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Gedenkstätte zur Bombardierung von Dresden 13.2.195: Mädchen im Tränenmeer gefällt Ende Januar 2022

 

 

Zivilgesellschaft 
Engagement der Bürger, das ehrenamtlich und parteiunabhängig erfolgt:
Privatinitiativen, NGOs, GONGOs, Stiftungen, Institute, Denkfabriken, …
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Bürgergesellschaft (Vereine + Kirchen) + NGOs = Zivilgesellschaft
Stimmt diese Gleichung?
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NGOs der Zivilgesellschaft: Verdächtig staatsnah
Alle reden von der Zivilgesellschaft: Bündnisse und NGOs sollen in Deutschland die Politik bestimmen. Doch die Projekte sind selten unabhängig und neutral
Christian Schreiber

In diesen Tagen ist sie wieder in aller Munde. Wenn es um die Demonstrationen und den „Kampf gegen Rechts“ geht, dann wird die „Zivilgesellschaft“ beschworen. Dabei wird suggeriert, daß der „Aufstand der Anständigen“ aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), traditionsgemäß ganz vorn dabei, wenn es politisch korrekt zugehen soll, erklärt, daß man das Wort zivil auch durch Bürger ersetzen könne. Aus der Zivilgesellschaft wird somit die Bürgergesellschaft. „In einer Zivilgesellschaft übernehmen die Bürger Verantwortung für die Gesellschaft und für andere Menschen. Sie setzen sich ein für Demokratie und Gerechtigkeit. Die Bürger engagieren sich in Vereinen, in Kirchen und anderen Organisationen. Sie streiten friedlich und fair miteinander über unterschiedliche Meinungen“, heißt es dort weiter, und das hört sich ziemlich idealistisch an.

Die „alten Bekannten“ des „Aufstands der Anständigen“
Aber in einer Zivilgesellschaft sei der Staat keineswegs überflüssig. Er habe wichtige Aufgaben. „Eine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß die Zivilgesellschaft sich entfalten kann“, schreibt die BpB weiter. Der Staat solle unter anderem sicherstellen, daß die Menschen sich einbringen können, daß sie sich an der Gestaltung der Zivilgesellschaft beteiligen können. Eine Organisation, die für sich in Anspruch nimmt, zivilgesellschaftliche Institutionen zu vereinen, ist das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluß von Akteuren aus Bürgergesellschaft, Staat und Wirtschaft. „Unser übergeordnetes Ziel ist es, die Bürgergesellschaft und bürgerschaftliches Engagement in allen Gesellschafts- und Politikbereichen nachhaltig zu fördern“, heißt es auf der Internetseite. Das BBE orientiere sich dabei am Leitbild einer aktiven Bürgergesellschaft, die die Demokratie und das soziale Kapital der Gesellschaft stärke. Bürgerschaftliches Engagement werde in seinem Eigensinn unterstützt. „Es ist freiwillig, auf öffentliche Anliegen gerichtet und unentgeltlich. Die Förderung des Engagements beinhaltet stets auch die Förderung der damit verbundenen Partizipationsansprüche.

„Subsidiarität ist das Grundprinzip seines Handelns“, heißt es dort ausschweifend. Das Netzwerk wurde bereits 2002 von einer zuständigen Bundestagskommission gegründet. Derzeit gehören dem BBE 286 Organisationen an, wie die Allianz Rechtssicherheit für politische Willenbildung e.V., das Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung und Teilhabe oder die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung. Allgemein entdeckt man einige „alte Bekannte“, wenn es um den „Aufstand der Anständigen“ geht. So ist, wenig überraschend, auch die ultralinke Amadeu-Antonio-Stiftung mit an Bord. Ihr Ziel sei es, „eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet“. Damit befindet man sich in trauter Gesellschaft mit dem Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland oder dem Anne-Frank-Zentrum.

