Fahrraddemo contra Steuerzahler?

Die Fahrraddemo am Freitag 9.10.2020 ab 17.30 Uhr bewirkte ein großes Verkehrschaos: Verstopfte Strassen im gesamten Stadtgebiet von Freiburg. Rückstaus durch den gesperrten B31-Tunnel bis nach Kirchzarten und bis zur Autobahn. Die Forderungen nach einer fahrradfreundlichen Umgestaltung des Verkehrs in Freiburg sind vernünftig. Aber warum ausgerechnet freitags in der Rush Hour demonstrieren und nicht z.B. samstags?

An der Demo beteiligten sich überwiegend junge Leute, „urban Anywheres“ – gut so, daß die Jugend ihre Forderungen auf die Straße bringt. Das Demonstrieren breitete ihnen sichtlich Freude – auch gut so. Die Polizei als „Dein Freund und Helfer“ eskortierte und beschütze – ebenfalls gut so. Aber vor wem beschützen? Vor dem laut schimpfenden Handwerker in seinem Renault Traffic, der nach siebenstündiger Servicearbeit in Stadtgebiet nun 2 Stunden im Stau warten muß, bis er endlich nach Hause in den Kaiserstuhl kommt?
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„Ich unterstütze den FR-Entscheid, wenn dabei der Lieferverkehr und die Mobilität von Menschen mit Behinderungen nicht über Gebühr eingeschränkt werden.“ Dieses Statement von Ernst von Weizsäcker (Nachhaltigkeitswissenschaftler / Träger des Deutschen Umweltpreises) auf https://fr-entscheid.de/ gilt auch für die Fahrraddemo: Man soll sein Demonstrationsrecht wahrnehmen, dabei aber nicht die Freiheitsrechte anderer einschränken.
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Warum diese Gleichgültigkeit bzw. Geringschätzung der arbeitenden Bevölkerung gegenüber?
Der Wohlstand der 83 Mio Bundesbürger wird von nur noch 15 Mio Nettosteuerzahlern “verdient”, und diese sind großenteils auf das private oder geschäftliche Kfz angewiesen. Diese Nettosteuerzahler, die allein unseren Sozialstaat aufrecht erhalten, fordern zu Recht ein autogerechtes Strassensystem. Am Verständnis, daß nur diese Nettosteuerzahler – man nennt sie auch Erwerbstätige – unseren Sozial- und Wohlfahrtsstaat auf Dauer (kurzfristig gehts ja auch auf Pump, wobei „kurz“ schon über Jahre hinweg andauert) am Leben halten, fehlt es anscheinend bei nicht wenigen der Demonstrierenden. Warum sonst antworten Sie dem o.a. schimpfenden Handwerker mit Häme (Auslachen) und Verachtung („Mach doch in der Zeit ein paar Liegestütze, dann nimmst Du ab“) – quittiert allerseits mit Applaus und Geklingel. Kommt ihr Strom wirklich nur aus der Steckdose und ihr Transfereinkommen wirklich nur von der Bank?
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Warum Fahrradfahren verquicken mit Extinction? Erschreckend viele Plakate wie Sprechchöre der Demo fordern zum Zerstören des bestehenden Systems auf, nicht zum Ändern oder Verbessern. Da geht es vermutlich weniger ums Fahrradfahren von Zähringen zur Uni-Bibliothek, als ums Zerstören des dazwischenliegenden Industriegebiets.
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Schade, dass das berechtigtes Anliegen der fahrradfreundlichen Neugestaltung unserer Innerortsstrassen durch Demonstranten konterkariert wird. Oder sind dies nur Trittbrettfahrer? Kaum, denn dann wäre das Trittbrett schon längst heruntergebrochen. Schade, denn mit urbanen Anwheres, die gegen die Somewheres agieren, wird die Verkehrswende nicht so leicht durchzusetzen sein.
15.10.2020
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B 31-Tunnel in Freiburg wegen Fahrraddemo gesperrt
Wegen der Fahrraddemo sind die Tunnel der B31 stadteinwärts am Freitag, 9. Oktober, ab etwa 17.30 Uhr für rund eine Stunde gesperrt. Dies teilt die Freiburger Stadtverwaltung mit. Die Demo beginnt um 17 Uhr am Platz der Alten Synagoge, organisiert wird sie vom Radentscheid Freiburg und Fridays for Future.
… Alles vom 8.10.2020 bitte lesen auf
https://www.badische-zeitung.de/b-31-tunnel-in-freiburg-wegen-fahrraddemo-eine-stunde-lang-gesperrt–196751890.html

