China-geteilt

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D, USA, China und Indien im Größenvergleich

 

 

China ist ein flächenmäßig geteiltes Land
Die 380-mm-Isohyete trennt China in zwei Hälften: 94% der Chinesen leben östlich dieser Linie im Han-China (dem ‚eigentlichen China‘) und 6 % im Westen in den sog ‚Pufferstaaten‘ (zumeist Tibeter, Uiguren, Innere Mongolen, Mandschurei, usw).
Damit leben ca 1,3 Milliarden Menschen auf der einen und nur ca 83 Mio Menschen auf der anderen Hälfte von Chinas Fläche.
Fast alle in China angebauten Lebensmittel werden im fruchtbaren östlichen Teil produziert.


380 mm-Isohyete als gestrichelte Trennlinie – Bild: Wikipedia
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Die 380 mm-Isohyete als agronomische Trockengrenze markiert die agrargeographische Anbaugrenze von China, ab der nach Westen hin allenfalls Trockenfeldbau bzw. Weidewirtschaft möglich ist. Allein östlich dieser Linie, also im alten Han-China, lassen fruchtbarer Boden und Regen eine ergiebige Landwirtschaft zu.
Die 380 mm-Isohyete bildet die „geo-demographische Demarkationslinie“ Chinas, da sie das Land in die zwei gegensätzliche Hälften teilt:
Der Westen mit 56 % der Fläche, aber nur 6 % der Bevölkerung und
der Osten mit 44 % der Fläche und 94 % der Bevölkerung.
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Größenvergleich D – CN: Wie winzig klein Deutschland ist
Fläche: China ist ca 26,7 mal so groß – 9562910 zu 357580 km2.
Bevölkerung: in China leben ca 16 mal so viele Menschen wie in Deutschland: 1,3 Milliarden zu 83 Millionen.
D hat mit 83 Mio die gleiche Einwohnerzahl
Allein die sog ‚Pufferstaaten‘ westlich der 380 mm Isohyete haben mit 83 Mio die gleiche Einwohnerzahl wie D.

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Geht das chinesische Wirtschaftswunder zu Ende? Xis Entscheidungen
Erich Weede
Die öffentliche Abführung des ehemaligen chinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao aus dem Nationalen Volkskongreß im Oktober 2022 zeigt überdeutlich: Der jetzige Machthaber Xi Jinping führt das Land weiter Richtung Autokratie. Hu regierte bis 2013 und stand für einen weicheren Kurs.

Bereits im Herbst zuvor hatte sich Xi seine Bestätigung als Parteichef der Kommunisten und damit als starker Mann Chinas für mindestens fünf weitere Jahre gesichert. Peking ist offenbar nicht gewillt, sich an westlichen Idealen zu orientieren. Lange hegten viele Beobachter die Hoffnung, daß ein wohlhabenderes China sich auch demokratischer zeigen würde. Jetzt nicht mehr. Was bedeutet die Verfestigung der Autokratie für die riesige Volkswirtschaft? Weder Autokratien noch Demokratien scheinen einen bedeutsamen Wachstumsvorteil zu genießen. Ist es deshalb für die Wachstumsaussichten im Reich der Mitte egal, daß Xi Jinping seine Machtposition und damit die Autokratie in China befestigen konnte? Nein!

Demokratien neigen zu mäßigen, in längeren Zeiträumen fast immer positiven Wachstumsraten – zu solider Mittelmäßigkeit, könnte man auch sagen. Bei Autokratien dagegen kann alles passieren. Es gibt Beispiele für Wirtschaftswunder, aber es gibt auch viele massive Einbrüche der Ökonomie mit zweistelligen negativen Wachstumsraten. In der Autokratie kommt es darauf an, ob der Machthaber Fehler macht oder sie vermeidet. Autokratien neigen dazu, extreme Wirtschaftsleistungen in beide Richtungen zu erzeugen, also Katastrophen oder Wunder. Die Wirtschaftsgeschichte seit Gründung der Volksrepublik ist das beste Beispiel.