Doch es gibt tatsächlich auch Organisationen, die zumindest auf den ersten Blick keine politischen Forderungen auf ihrer Agenda haben in den Reihen des BBE. Dazu zählen mehrere Kinderschutzorganisationen, aber auch die Deutsche Bischofskonferenz oder das Kolpingwerk. Der Sozialverband VDK Deutschland, ursprünglich gegründet unter dem Namen „Verband der Kriegsgeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands“, ist stellvertretend für größere Organisationen zu nennen, die dem Zusammenschluß angehören. Insgesamt finden sich knapp 300, höchst unterschiedliche Vereine, unter dessen Dach ein. Zur Regierung besteht ein direkter Draht.

„Die aktuelle Bundesregierung erarbeitet eine Bundes-Engagementstrategie, ausdrücklich auch im Austausch mit der Zivilgesellschaft. Eine große Chance, um engagiert mit positiver Energie ein neues Kapitel in der Engagementpolitik aufzuschlagen“, teilt der BBE mit. Er begleite und unterstütze diesen Prozeß von Beginn an konstruktiv: „Wiederholt wird das BBE zum Fortgang des Prozesses in den Unterausschuß Bürgerschaftliches Engagement des Deutschen Bundestages eingeladen.“ Engagementpolitik und Engagementförderung im modernen Sinn seien erst gut 20 Jahre alt. Gut die Hälfte der Bundesländer verfüge mittlerweile über öffentlich publizierte Strategien, in der Regel in Verbindung mit der Zivilgesellschaft entwickelt. „Bürgerschaftliches Engagement bedeutet Selbsthilfegruppen und politische Partizipation, das klassische Ehrenamt genauso wie das Stiften und Spenden von Geld, aber natürlich auch die Freiwilligendienste“, erklärt die langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Kumpf, die mehrere Bürgerinitiativen gegründet hat. Geschäftsführerin des BBE ist Lilian Schwalb, passenderweise wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement an der Humboldt-Universität in Berlin.

Einen Schwerpunkt im Bereich der sogenannten Zivilgesellschaft nimmt mittlerweile das Thema Mentoring ein. Das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin geht davon aus, daß immer mehr Menschen sich freiwillig außerhalb der klassischen Organisationen und Strukturen engagieren. Auch im Bildungsbereich sei seit Jahren ein Trend zu individualisierten Formen des Engagements zu beobachten. „Zentral sind dabei verschiedene Formen von Mentoring, Patenschaften und Mediation. Diese bieten konkrete Bildungsangebote für junge Menschen und reagieren damit auf einen wachsenden Bedarf an lernbezogenen Unterstützungsangeboten für Kinder und Jugendliche“, heißt es. Man geht daher davon aus, daß das neumodische Mentoring und die „zivilgesellschaftlichen Akteure“ einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Bildungskrise leisten könnten. Im Jahr 2019 waren demnach 5,9 Millionen Menschen an Schulen engagiert. Mehr als zwei Millionen Menschen seien darüber hinaus in der Erwachsenenbildung tätig. „Übergeordnetes Ziel ehrenamtlicher Mentoringprogramme ist meist die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe bestimmter sozialer Gruppen, für die spezifische Förder- oder Integrationsbedarfe identifiziert wurden“, schreibt das WZB.

In Deutschland würden sich zahlreiche Mentoringprogramme gezielt an Menschen mit Migrationsgeschichte und an Geflüchtete sowie an benachteiligte Kinder und Jugendliche richten. Auch hier zeigt sich, daß die sogenannte Zivilgesellschaft und ihre angeschlossenen Organisationen eher im linken politischen Spektrum beheimatet sind. Unter Begriffen wie Bildungs- oder Lesepaten sowie Lernbegleiter und ähnlichen würden zudem zahlreiche Mentoringangebote unmittelbar bei der Verbesserung der Bildungserfolge von benachteiligten Kindern und Jugendlichen ansetzen. Obwohl nahezu alle aufgeführten Organisationen wohl von sich behaupten werden, auf der „richtigen politischen“ Seite zu stehen, gibt es allerdings auch Kritik. Unisono klagen Vertreter, daß viele Projekte von der in Deutschland sprichwörtlich ausufernden Bürokratie blockiert würden. Um diese zu bekämpfen, hat man – was auch sonst – ein weiteres Gesetz vorbereitet. Bereits im vergangenen März fand im Deutschen Bundestag die erste Lesung des sogenannten Demokratiefördergesetzes statt.

