FFF-Demo Freiburg für Ukraine

Erfreulich, daß 3000 überwiegend junge Menschen in einer von FridaysForFuture (FFF) organisierten Kundgebung auf dem Platz der Alten Synagoge für den Frieden in der Ukraine bzw. gegen den russischen Angriffskrieg demonstrierten. Gleichwohl: Die Verknüpfung von Klimarettung und Kriegsstop blieb dabei vage bzw. konstruiert.
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Meine Gespräche mit jungen Leuten offenbarten leider eine erschreckende Unkenntnis über die Ukraine bzw. Geschichte.  Die Schüler wissen nicht bzw. es ist ihnen gar nicht bewußt, daß
– das Russische und das Ukrainische in diesem zweitgrößten Staat Europas eng verwoben sind. Auf dem Land sind ca 7% der Bevölkerung Russen, in Städten gibt es einen russischen Anteil von 40% und mehr.
– Krim und Donbass besondere Konflike bergen.
– junge ukrainische Männer über 17 Jahre verpflichtet und bereit sind, für ihr Land, ihr Volk und ihre Freiheit mit der Waffe zu kämpfen.
– sich in diesem Bruderkrieg orthodoxe russische Christen und ukrainische Christen bekriegen.
– in der Ukraine die Religion eine zentrale Rolle spielt, auch bei der Jugend. Die Orthodoxie gilt nicht als ‚altmodisch‘ wie bei uns, sondern sie steht für die individuelle Freiheit.

Etliche Hassparolen gegen Russland waren auf der Demo von FFF am 3.3.2022 zu sehen. Es ist erschütternd zu sehen, wenn ca 16-jährige Mädchen Plakate hochhalten, die einen Bezug zwischen Russen und Nazis herstellen – und dabei voller Stolz meinen, hiermit auf der Seite der Guten zu stehen und nicht bemerken, daß sie damit nur ihre eigene Dummheit offenbaren. Denn sie tun – wahrscheinlich unwissentlich – dasselbe wie Putin, der seinen Angriffskrieg u.a. mit der „Entnazifizierung“ der Ukraine begründete.
Dies zeigt, wie sehr die seit dem 24.2.2022 von Mainstream-Medien und Politik verbreitete Russophobie bei den Jugendlichen wirkt. Die bösen Russen gegen die guten Ukrainer, Russen-Bashing und Ukrainer-Glorifizierung, so schwarz-weiss-einfach ist die Welt, die wir der Jugend auch in der gymnasialen Oberstufe anbieten.
Zum einen wenig Wissen: Auf meine Frage, ob sie mir die Anrainerstaaten der Ukraine nennen könnten, kam nur die bei Schülern so weit verbreitete Antwort „Keine Ahnung“.
Zum anderen rangiert der Gut-/Böse-Glauben (wobei der Mainstream die Mehrheit der Guten vorgibt, zu denen man natürlich zugehören will) vor der Argument- /Gegenargument-Diskussion (unbequem, da eine abweichende Meinung mühsam zu verteidigen ist).

Die DDR-Widerstandskämpferin Vera Lengsfeld beklagt in ihrem Beitrag „Politik und Medien schüren Hass gegen Russland (3.3.2022)“ zu recht die schlimme Kampagne von Hass und Hetze in Deutschland, die nun alles Russische überzieht, bis hin zum „russischen Zupfkuchen“, der ab sofort nur noch „Zupfkuchen“ heißen darf. Warum wird unsere Jugend mit solch einer Kriegsrhetorik überzogen und nicht mit einer Friedensrhetorik, die sie zur Diskussion anregt, wie etwa:
Bei der großen militärischen Überlegenheit wird Russland den Krieg gewinnen – dies ist nur eine Frage der Zeit. Frieden ist nur am Verhandlungstisch möglich, auch sofort: Die Ukraine verzichtet auf die Krim und Gebiete im Donbass. Die Nato garantiert die Neutralität der Ukraine (wie in Finnland). Die EU stellt weiter einen späteren EU-Beitritt der Ukraine in Aussicht. Russland könnte so ohne zu großen Gesichtsverlust den grausamen Angriffs-, Bruder- wie Bürgerkrieg sofort beenden.