Die frühen 1960er Jahre, nach dem „Großen Sprung nach vorn“, waren ein absoluter Tiefpunkt mit einem massiven Wirtschaftseinbruch und dem Hungertod von vielleicht mehr als 40 Millionen Menschen. Seit Deng Xiaopings (1904–1997) Reformen ab Ende der Siebziger Jahre bis heute dagegen hat China ein großartiges Wirtschaftswunder hingelegt und seine ökonomische Kraft um den Faktor 30 und den Lebensstandard der Bevölkerung um den Faktor 20 gesteigert.

Ob es weiter bergauf geht und mit welchem Tempo – das hängt vor allem von Xi ab. Seit dem britischen Ökonomen Adam Smith (1723–1790) und damit seit mehr als 200 Jahren wissen wir, daß die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben, ein mächtiger und unverzichtbarer Arbeitsanreiz ist. Andernfalls sind Menschen der Versuchung ausgesetzt, möglichst viel zu konsumieren, sich aber bei der Produktion zurückzuhalten. So funktionieren Volkswirtschaften nicht.

Der österreichische Ökonom Ludwig von Mises (1881–1973) hatte kurz nach der Russischen Revolution erkannt: Eine rationale Ressourcenverteilung braucht zusätzlich zum Eigentum als Arbeitsanreiz unbedingt auch Privateigentum an Produktionsmitteln, an Fabriken und Unternehmen. Nur dann kann es einen Wettbewerb auf den Inputmärkten geben, wo Rohstoffe, Zwischenprodukte und Arbeit erworben werden. Ohne Privateigentum und Wettbewerb erzeugt der Markt keine Preise, die über Knappheiten informieren. Und deshalb findet dann keine rationale Allokation (Verteilung) der Ressourcen statt.

Der zweite große Ökonom der Österreichischen Schule, Friedrich August von Hayek (1899–1992), legt den Wert impliziten Wissens dar, das nicht in Texten oder Formeln festgehalten wird. Bauern besaßen schon implizites Wissen, bevor sie lesen und schreiben konnten. Sie wußten, was auf welchem ihrer Felder gedeiht, wann man sät oder erntet.

Auch das Wissen von Handwerkern ist in Arbeitspraktiken implizit. Laut Hayek muß Wissen nicht universell gelten, sondern sein Geltungsbereich kann auf konkrete Zeiten oder Räume begrenzt sein, wie das Wissen eines Unternehmers darüber, welcher seiner Lieferanten von Komponenten zuverlässig ist. Implizites Wissen ist Erfahrung. Wissen ist nach Hayek daher auf Millionen Köpfe verstreut und nicht zentralisierbar. Es kann nur optimal genutzt werden, wenn die Menschen die Freiheit haben, eigenständig zu entscheiden, und die Folgen ihrer Entscheidungen tragen müssen, also für ihre Entscheidungen verantwortlich gemacht werden.

Während sich Mises und Hayek mit Preisen und Wissen beschäftigten, kümmerte sich ihre Landsmann Joseph Schumpeter (1883–1950) um Unternehmer, Innovationen und Strukturwandel. Er zeigte den Unterschied zwischen Erfindungen und deren Nutzung zu wirtschaftlichen Zwecken, sprich Innovationen.

Die Erfindung eines Ingenieurs beispielsweise läßt die Frage der profitablen Nutzung zunächst offen. Bisher ungenutzte Profitmöglichkeiten zu erkennen und zu realisieren, ist die zentrale Funktion des Unternehmers. Der Wettbewerb zwingt ihn dabei zur Eile. Denn häufig kann der Unternehmer am Anfang außergewöhnliche Gewinne einstreichen. Innovationen verschärfen den Wettbewerb, sind aber auch ein Instrument, um zeitweilig dem Wettbewerb zu entkommen.

Bei der für Entwicklung notwendigen kreativen Zerstörung in der Marktwirtschaft müssen immer auch Unternehmer scheitern, wobei die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze verlieren können. Innovation und Wettbewerb setzen voraus, daß der Staat den Unternehmern Entscheidungsspielraum und Profitchancen läßt, sie weder durch Regulierung noch durch Enteignung oder Besteuerung entmachtet, sie aber auch nicht künstlich am Leben hält.

Wenn man die Einsichten der vier genannten Ökonomen zusammenfassen will, dann kann man sagen, daß das Respektieren der wirtschaftlichen Freiheit eine Voraussetzung für ein dynamisches Wirtschaftswachstum ist. Nichts hindert Xi Jinping daran, ebenfalls ein gutes ökonomisches Umfeld zu schaffen.