Unter dem Eindruck der öffentlichen Hysterie gegen rechts teilte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) der Rheinischen Post mit, jetzt müßte all denen der Rücken gestärkt werden, die die Demokratie stark und lebendig machten. „Das sind unzählige zivilgesellschaftliche Initiativen in unserem Land. Um sie dauerhaft und verläßlich zu unterstützen, brauchen wir endlich das Demokratiefördergesetz, das wir schon vor einem Jahr vorgelegt haben“, sagte Faeser. „Der Bundestag sollte es jetzt beschließen. Es ist höchste Zeit dafür.“ Das Demokratiefördergesetz soll Vereine und Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie und die Prävention von Extremismus einsetzen, künftig mit einer besseren finanziellen Grundlage ausstatten. Und es soll vor allen Dingen unbürokratisch vonstatten gehen. Und so schließt sich der Kreis. All jene, die sich öffentlich für Integration und Flüchtlinge und sich klar gegen „Rechts“ einsetzen, sollen in den Genuß von staatlichen Zuwendungen kommen.

Die Grünen wollen vorgeblichem „Extremismus“ präventiv begegnen
Innerhalb der Bundestagsfraktion der Grünen macht man aus diesem Ansinnen auch gar keinen Hehl. „Mit dem Demokratiefördergesetz schaffen wir als Ampelkoalition nun einen klaren gesetzlichen Auftrag des Bundes zur Förderung und Stärkung der Demokratie, der politischen Bildung, der Prävention jeglicher Form von Extremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie der Gestaltung von gesellschaftlicher Vielfalt und Teilhabe“, heißt es in einer Pressemitteilung, die unter einem Bild mit der Aufschrift „Rassismus kills“ plaziert wurde. Um Radikalisierungsprozesse frühzeitig zu unterbrechen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, seien kompetente zivilgesellschaftliche Organisationen nötig, die präventiv arbeiten und vor Ort demokratische Gegenangebote ermöglichen. Es gehört wenig Vorstellungskraft dazu, daß vor allem Initiativen, die in den AfD-Hochburgen des Ostens aktiv sind, sich in naher Zukunft über einen warmen Geldregen freuen können.
Ein interessantes Beispiel lieferte dabei unlängst die SPD-Landtagsfraktion in Sachsen. Der dortige Rechnungshof hatte bemängelt, daß sich Trägerorganisationen, die Fördermittel bekommen haben, politisch geäußert haben. Der Rechnungshof wünsche sich wohl eine Zivilgesellschaft, die wie eine Verwaltung funktioniere, monierte die SPD: „Bei allem Respekt für nötige Regeln, Standards und Kontrolle: Sie müssen sein. Aber sie dürfen unserer Demokratie nicht die Luft nehmen, unsere Gesellschaft nicht abschnüren.“ Mit dem neuen Demokratiefördergesetz dürften diese „Kleinigkeiten“ aber bereinigt werden.

Zivilgesellschaft
Der Begriff „Zivilgesellschaft“ taucht in Deutschland erstmals Ende der 1980er Jahre auf. Der marxistische Soziologe Wolfgang Haug entnimmt ihn dem italienischen „società civile“ des Kommunisten Antonio Gramsci. Dieser beschreibt damit, wie nichtstaatliche Organisationsformen in Kultur- und Alltagsleben Ideen verbreiten und zementieren. Diese Ideen der Zivilgesellschaft entscheiden dabei über das Rechts-, und Moralempfinden einer Gesellschaft und stellen einen – realen oder empfundenen – Konsens her. Ein Vorgängerbegriff findet sich bei Hegel (Bürgerliche Gesellschaft).

