EU – Islam – Fundamentalismus

In seinem Buch „Blasphemische Gedanken – Islam und die Moderne“ (Ullstein, 2015) stellt der linke Philosoph Slavoj Zizek drei Thesen auf: Islamisten hassen den Westen – doch sie hassen eigentlich sich selbst. Islamisten mißtrauen der Frau – aber vielmehr noch ihrem Glauben. Der liberale Westen predigt Freiheit und Toleranz – und untergräbt beides ständig selbst.

Kluft und Spannungen zwischen westlich-demokratischer Wissensdemokratie und islamischer Glaubensgesellschaft nehmen mit dem „fundamentalistisch islamischem Terror“ zu. Dazu gibt es viele Erklärungsversuche:
– Erniedrigungen der islamischen Welt seit dem Ende des Osmanischen Reichens.
– Westlicher Kolonialismus teilt Nahost in künstliche Staaten wie Irak und Syrien auf.
– USA zerstören mit dem Irak-Krieg die arabische Welt.
– Sunniten gegen Schiiten: Die islamischen Glaubenskriege haben erst begonnen.
Youth bulges: Junge satte Männer ohne Perspektive setzen auf Krieg als Alternative
– Kulturell-religiöse Identität des Islam vor globaler Konsumgesellschaft schützen.

Zizek analysiert diese „Kluft zwischen saftlosen Liberalen und leidenschaftlichen Fundamentalisten“ und konstatiert, dass die Islamisten gar keine richtigen Fundamentalisten sind, und zwar aus zwei Gründen:

1) Echte Fundamentalisten wie tibetische Buddhisten oder die Amish in den USA empfinden gegenüber Ungläubigen nur tiefe Gleichgültigkeit, nicht aber Bedrohung, Neid und Hass. Ein Buddhist wird einen EU-Hedonisten nie verurteilen, sondern ihm allenfalls sagen, dass die Glückssuche durch Konsum und Event vergeblich sein werde. Islamisten jedoch fühlen sich durch Ungläubige, durch Charlie Hebdo-Satiren, durch unverschleierte Frauen, … bedroht. „Im Unterschied zu wahren Fundamentalisten sind terroristische Pseudo-Fundamentalisten vom sündigen Leben der Ungläubigen zutiefst umgetrieben, fasziniert, bezaubert. Man spürt, wie sie ihre eigene Versuchung bekämpfen, indem sie den sündigen Anderen bekämpfen.“

2) Das Problem liegt darin, „dass die Fundamentalisten bereits so sind wie wir, dass sie unsere Standards bereits verinnerlicht haben und sich an ihnen messen“. Ein Foto des IS-Führers Baghdadi zeigt ihn mit teurer Schweizer Luxusuhr. Hochmoderne Praxis in Sachen Internet/Social Media, Finanztransaktionen und Waffensysteme. „Statt also den IS als einen Fall äußersten Widerstands gegen die Modernisierung zu verstehen, sollte man ihn besser als einen Fall pervertierter Modernisierung begreifen“.

Vehement fordert Zizek die europäischen „saftlosen Liberalen“ auf, sich von ihrem Hedonismus und übertolernter Teilnahmslosigkeit zu befreien. Es hat „mit der pathologischen Angst vieler westlicher Linksliberaler davor, sich der Islamophobie schuldig zu machen“ zu tun, dass ein Auseinandersetzen mit dem Islam in der EU vermieden wird, warnt Zizek unsere Gutmenschen, denn: „Je mehr man den Islam toleriert, desto stärker scheint der Druck zu werden, den sie auf er auf einen ausübt“.

Friedrich Nietzsche meinte um 1890, unsere westliche Kultur bewege sich auf den ‚letzten Menschen‘ zu, ein kraft- und saftloses Geschöpf ohne Leidenschaften, wohlig und risikoscheu, auf Bequemlichkeit und Sicherheit aus und deshalb so maßlos tolerant. Für Zizek ist Nietzsche auch heute nach 125 Jahren aktuell: „Wir im Westen sind Nietzsches ‚letzter Mensch‘, ganz unseren albernen alltäglichen Vergnügungen hingegeben, während die muslimischen Radikalen bereit sind, alles zu riskieren und bis zur Selbstzerstörung in den Kampf zu werfen.“ Hier ist der Konsens zu einer europäischen Leitkultur der Aufklärung, basierend auf den Menschenrechten, der einzige Ausweg.

 

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