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Blick vom Schauinslandturm übers neblige Münstertal und Rheintal am 15.11.2012

  • Die arabische-islamische Zivilisation ist zusammengebrochen (20.11.2014)
  • Frauen in Ägypten: Rechtlos und genitalverstümmelt (26.11.2013)
  • https://www.freiburg-schwarzwald.de/blog/youth-bulges-jugend-und-krieg/ (11.9.2013)
  • Jugend-Tsunami – Bevölkerungswachstum in Ägypten (18.8.2013)
  • Gottesstaat oder säkularer Staat? (17.8.2013)
  • Ist Demokratie die geeignete Gesellschaftsform für Staaten, die gespalten sind? (29.7.2013)
  • Militär setzt Ägyptens Präsident Mursi am 3.7.2013 ab (3.7.2013)
  • ab Meine lieben Muslimbrüder (30.12.2012)
  • Iran
  • Islam
  • Israel

 

„Mehr als die Hälfte aller Frauen in der arabischen Welt kann laut UN nicht lesen und schreiben. Das ist eine der höchsten Analphabetismusraten weltweit. Wie soll ich diese Region je weiterentwickeln, wenn die Hälfte ihrer Menschen vernachlässgt wird.“
Laura Boushnak, palästinensische Photographin, lebt in Serajewo, Projekt „I read, I write“
DIE ZEIT, 23.12.2014, S. 68

 

Die arabische-islamische Zivilisation ist zusammengebrochen

„Die arabische Zivilisation, wie wir sie einmal kannten, gibt es nicht mehr. Die arabische Welt von heute ist so gewalttätig, so instabil, so fragmentiert und so sehr von Extremismus getrieben – Extremismus sowohl von  Herrschern als auch von Oppositionellen – wie noch nie seit dem Ende des Osmanischen Reichens vor hundert Jahren.“ Dies schreibt kein Araberhasser und kein von Islamophobie Getriebener, sondern der Libanese Hisham Melhem vom TV-Sender Al-Arabia aus Dubai.

Der bekannte Journalist Melhem zeichnet ein düstere Bestandsaufnahme:
(1) Alle Hoffnungen des arabischen Frühlings sind dahin. „Nur die antiquierten Monarchein und Emirate am Golf sowie möglicherweise Tunesien widerstehen vorläufig noch den Fluten, ansonsten existiert in der arabischen Welt von heute keine Legitimität mehr.“
(2) Nach 1967 wurden die arabischen sekulären Nationalisten nach und nach verdrängt durch den politischen Islam: „wenn der Niedergang Arabiens das Problem sei, dann sei der Islam die Lösung, mit dieser Logik gewannen die Islamisten Einfluß.
(3) „Das Jahr 1979 mit der islamistischen Revolution im Iran war für den politischen Islam ein Wendepunkt.“ Der geopolitische Kampf der schiitischen Vormacht Iran gegen die sunnitische Zentrale Saudi-Arabien begann und wird lange anhalten.

Für Melhem sind Demokratie, Menschen und Frauenrechte mit dem politischen Islam nicht zu vereinbaren:
„Aus der Sicht der meisten Islamisten bedeutet Demokratie einfach nur Mehrheitsprinzip plus Scharia, wobei die Scharia die Ungleichheit der Geschlechter und die Diskriminierung von Nichtmuslimen vorschreibt. Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht: Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür, dass sich der politische Islam mit moderner Demokratie versöhnen läßt.“ Weltweit „existiert keine einzige islamistische Ordnung, die man als demokratisch und gerecht oder einfach nur als Beispiel für ein gut regiertes Gemeinwesen anführen könnte.“

Melhem flüchtet sich nicht in die – bei Muslimen und Arabern allzuoft beschwörte – Opferrolle, sondern weist den Arabern selbst die volle Schuld und Verantwortung zu: „Die Araber haben Jahrzehnte und Generationen gebraucht, um an diesen Tiefpunkt zu gelangen. Es wird sie viel Zeit kosten, sich wieder zu erholen. Zu meinen Lebzeiten wird dies nicht mehr geschehen. Meiner Generation haben sowohl die Nationalisten als auch die Islamisten erklärt, wir sollten die Bollwerke erklimmen, um die arabische Welt gegen die Barbaren (Imperialisten, Zionisten, Kreuzzügler, Sowjets) zu verteidigen. Wir ahnten nicht, dass sich die Barbaren bereits innerhalb unserer Tore breitgemacht hatten, dass sie unsere eigene Sprache sprechen und sich in der Stadt bereits sehr gut verschanzt hatten.“