Xis Vorgänger, der Gründer der Volksrepublik, Mao Zedong (1893–1976), mißachtete die wirtschaftliche Freiheit. Die Kommunisten enteigneten seinerzeit Unternehmer und Bauern. Der Zusammenschluß mehrerer LPGs samt zigtausender Mitglieder zu Volkskommunen ließ beim großen Sprung nach vorn (1959–1962) nicht mehr Bauern, sondern Partei-Kader bestimmten, was wann wo angebaut wurde. Märkte und Knappheitspreise gab es nicht mehr. Die Arbeitsanreize waren schlecht, weil der Lebensstandard nicht mehr von der eigenen oder der Familienleistung abhing, sondern von der Führung der Kommune und deren Erfolg, auch von den Beziehungen des Familienoberhaupts zur Leitung der Kommune.

Zeit wurde zudem mit ideologischer Schulung vertan. Die Einsichten von Smith zum Arbeitsanreiz durch Eigentum, von Mises zur Notwendigkeit von Privatbesitz an Produktionskapital, von Hayek zu dezentralen Entscheidungen zwecks Nutzung des fragmentierten Wissens und von Schumpeter zum privaten Unternehmertum wurden nicht beachtet. Mehr als sechs Prozent der damaligen chinesischen Bevölkerung sind durch Hunger umgekommen.

Xi Jinping muß sich nicht an Mao orientieren. Er könnte sich auch Deng Xiaoping zum Vorbild nehmen, den Architekten des wirtschaftlichen Aufstiegs Chinas seit Ende der 1979er Jahre.

Die Obrigkeit duldete das Entstehen des Verantwortungssystems: Bauern verteilten das Ackerland der Volkskommunen an Familien. Sie wirtschafteten selbständig und konnten so ihr implizites Wissen nutzen, mußten aber vereinbarte Mengen an Feldfrüchten zu festgesetzten Preisen abliefern. Überschüsse durften sie auf Märkten verkaufen, was die Arbeitsanreize verbesserte. Das war der Anfang der Preisfreigabe. Die Agrarproduktion und das bäuerliche Einkommen stiegen rasch. Der nächste Schritt war die Entstehung von Privatbetrieben auch außerhalb der Landwirtschaft. Die unternehmerische Privatwirtschaft, Wettbewerb und Knappheitspreise wurden schrittweise eingeführt.

Dabei spielte der Wettbewerb der herrschenden Kader in den Gemeinden, Städten und Provinzen eine wichtige Rolle. Diese lokalen und regionalen Parteimänner hatten in Wirtschaftsfragen Entscheidungsspielraum und den Anreiz, diesen zu nutzen. Die Karrierechancen von Kadern besserten sich mit dem ökonomischen Wachstum ihrer Region. So bekamen kommunistische Funktionäre ein Interesse daran, die privaten Eigentums- und Verfügungsrechte von Unternehmern zu achten und freie Preise zu dulden. De jure wurde Privateigentum an Produktionskapital erst Anfang des 21. Jahrhunderts anerkannt, bäuerlicher Landbesitz ist bis heute in China unsicher.
In Anbetracht der Unsicherheit von Eigentumsrechten in China, der latent immer vorhandenen Bedrohung der unternehmerischen Freiheit durch die Kommunistische Partei, kann man die unvergleichliche Wirtschaftsentwicklung und die Befreiung von ca. 800 Millionen Menschen aus bitterer Armut als ein Wunder bezeichnen.

