Suffizienz

 

 

Die drei Strategien der Nachhaltigkeit: Effizienz, Konsistenz und Suffizienz 

Effizienz will mehr aus den Ressourcen herausholen, Effizienzsteigerungen als Ziel gebietet die wirtschaftliche Logik. Die Konsistenz als Vereinbarkeit von Natur und Technik ist Kennzeichen der Industrial Ecology. Effizienz und Konsistenz zielen ab auf die Erhaltung und sogar Steigerung des materiellen Wohlstandes. Mit der Suffizienz als dem „Sichbegnügen mit dem Ausreichenden“ tut man sich schon schwerer, da sie auf ein weniger materiell denn kulturell bestimmtes Verständnis von Wohlstand abzielt – Suffizienz betrifft unser Verhalten, also die Einsicht des Einzelnen und einen Wandel der Lebensstile.
Technologie wie auch das Verhalten sind zu ändern. Mit der Energiewende muß das gesamte Energiesystem umgestellt werden, weg von Atomkraft, Kohle, Öl und Erdgas, hin zu erneuerbaren Energiequellen – gewaltige Anforderungen an Effizienz und Konsistenz. Darüber hinaus wird es noch gewaltiger: Auch unsere Bedürfnisse müssen mit Grenzen versehen, neue Gewohnheiten gebildet und das Nichtbeanspruchen von Energiedienstleistungen verbindlich gemacht werden. Damit wird auch Suffizienz zum Gegenstand politischer Regelsetzungen.
Effizienz in Kombination mit Suffizienz ist besonders wirksam, wie z.B. beim Emissionshandel mit periodisch abgesenkter Obergrenze (Cap): Der Cap verteuert die Kilowattstunde und zwingt zu mehr Energieproduktivität und  zur Verkleinerung der Motoren und Anlagen.
Zum Erreichen der Klimaziele bzw. CO2-Einsparung müssen Effizienz und Konsistenz durch Minderverbrauch von Energie ergänzt bzw. politisch durch Begrenzung und Preissteuerung durchgesetzt werden. Energiesuffizienz gibt Probleme auf: Wie stark läßt sich der Energiebedarf mindern? Soziale Auswirkungen? Werden wirklich die Aren weniger hart getroffen als die Reichen? Ökosteuern? Was ist im EU-Rahmen zu lösen und was national?

 

Begrenzen und Verteuern

Werden wir unser Verhalten ändern, uns suffizient verhalten, uns mit dem Ausreichenden begnügen? Das Ausreichende ist abgeleitet am Vermeiden des Zuviel. Das Zuviel ist schädlich, da es andere wichtige Bedürfnisse oder Ziele beeinträchtigt. Dies wird leicht übersehen, da die Beeinträchtigung sich erst in der Zukunft auswirkt. Man kann also auch sagen, dass suffizientes Handeln aus dem Vermeiden des zukünftigen Schadens besteht. Wie auch immer – Suffizienz ist immer ein Gewinn: Für den Einzelnen im reiferen Selbst, für den Privathaushalt im Beitrag des Konsums zu einem erfüllten Leben und für die Unternehmung in den besseren Zukunftschancen.

Das bekannteste Instrument der Suffizienz sind die Ökosteuern, über deren Umfang, Nutzen und Ertrag, Schwächen und Auswirkungen es breite Diskussionen gibt. Bei aller notwendigen Abwägung wird die Besteuerung fossiler Energie unverzichtbar sein, wobei für ihre Akzeptanz entscheidend ist, die stärkere Belastung der sozial Schwachen auszugleichen.
Im Verkehr ist Suffizienz unentbehrlich, weil dort am längsten fossile Energie benötigt wird: Begrenzung des Flottenverbrauchs der Autobauer.
Suffizienz bei der Ernährung. Der Verbrauch mit 88 kg pro Person und Jahr von billigen und schlechtem Fleisch aus Massentierhaltung muß sinken, ggf. über eine Fleischsteuer.

 