… Alles vom 16.2.2024 von Christian Schreiber bitte lesen in der JF 8/24, Seite 12

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Sichtbar-gierige Hände: Zivilgesellschaftliche Organisationen
Die Melkkuh Deutschland auf dem Weg zum gescheiterten Staat?
von Siegfried Franke

Die von Adam Smith an einer Stelle im „Wohlstand der Nationen“ (1776) erwähnte „unsichtbare Hand“ wird überwiegend mit Häme bedacht. Dabei übersehen die Kritiker, daß Smith keineswegs mystische Kräfte für die Funktionsweise von Gesellschaft und Wirtschaft vermutete. Er wollte vielmehr bildhaft auf die überlegene Koordinations- und Korrekturfähigkeit hinweisen, die offenen Gesellschaften und freien Märkten im Verhältnis zu geplanten Systemen innewohnen.

Demgegenüber stellte er an anderer Stelle fest, daß es eine Fülle von sichtbar-gierigen Händen gibt, die Länder scheitern lassen: „Große Nationen werden niemals durch private, doch bisweilen durch öffentliche Verschwendung und Mißwirtschaft ruiniert. In den meisten Ländern werden nämlich alle oder nahezu alle öffentlichen Einnahmen dazu verwendet, um unproduktive Leute zu unterhalten.“ (Zitiert nach der Übersetzung von H. C. Recktenwald, Beck, 1974, S. 282)

Dazu schweigen die Kritiker für gewöhnlich, obwohl es offensichtlich ist, daß viele Hände sprichwörtlich danach gieren, „staatliche Knete abzugreifen“. So achtete die SPD stets darauf, daß bei der Zusammenarbeit mit den „Wohlfahrtsverbänden“ und „Genossenschaften“ auch die Taschen der Funktionäre gut gefüllt werden. Legendär waren etwa die Büroausstattung und der Lebensstil des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Neuen Heimat, Albert Vietor. Daß Vietor und seine Vorstandskollegen es übertrieben und ihre Posten verloren, scheint im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten zu sein. Wie sonst wäre der Korruptionsskandal um die Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt am Main zu erklären, in den – neben Funktionären auf kleiner und mittlerer Ebene – auch Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und seine ehemalige Frau verwickelt schienen? Ein Skandal, der immer noch der vollständigen Aufklärung harrt.

Dessen ungeachtet gedeiht die Kooperation mit ausgewählten Akteuren der Zivilgesellschaft und den jeweiligen Regierungen weiterhin recht üppig. Der Begriff „Zivilgesellschaft“ umfaßt jegliches Engagement von Bürgern eines Landes, das primär ehrenamtlich und überwiegend partei- und regierungsunabhängig erfolgt. Dennoch ist nicht zu leugnen,
daß sich Regierungen und Parteien Hand in Hand mit interessierten Gruppen über die Jahre hinweg ein nahezu undurchdringliches Dickicht an Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Stiftungen, Denkfabriken, Instituten oder ähnlichem geschaffen haben, um ideologische Zielsetzungen auf möglichst unauffällige Weise umsetzen zu können.
Besonders perfide ist, daß sie einem Teil dieser Zivilgesellschaft eine höhere Stufe der Moral testieren, deren Arbeit staatliche Mittel rechtfertige. Daß einigen zudem das Verbandsklagerecht gesetzlich eingeräumt wurde, belegt, daß Politik und manche Akteure aus der Zivilgesellschaft sich in zentralen Bereichen zu einer nahezu symbiotischen Gemeinschaft verschmolzen haben. Ein markantes Beispiel dafür ist das dubiose Wirken der Deutschen Umwelthilfe e.V. mit ihrem Hauptsitz in Stuttgart.