Dazu beigetragen haben auch die Vorteile der Rückständigkeit. Chinas Möglichkeit, vom Ausland Technologien und Organisationsmodelle zu übernehmen, von dort Ideen, unternehmerisches Talent (darunter auch erfolgreiche Auslandschinesen) und Investitionskapital anzuziehen, in reicheren Ländern aufnahmefähige Märkte zu finden, beruhten auf der größeren wirtschaftlichen Freiheit anderswo. Die Chinesen nutzen diese Chance durch Disziplin, Fleiß und ihr großes Humankapital.
Wer davon überzeugt ist, daß Smith, Mises, Hayek und Schumpeter wesentliche Voraussetzungen für Wohlstand und Wachstum identifiziert haben, muß Chinas Wachstumsaussichten skeptisch beurteilen. Nicht weil Xi Jinping ein Autokrat ist. Sondern weil seine Politik bisher eine Zentralisierung ökonomischer Entscheidungen begünstigt.
Erstens hat die Kommunistische Partei die Industriepolitik im Land nie aufgegeben; Eingriffe nehmen eher wieder zu.
Zweitens hatten es Staatsbetriebe immer leichter als Privatbetriebe, an Kredite zur Finanzierung von Investitionen zu kommen. Die tendenziell größere Innovativität und Produktivität privater Unternehmen nutzt das Reich der Mitte nicht voll aus.
Drittens will Peking künftig stärker an unternehmerischen Entscheidungen beteiligt sein, wie das Wachstum der betrieblichen Parteiorganisationen zeigt. Je mehr die Parteizellen sich in die Unternehmensführung privater Betriebe einmischen, desto mehr wird Privatbesitz von Unternehmen zur leeren Hülle.
Bisher ist Xi Jinping kein Förderer der unternehmerischen Freiheit gewesen. Chinas künftiges Wachstum könnte darunter leiden. Denkbar ist auch, daß die hier hervorgehobenen Protagonisten wirtschaftlicher Freiheit deren instrumentellen Wert für das Wachstum überschätzten, und daß wir von Xi Jinping und China lernen müssen, daß der Preis von Freiheitsdefiziten gering ist. Ich glaube das allerdings nicht.

Prof. Dr. Erich Weede, Jahrgang 1942, ist Sozial- und Politikwissenschaftler und hat in Mannheim, Köln und Bonn sowie in den USA gelehrt.
… Alles vom 3.2.2023 von Erich Weede bitte lesen in JF 6/23, Seite 22

 

Eine seltsame Großmacht: Chinas nationale Strategie
Die ganze Welt schaut auf China als den aufstrebenden Konkurrenten der Vereinigten Staaten. Tatsächlich ist die Dynamik der chinesischen Wirtschaft enorm. Dabei werden jedoch die spezifischen Probleme des Landes meist übersehen. Man muss sie aber kennen, um Pekings Strategie zu verstehen.

China ist der Inbegriff von Dynamik. Bis ins 20. Jahrhundert standen die Regionen Tibet, Xinjiang, die Mandschurei und die Innere Mongolei nicht unter der politischen Kontrolle der chinesischen Regierung. Sie wurden oder werden stark von der Macht anderer beeinflusst – Tibet von Indien, Xinjiang von der Türkei, die Innere Mongolei von Russland und die Mandschurei sowohl von Russland als auch von Japan.
Diese vier Pufferregionen bedeuten für China Sicherheit, aber auch Verwundbarkeit, da sie sich der chinesischen Herrschaft zu verschiedenen Zeiten widersetzt haben. Han-China, also jenes Gebiet, das wir für das „wahre“ China halten
https://www.cicero.de/kultur/china-westen-geschichte-supermacht
und das sich hauptsächlich entlang der Küste befindet, ist von diesen Regionen und potenziellen Feinden umgeben und war historisch gesehen für dynastische und Bürgerkriege prädestiniert. In der Zwischenzeit sind ausländische Mächte über den Pazifik in Han-China eingedrungen, entweder durch formelle Kolonien (Großbritannien, Portugal und Japan) oder durch informellen wirtschaftlichen Druck (die Vereinigten Staaten).

Der interne Druck innerhalb Han-Chinas,
https://www.cicero.de/aussenpolitik/supermacht-china-unangenehme-wahrheiten/plus
der Druck von Chinas Nachbarn und der Druck vom Meer aus
https://www.cicero.de/aussenpolitik/chinesische-marine-die-seemacht-des-21jahrhunderts/plus
haben China seit jeher in einem Zustand gehalten, in dem die Gefahr einer Zersplitterung bestand. Den Kommunisten, die das moderne China geschaffen haben, war das völlig bewusst. Mit dem Marxismus als politischem Werkzeug war das wichtigste Ergebnis des Sieges der Kommunistischen Partei Chinas im Jahr 1947 die gewaltsame Vereinigung des Landes. Ein Mittel, um dies zu erreichen, war die Durchsetzung von Pekings Willen in den Pufferzonen; ein anderes die Isolierung des Landes von einem Großteil des globalen Handelssystems, wodurch die Macht ausländischer Nationen entlang der Küste ausgeschaltet wurde. Das Ergebnis war natürlich Armut in weiten Teilen des Landes.

