Engagiert kritische Alte gesucht

Nur 33,9 % der Deutschen gehören der Gruppe der arbeitenden Bevölkerung an, die die anderen 66,1 % zu versorgen hat. Für diese nettosteuerzahlenden Berufstätigen ist der Existenzkampf real, tagein tagaus, insbesondere für Eltern mit Kindern. Da bleibt nur wenig Zeit, sich nach Feierabend über das politische Geschehen kundig zu machen: Zeitungen lesen, TV-talks schauen und all die Websites, Blogs, Plattformen, Podcasts und Foren mit einem Visit zu beglücken und zu posten. Vielleicht reicht es gerade noch zu den Ard-Tagesthemen, wobei deren oberlehrerhaftes Nudging gerade die Gruppe der 30-50jährigen immer seltener erreicht.

Anders als die 33,9% Erwerbstätigen haben die Alten als Rentner bzw. Pensionäre viel Zeit für das mühsame Geschäft der eigenen Meinungsbildung. Und sie haben Zeit, ihre Meinung bzw. ihr Hintergrundwissen kund zu tun und sie in politischen Gruppierungen, Initiativen bzw. Parteien aktiv einzubringen. Ja, sie sind dazu eigentlich verpflichtet, schließlich werden ihre Transfereinkommen von den Generation der 33,9 % Berufstätigen erarbeitet.
Leider tun viele Alte das nicht. Aus Gewohnheit, aus Bequemlichkeit: „Laß mich in Ruhe“, „Ich kann das nicht mehr hören“ oder „Ich kann eh nichts ändern“ sagen sie. Kein Wunder, wenn sie abfällig als Angehörige der „Generation AUS“ (Apotheke, Urlaub, Sucht) oder gar „Generation SAU“ tituliert werden.

Wissen ist eine Holschuld – dies gilt für jung wie alt.

Kritik üben erst nach der Pensionierung
Nicht nur der Zeitmangel hindert viele, sich der eigenen Meinungsbildung mit Argument und Gegenargument zuzuwenden. auch die Sorge um Ausgrenzung, beruflichen Nachteil und Karriereknick hindert so manchen, die eigene abweichende Meinung zu artikulieren und der Umwelt preiszugeben. Aus diesem Grunde trauen sich zahlreiche Bürger erst nach ihrer Zurruhesetzung als Kritiker hervor. gerade sie sollte man nicht als Wendehälse verunglimpfen, sondern ermutigen zu weiterer konstruktiven Kritik, zum „Rat der Weisen“. Demokratie braucht Kritik, Zweifel und Skepsis.

Repräsentative Demokratie braucht – auch alte – Kritiker
Schon bei den alten Griechen war die repräsentative Demokratie zuvörderst ein geschicktes Mittel, um den Machterhalt der Eliten zu sichern. Schließlich zeigte sich das einfache Volk überfordert, Verantwortung zu übernehmen.
Deshalb braucht es in unserer repräsentativen Demokratie mündige Bürger, die neugierig, skeptisch sowie kritisch sind und die hinterfragen und demonstrieren. Jeder Demonstrant, der sich für irgendeine Verbesserung der demokratischen Grundordnung einsetzt, müsste von Seiten des Staates belohnt bzw. belobigt werden. Der Bürger ist der Souverän und der Staat sein Schutzbefohlener.
In der Wissenschaft führt die Gegenthese des forschenden Menschen zum Fortschritt. In der Demokratie ist es das Gegenargument des Bürgers. Untertangeist bringt die Demokratie zum Erliegen.
Demokratie ist ein normatives Ideal, ein Sollzustand, der in der Geschichte allenfalls in Teilen real ist. Demokratie setzt allgemeine Selbstgesetzgebungskompetenz bzw. Volkssouveränität voraus. Deshalb ist Aufklärung heute aktueller denn je. Emmanuel Kant lesen: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“
23.9.2022

 

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