Schon die vergangenen Regierungen unter Angela Merkel bedachten solche Organisationen, die sich die Gesinnungsschnüffelei zur Aufgabe gemacht haben, recht auskömmlich mit Finanzmitteln. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich mit Anetta Kahane immer noch eine Vorsitzende des Stiftungsrates mit zweifelhafter Stasi-Vergangenheit leistet. Mit Bezug auf das geplante „Demokratiefördergesetz“ erklärte die letzte Bundesregierung unter Merkel im November 2020, daß für den Zeitraum von 2021 bis 2024 mehr als eine Milliarde Euro zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus vorgesehen sind. Allein für 2021 wurden weitere 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Gesetz konnte 2021 – trotz des Drängens der SPD – nicht mehr verabschiedet werden, weil sich die CDU/CSU-Fraktion daran stieß, daß Begünstigte keine Erklärung zur Verfassungstreue abgeben sollten. Bei der Kritik, die der Fraktion deshalb entgegenschlug, ging unter, daß selbst der Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, Timo Reinfrank, davor warnte, das Gesetz schnell durch den Bundestag zu boxen. Warum? Weil es nach seiner Auffassung wichtiger sei, sich vom bisherigen Zeitrahmen der Förderung einzelner Projekte (meist ein bis fünf Jahre) zu lösen, sondern statt dessen die Bundesförderung dauerhaft auszurollen. Wahrscheinlich ahnte er, daß es mit einer neu zusammengesetzten Bundesregierung einfacher sein würde, den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus quasi in den Rang einer „Ewigkeitsaufgabe“ zu heben.

Und in der Tat, die „Ampel“ beeilte sich, dem Manne zu helfen, heißt es doch schon gleich am Anfang des Koalitionsvertrags, daß Ehrenamt und demokratisches Engagement den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkten: „Sie verläßlich zu fördern, ist unsere Aufgabe.“ Zugleich verspricht sie, alle politischen Stiftungen, denen es um nachhaltige Demokratieförderung geht, auch in Zukunft finanziell zu fördern und sie rechtlich besser abzusichern. Auf Seite 120 wird abermals hervorgehoben, daß die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus fortgesetzt, inhaltlich weiterentwickelt und finanziell abgesichert wird. Man darf darauf gespannt sein, zu welchen Ergebnissen das Versprechen der inhaltlichen Weiterentwicklung führen wird. Vermutlich werden weitere Projekte aus der Taufe gehoben, um hinter bislang unverfänglichsten Dingen „Rassismus“ zu entdecken. Die Richtung gab schon Annette Widmann-Mauz, Staatsministerin und Beauftragte der letzten Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, vor, indem sie erklärte, daß es darum gehe, „Rassismus in allen Bereichen zu erkennen, zu benennen und konsequent zu bekämpfen“. Daran wird ihre Nachfolgerin im Amt, Reem Alabali-Radovan, sicher anknüpfen.

Was die Denkfabriken, Stiftungen etc. anlangt, so bedienen sich Regierungen und Parteien gerne solcher Institute, die gewünschte Ergebnisse liefern (sogenannte advokatorische Institute). Hinweise auf mangelnde Berücksichtigung anderer Expertisen, auf Fehler bei den Grundannahmen, fragwürdige Statistiken und eigenwillige Interpretationen wischen sie meistens unbeantwortet beiseite. Korrekturen erfolgen – wenn überhaupt – selten und stillschweigend.

„Gierige Hände“, sofern sie entsprechende polit-ideologische Ausrichtung garantieren, werden zudem mit der Schaffung von untergeordneten Bundesbehörden und der Besetzung mit entsprechendem Spitzenpersonal bedient. Das, was sich die Regierung nicht traut, in öffentlicher Debatte parlamentarisch umzusetzen, reicht sie gern als Aufträge an solche Behörden aus, die dann auch prompt das gewünschte Ergebnis liefern, das die Regierung nun förmlich zwingt, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Das konnte man nahezu lehrbuchmäßig beim Zusammenspiel zwischen Regierung, insbesondere dem Bundeslandwirtschaftsministerium, der EU-Kommission und dem Umweltbundesamt bei der Umsetzung einer verschärften Düngemittelverordnung im Jahr 2020 studieren. Aktuelles läßt sich derzeit nahezu täglich am Zusammenwirken von Regierung, insbesondere dem Gesundheitsministerium, und dem Robert-Koch-Institut verzeichnen.