Dengs Strategie
Und obwohl Mao China auf Kosten des chinesischen Wohlstands geeint hatte, versuchte Deng Xiaoping, die Isolation zu mildern, um Chinas Armut zu verringern und Unruhen zu verhindern. Seine Strategie war eine wirtschaftliche. Chinas Vorteil bestand in einer disziplinierten Arbeiterschaft, deren Lohnniveau extrem niedrig war. Wie die Vereinigten Staaten in den 1880er Jahren und Japan in den 1950er Jahren wollte Deng, dass China seinen Kostenvorteil und seine Disziplin nutzt, um durch den Export von Waren mit dem Ausland zu konkurrieren. Er glaubte, dass ein Engagement im Ausland dank der Stärke der Kommunistischen Partei Chinas dieses Mal nicht zu einer Zersplitterung führen würde.

Und er hatte Recht. China hat seine Puffer bewahrt, die internen Spannungen in Han-China minimiert und seinen Wohlstand massiv vergrößert. Das strategische Problem, vor dem China nun steht, ist die Frage, ob das Wirtschaftswachstum, das für die innere Stabilität entscheidend ist, mit der nationalen Einheit in Einklang gebracht werden kann. Und zwar, indem der Druck ausländischer Mächte abgewehrt wird, die von Chinas Wirtschaftswachstum angezogen oder abgestoßen werden.

Die Niederschläge sind vielleicht der wichtigste geopolitische Faktor für China. Um eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion zu gewährleisten, ist eine jährliche Niederschlagsmenge von mindestens 380 Millimeter pro Quadratmeter erforderlich. In einem großen Teil des Landes regnet es jedoch nicht so viel, und daher gibt es dort auch keine Landwirtschaft. Die Demarkationslinie ist die 380-mm-Isohyete, die das moderne China ungefähr in zwei Hälften teilt. Die Linie komprimiert auch die Bevölkerung Chinas, die zu 94 Prozent östlich dieser Isohyete lebt.

Das bedeutet, dass etwa 1,3 Milliarden Menschen auf weniger als der Hälfte von Chinas Fläche leben. Auf diesem Stück Land müssen alle in China angebauten Lebensmittel produziert werden. Von den sechs Prozent der Bevölkerung, die westlich dieser Linie leben, sind die meisten Tibeter, Uiguren, Innere Mongolen usw. Es handelt sich dabei um die erst kürzlich hinzugewonnenen und daher in den letzten Jahren besonders instabilen Regionen.

Chinas geopolitisches Problem
Das geopolitische Problem Chinas ist also ziemlich einzigartig. Der Erwerb von Territorien geht normalerweise mit der Ansiedlung von Teilen der Kernbevölkerung einher, um die Region an den Kern zu binden oder um Ressourcen hinzuzugewinnen. Das war für China nicht ohne weiteres möglich. Dadurch wurde die Verwundbarkeit Chinas vom Westen her noch verstärkt. Ausländische Mächte, die aus dieser Richtung eindrangen, waren eine Sache – Armut und damit einhergehende politische Instabilität eine andere. Daher nutzten die Kommunisten unter Mao diese Regionen, um eine militärische Streitmacht zum Sturz der Nationalisten zu bilden.

Tatsächlich versuchte Mao 1927, einen Aufstand in Schanghai anzuzetteln, scheiterte jedoch. Ein Grund für diesen Misserfolg lag darin, dass die chinesische Küstenregion die wohlhabendste war, da sie für den Handel mit Europa und den Vereinigten Staaten offen war. Die Küstenregion und das Landesinnere unterschieden sich grundlegend in ihrer Sicht auf die Welt und in ihrer Lebensweise. Die Küste war kosmopolitisch und integriert. Das Landesinnere war arm und isoliert. Also nahm Mao den langen Marsch nach Yenan im Landesinneren auf sich, stellte eine Armee aus armen Bauern auf, stürzte im Laufe von etwa 20 Jahren das bestehende Regime und führte den Kommunismus ein. In gewissem Sinne stürzten die westlichen Bauern die Klasse kosmopolitischer Handelsleute.