Buch: Weder Mangel noch Übermaß – Warum Suffizienz unentbehrlich ist

Weder Mangel noch Übermaß – diese Formel fordert materielle Teilhabe für alle ein, sucht und vertritt zugleich aber  streitbar die Begrenzung des Wohlstandes auf ein rechtes Maß. Sie fasst damit das Anliegen dieses Buches prägnant zusammen. Der Autor warnt vor Lösungen, die allein auf technologische Effizienz bauen, ganz gleich wie attraktiv und intelligent sie sein mögen. Denn sie werden in ihrer Durchsetzung und Wirkung überschätzt und  verhindern weder Übermaß noch ungerechte Verteilung. Dagegen hilft Suffizienz (von lat. sufficere – ausreichen) als Strategie zur maßvollen Ressourcennutzung unsere Bedürfnisse auf das menschliche Maß zu konzentrieren. Doch wie lernen Gesellschaften das? Was steht dem Wandel zur Zukunftsfähigkeit im Wege? Wie lässt er sich fördern? Hierzu entsteht gerade eine gesellschaftliche Debatte und auch Entscheidungsträger stellen sich den Themen Wachstum und Wohlstand zunehmend kritisch.
Als Dr. Manfred Linz zum Team des Wuppertal Instituts in dessen Anfangsjahren stieß, hatte er seine „Broterwerbslaufbahn“ bereits hinter sich: Er studierte Theologie und Sozialwissenschaften, war wissenschaftlicher Assistent an der Universität Hamburg sowie leitender Rundfunkredakteur beim NDR und WDR. Seit 20 Jahren nun befasst sich Manfred Linz am Wuppertal Institut mit dem Thema Öko-Suffizienz und Lebensqualität. Im März diesen Jahres wurde Dr. Manfred Linz 85 Jahre alt. Aus diesem Anlass hat das Wuppertal Institut eine Sammlung seiner wichtigsten Aufsätze heraus, die Manfred Linz in dem Buch „Weder Mangel noch Übermaß – Warum Suffizienz unentbehrlich ist“ zusammengestellt hat. Manfred Linz,   Weder Mangel noch Übermaß – Warum Suffizienz unentbehrlich ist“
Oekom Verlag, Sept 2012,  146 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86581-399-2 https://www.wupperinst.org/info/entwd/index.html?beitrag_id=2085

Von nichts zu viel – Suffizienz gehört zur Zukunftsfähigkeit
Wuppertal Institut Nr. 125, Dezember 2002
https://www.wupperinst.org/uploads/tx_wibeitrag/WP125.pdf

Wachstumsdebatte: Suffizienz als Überlebensfrage

Allein mit Effizienz und neuen Technologien lässt sich das Energie- und Klimaproblem nicht lösen. Nach den gängigen Energiewende- und Klimaschutzszenarien sind bei einer geschickten Politik keine Einschnitte im Lebensstandard zu erwarten. Doch ohne den Konsum von fossilen Kraft- und Brennstoffen sowie von Fleischprodukten zu begrenzen, ist die Wende nicht zu schaffen. Auch wenn politische Mehrheiten für eine Suffizienzstrategie noch nicht absehbar sind, müssen die Grundlagen dafür jetzt erarbeitet werden.
Manfred Linz, Wuppertal Institut., mehr auf
https://www.sonnenseite.com/Zukunft,Wachstumsdebatte-+Suffizienz+als+Ueberlebensfrage,17,a21992.html

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Ein Durchschnittsdeutscher besitzt 10.000 persönliche Gegenstände: Klamotten, Möbel, Schuhe, Nähnadeln, Kaffeelöffel, Kugelschreiber, Seifen, Schrauben, …. Und es werden immer mehr, wir sammeln an, horten, kaufen, ordnen ein, schleppen an.

 

Suffizienz statt Produktivität und Effizienz
Um der Wachstumsfalle zu entkommen, sollte auch die Landwirtschaft diese bäuerlichen Grundwerte wieder lernen, rät der Ethiker Thomas Gröbly. Beim Erntedankgespräch am 25.September 2015 erklärte er,
Aus Ernten und Essen ist ein großes, gewalttätiges Geschäft entstanden, das von Wenigen kontrolliert wird. Frei ist in diesem neoliberalen System nur, wer im Handel die größte Macht hat. Der globale Agrarfreihandel ist also ein Etikettenschwindel. Der ideale Konsument in diesem System ist der, der alles kaufen muss, also abhängig ist. Diese Art von Marktwirtschaft setzt nicht nur Bauern unter Druck, sondern Natur, Forschung, Demokratie und arme Länder ebenso.
Wachstum ist das Credo (Glaubensbekenntnis) dieses Systems, das auch die Landwirtschaft voll im Griff hat. Doch die Steigerung der Produktivität führt über mehr Menge zu Preisdruck und in die Wachstumsfalle, im Volksmund „Wachsen und Weichen“. Effizienz heißt deshalb das neue Schlagwort, was heißt, dass mit weniger Input (an Ressourcen) das Wachstum gesichert werden soll. Aber auch diese Rechnung geht nicht auf, weil mehr neue (grüne) Produkte wiederum zu mehr Ressourcenverbrauch (neudeutsch Reboundeffekt) und Preisdruck führen. Beispielsweise stecken Biolandbau wie Energiewende an dieser Stelle in der Wachstumsfalle.
Der Ausweg aus der Wachstumsfalle beginnt mit der Akzeptanz unserer beschränkten Ressourcen. Die wichtigste Ressource ist der Boden, von dem wir unsere Nahrung ernten. Ist die Trockenheit in den letzten Monaten eine Warnung? Oder auch die neue Völkerwanderung? Im Interesse unserer Welt bleibt nichts anderes üblich, die gewalttätigen Konzepte der Produktivität und Effizienz durch Suffizienz abzulösen. Suffizienz bedeutet Entschleunigung und Entkommerzialisierung oder ein Lebensstil mit dem rechten Maß. Der Trend zum lokalen Essen darf also nicht Werbung im globalen Handel bleiben. Hoffnung machen hier die Bewegungen aus den Städten vom Gärtnern bis zu vielen neuen Formen sozialer Landwirtschaft (Urban Gardening), die dem Ernten neue Wertschätzung geben. Anstatt dem Wettbewerb im globalen Handel nachzulaufen, gilt es, neue suffiziente Lebensstile mitzugestalten.
21.10.2015