Solch eine Friedensrhetorik mag für viele utopisch klingen, aber sie führt zur Debatte, zur Formulierung von Argument und Gegenargument. Vor allem beleidigt sie niemand. Der Krieg wie auch Putin gehen vorbei, das russische Volk und das ukrainische Volk hingegen bleiben uns als östliche Nachbarn erhalten. Wir müssen auch mit der Jugend, auch mit der FFF, über den Frieden mit diesen Nachbarn diskutieren, in der Schule wie auf der Demo. Wir dürfen die Jugend nicht in eine Gut-Böse-Polarisierung einspannen, aus kaum jemals ein Kompromiß in der Diskussion herausführt. Wir müssen wieder diskutieren lernen.

Genau in diesem Punkt zeigt sich die Bildungsmisere: An deutschen Schulen wird ein Gut-Böse-Antagonismus präsentiert (wobei es keinem Schüler zu verdenken ist, sich auf der Seite der vermeintlich Guten zu verorten), anstatt eine Diskussionskultur zu trainieren, die abweichende Meinungen als den Normalfall begreift. So war es bei Corona mit den bösen Impfskeptikern als Sündenböcke und so ist es jetzt im Krieg mit den bösen Russen, die man in Sippenhaft nimmt.
4.3.2022
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3000 Menschen demonstrieren in Freiburg gegen den Krieg in der Ukraine
„Wir stehen an eurer Seite“ – das war die Botschaft des Abends. Dabei waren die Zielrichtungen durchaus unterschiedlich. Während Vertreter von FFF militärische Aufrüstung im Zuge des Ukraine-Kriegs ablehnten, forderte Oksana Vyhovska, Vorsitzende der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft Freiburg, mehr Verteidigungswaffen für die Ukraine: „Europa und Deutschland haben verschlafen, uns Waffen zu liefern.“ Vyhovska appellierte an alle: „Wer helfen kann, soll helfen.“
… Alles vom 3.3.2022 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/3000-menschen-demonstrieren-in-freiburg-gegen-den-krieg-in-der-ukraine

 

Mitschüler haben „Russe, Russe!’ geschrien
„Sehr geehrter Herr Klonovsky, wir haben eine Haushaltshilfe, Olga, sie kommt aus Kasachstan und wohnt seit mindestens 20 Jahren hier. Sie war dort Lehrerin und muss hier putzen. Ihre Großeltern waren im Lager. Sie durfte als Kind nicht deutsch sprechen. Jeden Mittwoch frische ich meine Russischkenntnisse auf, die Margot Honecker mir verordnete. Gestern kam sie völlig aufgelöst zu uns und erzählte: Ein kleines Mädchen im Grundschulalter sei weinend nach Hause gekommen. Ihre Mitschüler hätten mit Fingern auf sie gezeigt und: ‚Russe, Russe!’ geschrien. Sie schluchzte: ‚Ich bin doch hier geboren, ich bin doch eine Deutsche.’ Olga selbst sprach schlechter als sonst, so aufgeregt war sie. In ihrem Viertel (Sozialwohnungen) grüßten sie die Nachbarn nicht mehr, ja sie schauten bei Begegnungen weg.
Ich fuhr an meiner ehemaligen Schule vorbei, wo ich 35 Jahre lehrte. In jedem, ja jedem Fenster klebte eine weiße Taube. Was soll man tun? Einen Leserbrief schreiben und einen Shitstorm provozieren?
Wir haben Brecht gelesen. Galilei.
Er widerrief, weil er gern aß.
Hätte ich einen Juden versteckt?
Mit traurigen Grüßen”
… Alles vom 4.3.2022 von Michael Klonovsky bitte lesen auf
https://www.klonovsky.de/2022/03/4-maerz-2022/

 

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