Hinzu kommen zahlreiche Beauftragte und Parlamentarische Staatssekretäre. Insgesamt stieg die Zahl der Stellen während der Amtszeit von Angela Merkel um rund 4.600. Das alles reicht der neuen Regierung allerdings nicht. Sie hat schon gleich zu Beginn kundgetan, daß zeitnah weit über 300 neue Stellen gebraucht werden. An der Stellenvermehrung ist das neue Superministerium für Wirtschaft und „Klimaschutz“ unter Robert Habeck stark beteiligt, wobei hinzuzufügen ist, daß einige seiner Staatssekretäre familiär verbunden sind und starke Verbindungen zur Denkfabrik „Agora“ hatten beziehungsweise noch haben. Diese Vetternwirtschaft hat mehr als nur „ein G’schmäckle“, sie sollte vielmehr die EU-Kommissarin für „Werte und Toleranz“, Věra Jourová, auf den Plan rufen, die sonst stets zur Stelle ist, wenn es darum geht, Ungarn oder Polen wegen angeblicher Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit am Zeug zu flicken.

Rechtsstaatlich gesehen ist die Berufung Parlamentarischer Staatssekretäre ohnehin fragwürdig. Als Parlamentarier und zugleich Mitglied der Regierung kontrollieren sie sich selbst. Gleiches gilt, wenn Beauftragte aus dem Parlament mit Regierungsaufgaben betraut werden. Häufig werden auch Parlamentarische Staatssekretäre als Beauftragte benannt. Das garantiert ihnen zusätzlich zu den Diäten und Bezügen weitere 43.000 Euro pro Jahr. Jüngstes Beispiel ist die Ernennung des Parlamentarischen Staatssekretärs Sven Lehmann (Abgeordneter für die Grünen) zum „Queer-Beauftragten“. Man hätte meinen können, daß es eines solchen Beauftragten nicht eigens bedurfte, zumal der „Ampel“-Koalitionsvertrag die Magnus-Hirschfeld-Stiftung, die bislang schon nicht gerade Not litt, dauerhaft im Bundeshaushalt absichern will. Die Stiftung wurde 2011 als Bundesstiftung gegründet und befaßt sich exakt mit dem Gebiet, auf dem auch der „Queer-Beauftragte“ wirken wird. Übrigens ist Sven Lehmann Mitglied im Kuratorium der Stiftung.

Die „Ampel“ faßt weitere Beauftragte ins Auge. Erwähnt sei nur der „Polizeibeauftragte“, wobei die bisherigen Äußerungen der neuen Bundesinnenministerin Nancy Faeser vermuten lassen, daß es weniger um die Belange der Polizei geht, sondern vielmehr darum, eine weitere Institution auf regierungskonforme Linie zu bringen.

Was unter der Kanzlerschaft Angela Merkels behutsam begann, sich zunehmend beschleunigte – man denke nur an den nahezu nahtlosen Übergang von Mitgliedern der Exekutive (Peter Müller) beziehungsweise der Legislative (Stephan Harbarth) zum Bundesverfassungsgericht sowie an die Auswechslung von Präsidenten hoher Bundesbehörden (Hans-Georg Maaßen) –, strebt nun unter der „Ampel“ einer weiteren Aushöhlung rechtsstaatlicher Institutionen entgegen. Korrumpierte und ruinierte Institutionen sind jedoch nach Daron Acemoglu und James A. Robinson die zentrale Ursache dafür, „Warum Nationen scheitern“ (deutsche Übersetzung bei Fischer, Frankfurt am Main 2014). Präsentiert sich Deutschland demnächst der Welt als gescheiterter Staat?

… Alles vom 4.2.2022 bitte lesen in der JF 6/22, Seite 18
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Prof. em. Dr. Siegfried F. Franke, Jahrgang 1942, lehrte Wirtschaftspolitik und Öffentliches Recht an der Universität Stuttgart und Wirtschaftspolitik an der Andrássy Universität Budapest. Franke ist Mitglied der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft und Autor zahlreicher Publikationen.