 

 

Suffizienz als konsequent gelebte Gelassenheit

Vor 700 Jahren führte Meister Eckhart das Wort „Gelassenheit“ (damals geschrieben gelazenheit) in die deutsche Sprache ein. Gelassen kommt von lassen. Dinge, die bisher die eigene Lebensweise prägten, hinter sich lassen, von Gewohnheiten loslassen, sie sein lassen, unterlassen, das eigene Ego loslassen, sich loslösen, wie um Ballast abzuwerfen. Dazu schreibt Meister Eckart der Gelassenheit eine zweite Bedeutung zu: Mit dem Loslassen der materiellen Dinge schafft man Freiraum, um sich auf etwas Neues einlassen zu können mit einer immaterieller Dimension: „Lausche auf das Wunder!“ Man erhält Zugang zur Fülle des Seins, zur Glückseligkeit  bzw. Beatitudo.
Der Todtnauberger Philisoph Martin Heidegger hat den Versuch unternommen, die Gelassenheit ins 20.Jahrhundert zu übertragen. Er fügt dem Loslassen sowie Einlassen von Meister Eckhart eine dritte Dimension hinzu: Die Dinge um uns herum, also die Umwelt, schonen, d.h. in ihrem Wesen belassen. Er sieht den Menschen als Hüter des Seins. Dieses Belassen ist für Heidegger kein Absturz in die Kargheit noch in die Verelendung. Das Überflüssige und Zerstörerische aus dem eigenen Leben streichen ist kein Absturz. „Der Verzicht nimmt nicht.“ schrieb er 1953.
Mit den drei Dimensionen „Loslassen des Ego“, „Sich einlassen auf Neues“ und „Die Umwelt belassen“ rückt die Gelassenheit in den Horizont der Nachhaltigkeit mit seinen Aspekten Konsistenz, Effizienz und Suffizienz. Was denn ist Suffizienz als das „Sichbegnügen mit dem Ausreichenden“ anderes als konsequent gelebte Gelassenheit. Meister Eckart würde sich freuen: Ökologen und Umweltschützer des 21.Jahrhunderts als Verfechter seiner 700jährigen Gelassenheit.
26.11.2012

 

Angst vor Verlust treibt stärker an als Gier auf Gewinn

Der Raubbau an den Rohstoffen geht weltweit ungebremst weiter und die damit verbundene Jagd nach den knapper werdenden Recourcen macht uns krank. Die Erschöpfung der Rohstofflager geht einher mit Einschöpfungszuständen der Gesellschaft – individuell mit Stress und Burnout wie auch kollektiv mit Demokratie- und Politikverdrossenheit  Jeder kennt „Peak-Oil“, jeder spürt: „So kann es nicht weitergehen“.
Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann ist der Ansicht, dass weniger die Gier nach noch mehr Gewinn uns leitet und antreibt, sondern mehr die Angst vor dem Verlust. Und Verlustangst kennt jeder: Der Beamte auf seine überhöhten Pension, der Transfergewohnte auf Hartz IV, der Mobile auf seinen 170 PS starken 6-Zylinder-Pkw, der Warmduscher auf seine allmorgendliche 5-Minuten-Bewässerung, der Vielflieger auf seine vier Urlauben pro Jahr, der Social-Media-Elektroniker auf seine Stand-by-Umgebung, wir sind in unserem Anspruchsdenken gefangen.

Hat Kahnemann recht, dann kommt der Suffizienz als dem „Sichbegnügen mit dem Ausreichenden“ heute eine zentrale Bedeutung zu zur Überwindung der Verlustangst. Vermeiden, Reduzieren und Einsparen sind Schlüssel jeder Nachhaltigkeitsstrategie. Das Zerstörerische und Überflüssige aus dem eigenen Leben streichen bzw. erst gar nicht erzeugen, erleichtert und befreit. Das überhöhte Anspruchsdenken hinterfragen.