Einige Kommentare:
Sympathie verschenkt?
Leider verschenkt die Fahrrad-Fahr-Community mit solchen Aktionen bei vielen ihre Sympathie. Keine Frage, wer einmal in Dänemark gesehen hat, wie man nachhaltig und sinnvoll Fahrrad-Fahrer (plural) in den Verkehr einbezieht, der weiß, dass sich noch viel ändern darf. Wer aber bewusst den Verkehr im B31 Tunnel blockiert, tut vielen Autofahrern einen „riesigen“ Gefallen. Sicherlich werden die zahlreichen Pendler und LKW-Fahrer mit der Aktion von den Vorzügen des Fahrradfahrens überzeugt. Eine Stunde vor dem Tunnel stehen bzw. im Stau eine Umfahrung zu nehmen ist gerade am Freitag sehr angenehm.
Als gebürtiger Pole kenne ich die Verhältnisse dort. Fast alle Städte und Gemeinden würden von einer Fahrrad-Infrastruktur wie in Freiburg nur träumen. Das wäre dort Utopie.
Mir ist bewusst dass die meisten Demonstrierenden entweder hier vor Ort arbeiten oder als Schüler / Studenten die Notwendigkeit des Verkehrs für Autofahrer nicht nachvollziehen können. Solange diese Bewegung aber in ihrer Blase für sich existiert, solange wird sie höchstens im alternativen Freiburger Einzugsgebiet auf Freunde treffen.
Mit einer Aktion, die auch die Lebenswelt von Menschen abseits der Liegefahrrad-Fangruppen und Hanftäschchen anspricht, würde man sicherlich viel mehr Sympathisanten gewinnen.
Fast jedem ist klar, dass im Fahrrad viel Potenzial liegt. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass moderne E-Bikes ein Pendeln deutlich erleichtern.
FAZIT: Lieber Aktionen machen, die die Unterstützung einer breiten Bevölkerung bekommen und nicht nur die Liegerad-Freunde erreichen.
8.10.2020, G.P.
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https://www.tz.de/muenchen/stadt/muenchen-radfahrer-studie-rote-ampel-sicherheiter-verkehrsclub-mobil-in-deutschland-zr-90018646.html
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Ohne „Fahrraddemo“ hätte es die Tunnelsperrung nicht gegeben
Insofern ist die Fahrraddemo ursächlich für die Tunnelsperrung – und für die daraus resultierenden Staus.
N.B. Ich kann trotz allem Verständnis für die Radler trotzdem das eine oder andere Mal nur den Kopf schütteln, wie einfach die Welt teilweise gemacht werden soll: Tagtäglich (!) werden in Deutschland 3 Milliarden (nicht Millionen!) Kilometer auf den Straßen zurückgelegt. Die Allermeisten fahren nicht aus Jux-und-Dollerei herum. Vielleicht gibt es irgendwo eine Statistik (ich habe auf die Schnelle keine gefunden), die aufzeigt, wieviel *überflüssige* Fahrten es denn tatsächlich gibt. Diese gilt es zu reduzieren. Die *nichtüberflüssigen* Fahrten mit PKW/LKW können m. E. nicht durch Fahrradfahrten ersetzt werden. Da kann man demonstrieren – und blockieren – wie man will.
8.10.2020, A.Q.

Jeder Fahrradunfall ist furchtbar
und wir müssen alles tun, um sie zu vermeiden. Auf dem Bild von der Demonstration sieht man, dass die meisten Teilnehmer keinen Helm tragen. Eine junge Frau in der ersten Reihe telefoniert mit dem Handy. Ebenfalls gleich in der ersten Reihe ein Lastenfahrrad.
Diese Fahrräder sind die SUVs der Radwege. Oft motorisiert, rasen sie über die Radwege, um ihre Wendigkeit zu demonstrieren. Autorennen sind verboten. Fahrradrennen scheinbar nicht. Immer mehr Kampfradler in dunklen Leibchen und Werbebotschaften sausen im Berufsverkehr in der Ideallinie (4 Millimeter Abstand zum Gegner) am Normalradler vorbei.
Mütter mit großen Kinderanhängern ohne Helm, aber mit Handy am Ohr, fahren sehr gerne in der Mitte der Radwege im Zeitlupentempo und erklären den Kindern die genaue Position der Reiswaffeln. Senioren sind häufig mit den schnellen E-Bikes überfordert, sind aber sehr gerne im dichtesten Berufsverkehr unterwegs. Dringender als Radschnellwege brauchen wir rücksichtsvolles Verhalten der Radfahrer auf allen Radwegen und Autostraßen.
14.10.2020, Roland Gut, Kirchzarten, BZ
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