Melhem sieht die Ausdehnung des IS als Folge des Niedergangs der „Arabischen Welt“:
„Die Dschihadisten des IS sind nicht aus dem Nichts aufgetaucht. Sie sind das Symptom einer tieferliegenden Krankheit, welche die arabische politische Kultur schon vor Jahrzehnten erfasste.“

 

Frauen in Ägypten: Rechtlos und genitalverstümmelt

Laut Thomson Reuters geht es den Frauen in keinem anderen arabischen Land so furchtbar schlecht in Ägypten, da dort die weibliche Genitalverstümmelung am weitesten verbreitet ist. Nach Unicef-Angaben sind 91 Prozent der Ägypterinnen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. Schon 2006 erklärte Scheich Ali Gom’a, Großmufti und Professor für Rechtswissenschaft an der Kairoer Al-Azhar-Universität, dass die Genitalverstümmelung mit den Werten des Islam keinesfalls vereinbar sei. Nur setzt sich diese Meinung in der Gesellschaft nicht durch. Dazu kommt, dass über 60% der Ägypterinnen weder lesen noch schreiben können.

Thomson Reuters Foundation befragt 336 Experten in 22 Staaten – POLL-Egypt is worst Arab state for women
https://www.trust.org/item/20131108170910-qacvu/
https://poll2013.trust.org

UNICEF zur Beschneidung von arabischen Frauen:
https://www.unicef.org/media/files/FGCM_Lo_res.pdf

„In Ägypten hält sich die Tradition besonders beharrlich. Wir kämpfen hier gegen tief verwurzelte soziale Normen“, s so Nihad Gohar von der Frauenrechtsorganisation UN Women in Kairo:
www.unwomen.org
Genitalverstümmelung – Der Nil heilt die Wunden nicht
In Ägypten werden Mädchen in der Regel zwischen sieben und zwölf Jahren beschnitten. Meistens wird die Klitoris-Vorhaut oder die ganze Klitoris herausgeschnitten, manchmal außerdem die kleinen Schamlippen. Im Süden des Landes werden viele Mädchen sogar infibuliert. Dabei wird die Vagina zusätzlich bis auf eine kleine Öffnung zugenäht – die der Mann vor dem sexuellen Verkehr aufschneidet. …
Alles zu diesem erschütternden Bericht vom 25.11.2013 bitte lesen auf
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-11/aegypten-genitalverstuemmelung

 

Jugend-Tsunami – Bevölkerungswachstum in Ägypteh
Die Bevölkerung in Ägypten nahm von 36 Mio Einwohnern im Jahr 1970 auf über 82 Mio in 2013 zu. Man spricht vom „Jugend-Tsunami“:  Mehr als die Hälfte der Einwohner ist jünger als 25. Das mittlere Lebensalter der Bevölkerung liegt bei 24 Jahren. Ägypten als mit Abstand einwohnerstärkstes Land im Norden von Afrika wächst so schnell wie kein anderes Land – alljährlich um über zwei Prozent.
„Der Westen hat die Pille erfunden, deswegen wird sie von Islamisten wie den Musimbrüdern abgelehnt“ – ARD-Presseclub am 18.8.2013. Es ist zu erwarten, dass das Bevölkerungswachstum in Zukunft noch rasanter zunehmen wird.

