Kinder denken in Gut und Böse. Die menschlichen Zwischentöne werden später dann durch eigene Erfahrung angehäuft. Die heutige Infantilisierung der Gesellschaft vor allem der Medien (Journalisten) und Politik (Abgeordnete) ist ein Zeichen dafür, daß das Erfahrungswissen gegenüber dem am PC bequem erworbenem Theoriewissen immer weniger eine Rolle spielt.
Erfahrungswissen hat im ländlichen Raum bei den Somewheres (Landwirte, Forstleute, Handwerker) noch Bedeutung, bei den Anywheres in Großstädten und Ballungsgebieten hingegen weniger. Kennet Anders geht im Interview auf Kontrafunk.ch auf diese Spaltung der Zivilgesellschaft ein (siehe Link unten).
Zum Interview: Landschaft ist angeeignete Natur und Kulturlandschaft ist Ausdruck unseres Empfindens über Jahre hinweg. Aneignung von Natur ist existenziell wichtig, wird aber von Städtern als Anywheres mit Unbehagen verfolgt – dies zumeist aus Unwissen, da ihnen die Erfahrung der Landwirte, Förster, Handwerker usw. als Somewheres im Umgang mit den Ressourcen der Natur (Boden, Wald, Wasser, …) fehlt. Unsere Gesellschaft ist zu sehr dominiert von Verbrauch bzw. Konsum und hat Defizite im Umweltdiskurs. „Dünger ist Teufelszeug“, sagt der Städter, dabei gedeiht ohne Düngung nichts.
Es ist ein Kulturdrama, daß sich die moderne Zivilisation so sehr entfernt hat von der Erfahrung im Umgang mit den Ressourcen der Natur. Nur wer aus der eigenen Erfahrung heraus spricht, steht auf gutem Grunde.
Kenneth Anders unterscheidet drei Produzententypen. die immer mehr dominieren:
(1) Die Modellierer: Modelle werden als Hypothese entworfen und mit Daten gefüttert, um gemäß den angenommenen Algorithmen eine Ex-ante-Analyse für die Zukunft zu liefern – mit allen Unsicherheiten.
(2) Die Messwissenschaftler, die auf Basis statistischer Daten eine Ex-post-Analyse durchführen.
(3) Die Ideologieproduzenten, die sich im Gegensatz zu (1) und (2) gar nicht erst die Mühe machen, Informationen zu erheben, sondern ihre quasi-religiösen Heilslehren an Moral und Glaube ausrichten.
Überspitzt ausgedrückt, stehen sich zwei ‚Welten‘ gegenüber:
– Kopfwelt versus Erfahrungswelt, wobei sich erstere als DIE Experten bezeichnen.
– Theoriewissen versus Praxiswissen.
– Anywheres versus Somewheres, die verwurzelt sind.
– Virtuell (Narrative, Mythen) versus real.
– Stadt- und Landleben
Die jeweils Erstgenannten führen in eine scholastische Gesellschaft, die irgendwelchen Lehrmeinungen anhängt, welche von sog. Experten propagiert werden. Menschen mit eigenem Erfahrungswissen bleibt nur, darüber den Kopf zu schütteln. In dieser Expertengesellschaft beherrschen Unerfahrene die Diskussion:
– Die Agrardiskussion wird weitgehend ohne Landwirte geführt.
– Die Gesundheitsdiskussion kommt ohne Mitsprache der Ärzte und Pfleger aus.
– Die Bildungsdiskussion geht über die Köpfe der Lehrer und Erzieher hinweg vonstatten.
– In der Handwerksdiskussion haben Handwerker nur dann etwas zu sagen, wenn sie nach Abschluß der Lehre studiert und gerne noch promoviert haben.
Die Diskriminierung des Erfahrungswissens muß dann zwangsläufig zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, als Resultat eines „Pink-pong zwischen Politik, Wissenschaft, Experten, NGOs und Medien“. Dieses Ping-pong prägt die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung. Wo bleibt die eigene Meinung zwischen Meinungsfreiheit, Meinungsvielfalt und und Meinungsterror?
26.5.2022
Anders: Feld, Wald, Viren – Wenn wir in Frieden leben wollen
Der Kulturhistoriker Kenneth Anders (neues Buch: „Wenn wir in Frieden leben wollen: Texte aus der Coronazeit“, Aufland Verlag, 126 Seiten) spricht mit Burkhard Müller-Ullrich über Bauernweisheit und Städterdummheit, über landwirtschaftliche Technologie und Landschaft als Erkenntnisquelle sowie über Ackerbau, Viehzucht und Forstpflege als oft mißverstandene, oft idealisierte, aber höchst wahrhaftige Lebensform.
… Alles vom 26.5.2022 bitte anhören auf
https://www.kontrafunk.ch/de/podcast/flg-16-feld-wald-und-viren
https://www.kreatives-brandenburg.de/de/
https://www.kubi-online.de/
https://landschaftskommunikation.de/
https://auflandverlag.de/
https://auflandverlag.de/produkt/kenneth-anders-wenn-wir-in-frieden-leben-wollen/