EZB: endlose Geldvermehrung?

Den Corona-Wiederaufbaufonds der EU bezeichnet Hans-Werner Sinn in seinem Buch „Der Corona-Schock“ als „Etikettenschwindel“: Durch die von der EZB an EU-Südländer vergebenen Kredite werden deren marode Unternehmen künstlich am Leben erhalten (sprich: deren Bankrott verschoben), anstatt sie durch Neuinvestitionen  wettbewerbs-fähiger zu machen.
Die EZB druckt Geld, um damit in großem Umfang wertlose italienische, spanische, … Staatsanleihen aufzukaufen, das heißt gegen Euro zu tauschen. Diese Geldscheine nennt Prof. Sinn im FAZ-Interview (s.u.) ganz schlicht „Zettel“:
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„Die EZB hat immer mehr Zettel verteilt,
die Ansprüche auf ein Sozialprodukt beinhalteten,
das gar nicht erzeugt wurde.“
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Der stolze Inhaber eines solchen Zettels – z.B. eines 100-Euro-Geldscheins – in Apulien oder in der Algarve hat an Anspruch auf Güter bzw. Dienstleistungen, die noch gar nicht produziert worden sind bzw. die wahrscheinlich niemals produziert werden. Macht nichts: Denn dass der 100-Euro-Zettel jederzeit eingelöst werden kann, dafür haftet letztendlich Deutschland und somit der deutsche Steuerzahler.

Natürlich verteilt die EZB kein Geld direkt an die Bürger: Über das Corona-Anleihekaufprogramm der EZB (nun wieder um 500 Mrd Euro verlängert bis März 2022) können sich Geschäftsbanken und Sparkassen bei der EZB via nationaler Zentralbank Geld beschaffen, die dieses dann im Form von günstigen Krediten an unternehmerisch tätige Bürger weiterreichen.
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Hans-Werner Sinn als ehemaliger Chef des IFO-Instituts ist einer der renommiertesten Volkswirtschaftler Deutschlands. Wenn dieser geachtete Wissenschaftler mit bildhaften – gerade deshalb als deftig wirkenden – Begriffen wie Etikettenschwindel, Zettel bzw. Zettelwirtschaft argumentiert, dann tut er dies, um den Ernst der volkswirtschaftlichen Lage in Deutschland und EU verständlich zu machen:
Immer mehr Geldvermehrung löst keine Probleme, verschiebt sie höchstens etwas. Hunderttausende, Millionen, Milliarden und Billionen Euros als Zettel – dem Bürger geht es wie dem kleinen Jungen, der mit dem Zählen von so viel Geld gar nicht mehr nachkommt. Diese Zettel- bzw. Geldvermehrung muß ein Ende haben. Denn irgendwann werden die Zettel alle zur Einlösung vorgelegt werden – wenn es sein muß auch mit Gewalt.
11.12.2020
.geld

Droht eine Inflation, Herr Sinn?
Der frühere Ifo-Präsident diagnostiziert eine Liquiditätsfalle. Die Geldpolitik sei deshalb unwirksam. Hans-Werner Sinn bewertet die gemeinsamen EU-Anleihen im F.A.Z.-Interview kritisch.
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Langfristig bestehen erhebliche Gefahren. Das lässt sich an der enormen Ausweitung der Zentralbank-Geldmenge seit der Lehman-Krise von 900 Milliarden auf 6000 Milliarden Euro bis zum Sommer nächsten Jahres erkennen.
Die EZB hat immer mehr Zettel verteilt, die Ansprüche auf ein Sozialprodukt beinhalteten,
das gar nicht erzeugt wurde.
Das neu gedruckte Geld wurde benutzt, um die Einkommen der Wirtschaft, der Staatsbediensteten und der Empfänger von Sozialtransfers trotz der Wirtschaftsflaute zu stützen. Auch das Kurzarbeitergeld, das während der Corona-Krise gezahlt wird, kommt letztlich aus der Druckerpresse.
Das ist alles andere als eine solide Geldpolitik, die dem Geist des Maastrichter Vertrages verpflichtet ist. Allerdings gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen Geldmenge und Teuerung mehr, weil wir uns in einer keynesianischen Liquiditätsfalle befinden.
… Komplettes Interview von 10.12.2020 mit Hans-Werner Sinn bitte lesen auf
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/eu-anleihen-frueherer-ifo-praesident-fuerchtet-schuldenlawine-17094009.html
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Hans-Werner Sinn: Klartext zum Corona-Schock – Mission Money
27.10.2020
https://youtu.be/oRtWEgMmFEI

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