 

Gottesstaat oder säkularer Staat?
Die Europäer hatten ihren 30-jährigen Krieg mit Millionen Toter, um die axiomatische Frage zu entscheiden: Gottesstaat oder säkularer Staat. Vor dieser Frage stehen jetzt alle mohammedanischen Staaten. Es steht zu befürchten, dass sie ohne den europäischen Blutzoll auch diese Frage nicht für sich entscheiden können. Die Europäer sollten sich heraushalten, da sie sonst in jeder Form beschuldigt werden könnten.
Die besserwisserischen und notorisch unbelehrbaren USA werden sich nicht heraushalten und sich so sehr rasch weitere Feinde schaffen. Der Westen mag die Toten beider Seiten ehrlich bedauern; verhindern kann er sie nicht.
17.8.2013, Dr. Christian Wittig, Düsseldorf

 

Ist Demokratie die geeignete Gesellschaftsform für Staaten, die gespalten sind?
Ist die Demokratie die geeignete Gesellschaftsform für Staaten, die gespalten sind in die gebildete Stadtbevölkerung (die „happy few“) und die Ungebildeten auf dem Lande. Ist die Demokratie die Lösung für Staaten mit einem hohen Anteil an Analphabeten?
In Ägypten sind rund ein Drittel der Bevölkerung Analphabeten. Der Friedensnobelpreisträger ElBaradei: „Wir haben jetzt die gebildete Mittelschicht in einem Lager und die sogenannten Islamisten und die Mehrheit des analphabetischen Bevölkerungsteils auf der anderen Seite.“ Gegen Mursi stehe „so ziemlich jeder, der in Ägypten gebildet ist“. Der ägyptische Schriftsteller Alaa al-Aswani geht noch weiter und fordert, den Analphabeten das Wahlrecht zu entziehen: „Die Demokratie der Salafisten und Muslimbrüder: Sie kaufen die Stimmen der Analphabeten mit Zucker und Öl und treiben sie im Namen des Islams in die Wahlkabinen“.  Dem Vorwurf, mit dem Vorschlag des Wahlrechtsentzugs Rassismus zu vertreten, entgegnet Aswani, das dies doch gerade ein großer Bildungsanreiz darstelle.
Dass große Teile der Eliten ihr eigenes Volk verachten, gibt es nicht nur in Ägypten.
In Algerien flossen der Landbevölkerung aus Saudi-Arabien große Geldsummen zu, um so den Islamisten zum Wahlsieg zu verhelfen – daraufhin der Putsch. In Tunesien und Lybien das gleiche Problem.
In der Türkei erleben viele Städter in Istanbul, Izmir oder Ankara fassungslos den Aufstieg der AKP von Erdogan und ihren gläubigen mutmaßlich islamistischen Anhängern aus der Provinz.
„Die Demokratie bricht in dieses ganze System als dramatischer Störfaktor ein. Wir in unseren eingespielten westlichen Gesellschaften machen uns selten klar, welche Provikation im demokratischen Prinzip eigentlich liegt: dass politische Rechte vollkommen leistungs- und voraussetzungslos zuerkannt werden. Nicht nur zählt die Stimme des Armen genauso wie die des Reichen, sondern auch die des Dummkopfs nicht weniger als die des Genies, die des Versagers so viel wie die des Erfolgreichen.“
„Sind die Frommen die Dummen – Warum Klassendünkel gegen den politischen Islam die Demokratie gefährdet“, 25.7.2013, DIE ZEIT

29.7.2013

 

 

 Militär setzt Ägyptens Präsident Mursi am 3.7.2013 ab

Das Militär ist die wahre Wirtschaftsmacht in Ägypten
Ägyptens Armee betreibt Hunderte Hotels und Krankenhäuser, Autowerkstätten und Konservenfabriken, Kegelbahnen und Bäckereien. Zehntausende Ägypter arbeiten allein in den mindestens 26 Fabriken, die militärische wie zivile Güter herstellen. Ob Ägypter einen Kühlschrank oder einen Fernseher kaufen, der Bildungsminister Laptops bestellt, die Eisenbahn neue Züge oder der Chef der Feuerwehr neue Löschwagen in Auftrag gibt oder ob der Wohnungsbauminister neue Müllverbrennungs- oder Kläranlagen braucht: Alle landen bei Tantawi und der Militärwirtschaft. ….
https://www.welt.de/wirtschaft/article12516998/Das-Militaer-ist-die-wahre-Wirtschaftsmacht-in-Aegypten.html

