosen anderen Ländern. Die Nato-Kriege weltweit für unsere Werte – da steht ein neues „der Zweck heiligt alle Mittel“ wieder auf. Bombe für den Frieden. Da sehe ich die eigentliche Gefahr, mit der wir es aktuell wirklich zu tun haben, 107 Jahre nach Sarajevo. Mich regt nicht mehr so viel auf. Aber wenn mich noch etwas aufregt, dann ist es die Schlafmützigkeit, mit der die Mitglieder des Bundestags den Verfassungsbruch hingenommen haben, die Bundeswehr außerhalb ihrer im Grundgesetz definierten Verteidigungsaufgabe immer mehr in militärische Auseinandersetzungen entsenden zu dürfen. Das Debakel in Afghanistan ist ja im Bundestag nur unter dem Gesichtspunkt der Fluchthilfe aufgearbeitet worden. Parteien und meinungsbildende Medien halten sich wechselseitig die Binde vor die Augen, egal, ob sie mehr konservativ, mehr links oder linksliberal sind.

Wie sollte sich Deutschland in dieser Debatte verhalten? Beispielsweise, wenn die USA auf einen Konflikt mit China zusteuert? Die Bundesmarine hat kürzlich ein Schiff in den Pazifik geschickt.
Warum wohl haben die Bundesrepublik Deutschland und das Kaiserreich Japan nach dem Krieg in ihre Verfassungen geschrieben: Außer der unmittelbaren Selbstverteidigung beteiligen wir uns nicht auch an noch so gerechtfertigten militärischen Vorgängen? Diejenigen in beiden Ländern, die diese Selbstbeschränkung aufgeben wollen, sind historische Dummköpfe.
…. Gesamtes Interview mit Peter Gauweiler vom 12.10.2021 bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/interviews/peter-gauweiler-eu-demokratische-verfassungen-mitgliedsstaaten/
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Peter Gauweiler: Die EU neigt immer mehr zur Intoleranz
Der Anwalt und frühere CSU-Politiker Peter Gauweiler über seinen Sieg gegen die Europäische Zentralbank vor dem Bundesverfassungsgericht, den Versuch von Technokraten, einen EU-Einheitsstaat mit Tricks durchzusetzen – und die Gefahr, die von „historischen Dummköpfen“ ausgeht

München. Das Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland wegen des EZB-Urteils des Bundesverfassungsgerichtes ist für den CSU-Politiker Peter Gauweiler der Versuch, nationale Verfassungen und Gerichte auszuhebeln. Mit dem Verfahren wolle die EU „andere Länder einschüchtern und Stimmung machen, vor allem das deutsche Verfassungsrecht außer Kraft setzen, wonach über die Auslegung des Grundgesetzes in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht entscheidet“, kritisiert Gauweiler im Gespräch mit der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Tichys Einblick. Die EU wolle „das demokratische System des Grundgesetzes unter die EU-Prämisse stellen und als Erstes die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die in Deutschland Gesetzeskraft haben, zerbröseln. Allerdings glaubt Gauweiler nicht an einen Erfolg des Vertragsverletzungsverfahrens. „Am Ende wird dieser Streit nicht politisch ausgetragen werden, sondern in der wechselseitigen Beteuerung von Missverständnissen versanden.“

Der Europäischen Union attestiert der CSU-Politiker eine wachsende Neigung zur Intoleranz. Sie akzeptiere keine abweichenden Meinungen und sehe sich als „Instanz über dem Volkswillen der Mitgliedsstaaten“. Damit trage die EU auch Verantwortung für den Austritt Großbritanniens aus der EU. „Die Engländer haben wir aus der Europäischen Union faktisch hinausgeekelt. Es gibt da eine unangenehme Tendenz zu immer mehr Intoleranz in Brüssel, zwanghaft alles und alle EU-Mitglieder gleichzubürsten“, so Gauweiler. „Die Erlaubnis zum politischen Denken geht nur von der Zentrale aus. So wurde das europäische System politisch halbseitig gelähmt – nur an die EU-Wahrheiten gebunden. Das ist ein Unglück.“
Gauweiler hält es für notwendig, die „Diversität“ Europas auch in der Struktur abzubilden und plädiert für eine Confoederatio Helvetica: Europa als die Schweiz der Welt. „Das passt im Vergleich schon von der Größe her viel besser zu Europa“, so Gauweiler. „Größe ist für Europa nicht der entscheidende Trumpf, sondern Qualität. Und die Qualität setzt etwas voraus, was man neudeutsch „Diversität“ nennt. Eine solche Vielfalt in Kultur und Ansichten gedeiht auf diesem Kontinent nicht unter einem stahlharten Gehäuse über dem ganzen Erdteil, das wusste schon Max Weber.“
… Alles vom 12.9.2021 bitte lesen auf
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/peter-gauweiler-die-eu-neigt-immer-mehr-zur-intoleranz/
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Kommentare:
Absolut jedes Reichskonglomerat zerfiel in der Geschichte.
Immer wieder gab, gibt und wird es Leute geben, die eine „große Familie“ aus verschiedenen Völkern – und Kulturen sogar – schaffen wollen, und immer wieder fallen sie auf die Nase. Nicht einmal die Tschechoslowakei hatte Bestand! Und nun kommen die Leyen-Traumtänzer, allesamt sehr linkslastig, und wollen wieder ein Reich schaffen, in dem einer oder ein paar für die anderen arbeiten.
Erst geschah der Brexit, die Oststaaten sind auch unzufrieden, andere, wie Österreich, scheren in manchen Bereichen aus. Es werden immer mehr folgen. Am Ende steht D. mit einer Billionenschuldenlast und uneinbringbaren Forderungen aus Target 2 alleine da, und alle lachen sich halbtot über die naiven Deutschen.
Wenn man die EU noch irgendwie retten will, dann heißt es: zurück zur EG, zurück zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, auch in ein paar weiteren Feldern, wie Bekämpfung der Kriminalität. Darin sehe ich die einzige Möglichkeit, als Europäer den 1.400 Mio. Chinesen, den 1.200 Mio. Indern noch irgendwie entgegentreten zu können. So aber verkauft die EU ihre guten innovativen Firmen, zerlegt durch schwachsinnige Verbote und Vorgaben, die nirgendwo sonst überhaupt eine Rolle spielen, ihre Grundlagen, die sie groß gemacht haben, nämlich ihre Industrie und die Bildung. V. a. die Deutschen sind satt und dumm geworden – s. Wahl-O-Mat, aus dem sie keine Konsequenzen ziehen, aus Naivität und Emotionen und Untertanengeist.
12.9.2021, Bfw