Geringes Pro-Kopf-Einkommen
Die Unterscheidung zwischen Küste und Landesinnerem besteht auch heute noch. China hat das zweitgrößte BIP der Welt. Bezogen auf den Pro-Kopf-Anteil rangiert es jedoch weltweit nur auf Platz 75. Dies erklärt einen Großteil von Chinas Verhalten, wie etwa das Überleben von Zombie-Unternehmen, die Entwicklung des Landesinneren durch die Neue-Seidenstraßen-Initiative und das bisweilen rücksichtslose Vorgehen gegen die Opposition im Westen.

Chinas zentrale geopolitische Herausforderung ist daher wirtschaftlicher Natur:
1. Es muss genügend Wohlstand schaffen, um eine Fragmentierung und Unruhen zwischen den Regionen zu verhindern.
2. Es kann nicht genügend Wohlstand im eigenen Land erzeugen, um dies zu erreichen.
3. Also muss China das BIP, das es erwirtschaften kann, durch Exporte generieren.
4. Es muss ungehinderten Zugang zu den Weltmärkten haben, insbesondere durch die Gewässer vor seiner Ostküste. Alles, was ihm diesen Zugang verwehrt, ist eine existenzielle Bedrohung.
5. Chinesische Exporte können ausländische Volkswirtschaften unterminieren. Dies kann zu wirtschaftlichen oder anderen Vergeltungsmaßnahmen führen.
6. China muss angesichts interner Unruhen oder ausländischer Agitation die Kontrolle über seine Pufferzonen außerhalb des Han-Gebiets aufrechterhalten.
Pekings Handlungsmaximen
Chinas Strategie folgt deshalb mehreren Maßgaben:

1. China muss die Qualität seiner Exporte zumindest beibehalten, wenn nicht sogar steigern. Idealerweise wären dies Produkte, die in den ärmeren Regionen des Westens hergestellt werden könnten, um die wirtschaftliche Lücke zu schließen. Die Tatsache, dass inzwischen auch viele andere Länder im Niedriglohnsektor produzieren, erschwert dies jedoch. China muss daher bei fortschrittlicheren Produkten mit höheren Gewinnspannen konkurrieren, doch dadurch gerät das Land in Konkurrenz zu Industrien in fortgeschrittenen Volkswirtschaften, die Chinas wichtigste Exportmärkte sind. Diese Länder könnten ihrerseits mit Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen reagieren. Chinas strategischer Imperativ besteht darin, ein ständiges Gleichgewicht zwischen den inländischen Erfordernissen und den ausländischen Reaktionen herzustellen und die Palette der ihm zur Verfügung stehenden Optionen zu erweitern.

2. China muss sich mit militärischen Bedrohungen auseinandersetzen, insbesondere vonseiten der Vereinigten Staaten. Der aktuelle Spannungszyklus begann mit den US-Zöllen auf einige chinesische Produkte. Unter diesen Umständen musste Peking seine Sicherheit in Gebieten von Japan bis zum Indischen Ozean neu überdenken. Die Gefahr bestand darin, dass die Vereinigten Staaten beschließen könnten, chinesische Häfen zu blockieren oder Engpässe zwischen den China umgebenden Inseln zu schließen und so Chinas Zugang zum Pazifik zu versperren. China muss von der Annahme ausgehen, dass eine amerikanische Bedrohung möglich ist.
Eine Gegenmaßnahme besteht darin, die Engpässe zu von China kontrollierten Passagen zu erweitern, beispielsweise durch die Einnahme Taiwans oder eines anderen Punktes. Das ist eine gefährliche Strategie, und wenn sie scheitert, wird sie China in eine noch prekärere wirtschaftliche und politische Lage bringen. China muss daher versuchen, Verhandlungen zu erzwingen. Gelingt dies nicht, muss Peking nach anderen Möglichkeiten auf der ganzen Welt suchen, die die USA dazu bewegen könnten, ihren Druck auf China zu verringern.