Wirtschaftsmacht Militär: Ägyptens General-Direktoren
Hotels, Autofabriken, Bäckereien: Ägyptens Militär kontrolliert ein riesiges Schattenreich aus Firmen, die sich jeder Kontrolle entziehen. Die Generäle blockieren Reformen und lähmen die Wirtschaft. Wenn sich das nicht ändert, wird auch der nächste Präsident keine Chance haben. ….. Der zivile Militärapparat paralysiert den Wettbewerb, schreckt ausländische Investoren ab und erschwert die Modernisierung der ägyptischen Wirtschaft und damit den sozialen Aufschwung. Vier von zehn Ägyptern leben noch immer unter der von den Vereinten Nationen festgelegten Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag, auch bessergestellten jungen Menschen fehlt oft eine Karriereperspektive. …..
Alles vom 5.7.2013 bitte lesen auf
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/aegypten-militaer-als-wirtschaftsmacht-a-909393.html

 

 

Meine lieben Muslimbrüder

Herzlichen Glückwunsch, liebe Muslimbrüder. Ihr habt die Abstimmung über die neue Verfassung gewonnen und Euren Anhängern das ewige Paradies gesichert. Gegen Euch gingen zwar Hunderttausende Ägypter auf die Straße, aber Ihr sitzt fest im Sattel. Ihr habt Eure bewaffneten Milizen auf die Straße geschickt. Ihr seid viele und fühlt Euch mächtig. Aber hier lauert die größte Gefahr für Euch. Ihr glaubt, Gott sei auf Eurer Seite und Eure Gegner seien nur die Feinde des Islam. Das entmenschlicht uns in Euren Augen und macht Gewalt gegen uns legitim. Nun herrscht auf den Straßen Kairos der innere Zusammenprall der Kulturen, und dieser Kampf könnte Ägypten ins politische Chaos stürzen. Touristen bleiben dem Land fern, inländische und ausländische Investoren ergreifen die Flucht. Mit der friedlichen Facebook-Jugend wolltet Ihr nicht reden, aber wie werdet Ihr mit der hungrigen, arbeitslosen Jugend umgehen, die sich irgendwann gegen Euch erheben wird?  Diese Jugend kann keine Scharia essen. Sie will Arbeit und sie will Brot, und sie wird nicht friedlich demonstrieren.
Ihr seid durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen, aber Ihr nutzt die demokratischen Spielregeln nun als Trojanisches Pferd, um die Demokratie von innen zu unterwandern. Mit Artikel II der neuen ägyptischen Verfassung soll die Scharia als Grundlage für die Gesetzgebung gelten. Dies würde bedeuten, dass die Geistlichen, wie im Iran, die Macht über die Justiz erlangen und alle Gesetze auf Scharia-Festigkeit überprüfen können. Die Einführung der Scharia würde Alkoholverbot, totale Geschlechtertrennung, Badeverbot für Frauen und Zinsverbot bedeuten. Für ein Land, das auf Tourismus und ausländische Investitionen angewiesen ist, wäre das das Ende. Liebe Muslimbrüder, begreift endlich, dass Ägypten allen Ägyptern gehört: Muslimen, Kopten, Juden, Bahais oder Atheisten. Begreift, dass Demokratie etwas anderes als die Diktatur der Mehrheit ist. Schaut, was die Vermischung von Religion und Staat aus dem Iran, dem Sudan, Afghanistan und Somalia gemacht hat. Ägypten hat dank Euch eine schlechte Verfassung und ist in schlechter Verfassung. Behaltet Eure Macht, aber macht auch Platz für andere, die mehr von Wirtschaft und Politik verstehen. Dies ist keine Bitte einer geschlagenen Minderheit, denn wir sind stark und haben den längeren Atem. Zeit und die Geschichte sind auf unserer Seite. Wir wollen Euch nicht aus dem Land verjagen, aber wir dulden keine Bevormundung mehr.
Alles von Hamed Abdel-Samad  vom 30.12.2012 bitte lesen auf
https://www.welt.de/print/wams/debatte/article112300812/Meine-lieben-Muslimbrueder.html

Der Autor Hamed Abdel-Samad ist deutsch-ägyptischer Politologe und veröffentliche zuletzt „Der Untergang der islamischen Welt“ (2010)

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