Idee der „ever closer union“ mit dem Endziel eines EU-Staates …
Die EU in ihrer heutigen Form ist ausdrücklich gegen den Volkswillen der Mitgliedssraaten entstanden. Das Verfassungsreferendum war in den Niederlanden und Frankreich gescheitert, woraufhin hat man beschloß, den Inhalt umzuverpacken und ohne Volksentscheide trotzdem durchzusetzen, gegen den Volkswillen. Die EU wurde zum Eliteprojekt, das fortan gegen die Nationalvölker betrieben wurde. Die ganze Idee der „ever closer union“ mit dem Endziel eines EU-Staates setzt voraus, daß es eben keine nationalen Verfassungen mehr gibt, die über dem EU-Recht stehen, b.z.w. dieses begrenzen. Wer das Grundgesetz einem fremden Recht unterordnen will, müßte eigentlich das Volk befragen, das sich dieses Grundgesetz gegeben hat. Die Protagonisten des Eliteprojekts EU scheuen den Plebiszit seit dem Verfassungsreferendum wie der Teufel das Weihwasser. Denn er ergäbe aller Voraussicht nach keine demokratische Legitimation.
Das Problem ist die Idee der „ever closer union“, das Aufgehen der Nationalstaaten und ihrer Verfassungen in einem EU Meta-Nationalstaat, die von Anfang an gegen die Staatsvölker und damit gegen die Bürger gerichtet war. Sie macht diese EU zu einem inhärent antidemokratischen Projekt, Eliten gegen die Völker b.z.w. Bürger, das die verfassungsmäßigen Ordnungen in den Mitgliedsstaaten und damit letztendlich deren Demokratien aushebeln will. In gewisser Weise ist es ein Putschversuch. Denn die Erwartung, daß sich in kurzer Zeit so etwas wie eine EU-Öffentlichkeit, ein EU-(National-)Volk, bilden würde, hat sich nicht erfüllt. 1.000 Jahre nationale Geschichten lassen sich eben nicht im Handstreich beiseite wischen.
Der theoretischen Begründung für die Notwendigkeit eines EU-(Meta-National-)Staats liegt m.E. ein fundamentaler Denkfehler zugrunde. Der Nationalismus, so heißt es, habe zu zwei Weltkriegen geführt und werde solche Entwicklungen in aller Zukunft immer wieder zwangläufig hevorrufen. Deshalb müsse er ersetzt werden durch einen EU Internationalismus und letztendlich den EU-Staat. Theoretisch könnte es aber auch in einem EU-Staat Krieg geben, dann eben Bürgerkrieg. Es ist keineswegs die Existenz von Nationalstaaten, die zu den Kriegen geführt hat, sondern deren Politik, wie die neuere historische Forschung hinlänglich gezeigt hat. Es spricht nichts gegen die Existenz von Nationalstaaten, im Gegenteil.
Europa war seit den Römern ein zusammenhängender Kultur- und Wirtschaftsraum. Die permanente Kooperation sowie gleichzeitig der permanente Wettbewerb sind tatsächlich das Agens, das diesen geographischen Raum so einzigartig gemacht hat. Tatsächlich ging der allergrößte Teil der Entwicklungen, die die Menschheit in den letzten mehr als 500 voran brachten, von Europa aus, sei es in der Wissenschft, der Wirtschft, Kunst, Kultur, Politik, Philosophie u.s.w.. Eine Vereinheitlichung der nationalen europäischen „Subkulturen“ in einem Einheitsstaat würde den Wettbewerb und damit den kulturellen Motor Europas, die Diversität, zerstören.
Wir brauchen und wollen die EU. Aber wir müssen ihre Ziele und – nach dem Austritt des UK – und ihre Architektur neu verhandeln und definieren.
12.9.2021, RS
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