3. Eine strategische Alternative für China besteht darin, die Bedrohung durch die USA im Südchinesischen Meer zu akzeptieren und eine andere Route für die Verteilung der Exporte zu finden. Die Neue-Seidenstraßen-Initiative wurde für diesen Zweck in Betracht gezogen, aber sie leidet unter mehreren Problemen, darunter die Kosten für den Transport auf dem Landweg und die schiere Anzahl der Länder, durch die sie führen würde (ganz zu schweigen von der schlechten Sicherheitslage in vielen dieser Staaten). Die chinesischen Investitionen in den westlichen Ländern dienen weniger der Schaffung einer solchen Passage als vielmehr dem Aufbau politischer Koalitionen auf der Grundlage von Investitionen.

4. Angesichts der strategischen Schwierigkeiten, mit denen China konfrontiert ist, muss Peking die Kontrolle über seine Pufferregionen aufrechterhalten, insbesondere dort, wo eine internationale Bedrohung bestehen könnte. In Tibet muss China die innere Sicherheit aufrechterhalten und Indien eindämmen. In Xinjiang ist es bis zum Äußersten gegangen,
https://www.cicero.de/aussenpolitik/uiguren-china-xinjiang-menschenrechte-addidas-esprit-internierungslager/plus
um die innere Sicherheit aufrechtzuerhalten und abweichende Meinungen zu unterdrücken.

Ein Resümee
Was bedeutet das alles letztendlich?
China ist eine Defensivmacht, keine Offensivmacht. Sein grundlegendes strategisches Interesse besteht darin, die Einheit Han-Chinas zu bewahren und das Land durch die strategische Tiefe seiner Pufferregionen und vor interner Opposition durch ein nach innen ausgerichtetes Militär vor Übergriffen zu schützen. Historisch gefährliche Staaten wie Japan, Russland und die Türkei sind derzeit schwach und nicht motiviert, sich einzumischen. Daher besteht das primäre strategische Interesse Chinas darin, die Vereinigten Staaten daran zu hindern, seine Meeresausgänge zu blockieren. All dies wird von der Notwendigkeit angetrieben, eine robuste Wirtschaft aufrechtzuerhalten, um Han-China zu befrieden.

China hält seine Wirtschaft aufrecht, indem es der größte Exporteur der Welt ist. Da die Vereinigten Staaten der größte Importeur der Welt sind, besteht ein grundlegendes Spannungsverhältnis. China braucht Zugang zu den US-Märkten, ohne dass die USA einen entsprechenden Zugang zu den chinesischen Märkten erhalten. China muss seine heimische Wirtschaft aus Gründen der nationalen Sicherheit aufbauen, aber diese Wirtschaft steht unter Druck – und es ist nicht hinnehmbar, dass US-Firmen über ein bestimmtes Maß hinaus innerhalb China konkurrieren dürfen.

Dies hat eine militärische Situation geschaffen, in der China hofft, die USA von seinen Häfen und Nadelöhren fernzuhalten und die Möglichkeit einer US-Blockade auszuschließen. Peking ist sich darüber im Klaren, dass eine solche Blockade sehr unwahrscheinlich ist, aber die Folgen für China im Falle eines solchen Ereignisses sind zu groß, um sie zu riskieren.

Mit anderen Worten: Das moderne China muss Dengs wirtschaftlichen Ansatz beibehalten, aber Maos Ziel eines geeinten Chinas erreichen. Chinas nationale Strategie ist insofern seltsam, als China eine Großmacht ist, die sich auf die Wirtschaft konzentrieren muss – und es wurde in eine wirtschaftliche und militärische Konfrontation mit den Vereinigten Staaten als einem wichtigen Kunden und einer großen Militärmacht gedrängt.
https://www.cicero.de/aussenpolitik/nato-abschlusskommunique-biden-europa-china-russland
Chinas strategisches Ziel muss es sein, sich aus dieser Position zu lösen und gleichzeitig die nationale Einheit zu bewahren
… Alles vom 5.9.2021 von George Friedman bitte lesen auf
https://www.cicero.de/aussenpolitik/china-nationale-strategie-eine-seltsame-grossmacht-george-friedman
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George Friedman, 72, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik Geopolitical Futures und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.
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WELCOME TO GEOPOLITICAL FUTURES (GPF)
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George Friedman,
Founder, Geopolitical Futures
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