Der inhabergeführte Buchladen

Um den Buchhandel als Dienstleistungssystem beneidet uns die ganze Welt (kaufen Sie mal in GB oder USA ein Buch ein): Ein dichtes Netz von über 4.500 zumeist inhabergeführten Buchläden bietet Fachberatung durch qualifizierte Buchhändler. Preisbindung sorgt für gleiche Buchpreise überall.
Mit Amazon im Gefolge von Internet und E-Book glaubten viele an das Ende des traditionellen Buchhandels. Doch die Läden vorort setzten – dem Buch als Kulturgut verpflichtet – dagegen: Eigener Online-Shop. Lieferung genauso schnell wie Amazon. Das zur Ansicht bestellte Buch erst mal durchblättern (die Haptik machts), Schmökern, Autoren-Lesungen, Events, Kinderleseecke, einen Kaffee und ein nettes Gespräch – all dies kann der US-Versender nicht bieten.
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Der Unkenruf von 2015 „Amazon zerstört den Buchhandel“ bewahrheitete sich nicht – bzw. noch nicht, denn immer mehr Buchhändler fühlen sich zum linkslastigen Erzieher, besorgten Bewerter bzw. Anhänger des Nudging berufen. Versuchen Sie mal, ein Buch des Stanford-Professors John Joannidis, in wissenschaftlichen Fachzeitschriften am häufigsten zitierter Epidemologe weltweit, oder von Rolf Peter Sieferle zu bestellen. Statt einer sachlich neutralen Beratung ohne Ansehen des Verfassers kommt ggf. der erstaunte, aber natürlich gut gemeinte Vorwurf „Was, den lesen Sie?“ entgegen.

Der Buchhandel war schon immer eher politisch links orientiert, gleichwohl gab es alle rechten Titel. Aber seitdem das Links-sein die woke Gesinnung mitsamt Cancel Culture bzw. Ausgliederung abweichender Meinung gut heißt und der kleine Buchhändler um die Ecke sich konsequent auf dieser richtigen, sprich linken Seite wähnt, meidet die nicht-woke Leserschaft die kleinen inhabergeführten Buchgeschäfte mehr und mehr und kauft stattdessen lieber im Internet bei Amazon. Der Tenor: „Ich hasse diese Internet-Krake, aber ich werde bei Amazon wenigstens nicht politisch indoktriniert“.

Fazit: Wenn immer mehr kleine inhabergeführte Buchläden aufgeben, dann liegt dies nicht nur an Internet und Amazon, sondern auch an der Weigerung der Buchhändler, ihren Kunden als mündigen Bürger zu akzeptieren, der seine Meinung gerne auf Bases frei gewählter Buchlektüre selbst bilden möchte und kann.
Großen Buchhandlungen wie Hugendubel, Thalia, Lehmkuhl u.a. wird das woke Entfernen nicht-linker Bücher aus dem Sortiment sowie das Abraten bzw. Verschweigen von Literatur jenseits des politisch korrekten Meinungskorridors langsam unheimlich. Siehe dazu das SZ-Interview mit der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl „Buchhandlungen sollten Orte für Debatten sein“ unten.
6.12.2021
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Abgesagte Lesung: „Niemand will mehr miteinander sprechen“
Die Kolumnistin und Buchautorin Margarete Stokowski hat eine Lesung in der renommierten Münchner Buchhandlung Lehmkuhl abgesagt, weil dort Bücher des rechten Antaios-Verlags verkauft werden. Daraufhin erklärte der Lehmkuhl-Geschäftsführer Michael Lemling: „Wer sich gegen Rechts engagiert, sollte wissen, was Rechte denken und lesen, wie sie argumentieren.“ Ein Anruf in der Buchhandlung.
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Herr Lemling, Ihre Stellungnahme liest sich wie ein Essay. Worum geht es Ihnen?
Michael Lemling: Wir beobachten, dass die Debatten, die wir auf den Buchmessen erlebt haben, jetzt in den Buchhandlungen ankommen, sobald man politische Veranstaltungen macht. Kürzlich hat die Berliner Buchhandlung „Montag“ den stellvertretenden Politikchef vom Focus, Alexander Wendt, eingeladen, weil er ein Buch über Drogen geschrieben hat. Dann haben sie festgestellt, dass er die „Charta 2017“ und die „Erklärung 2018“ unterschrieben hatte, und ihn blitzschnell wieder ausgeladen. Bei uns ist es jetzt andersherum, aber im Grunde ähnlich: Niemand will mehr miteinander sprechen.
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Was halten Sie von der Normalisierungsthese, nach der rechte Positionen wieder salonfähig werden, wenn sie in einer Buchhandlung wie Ihrer vorkommen?
Lemling: Das Argument kenne ich schon von vor 30 Jahren. Aber erstens sind wir bei Lehmkuhl nicht in der Position, gesellschaftliche Gruppen auf- oder abzuwerten. Und zweitens glaube ich, dass wir dringend wissen müssen, wie diese Leute denken und argumentieren, sonst ist die Debatte so hilflos, wie wir es gerade erleben. Das ist mir auch deshalb so wichtig, weil die Rechten heute nicht mehr so dumpf sind wie vor 30 Jahren. Götz Kubitschek und seine Autoren fordern einen richtig heraus. Die haben Gramsci, Carl Schmitt und Ernst Jünger gelesen, sie diskutieren Marx von rechts und schreiben Artikel auf einem Niveau, bei dem man erst mal ins Schleudern kommt. Das Wort vom Rechtsintellektuellen ist da schon richtig. Die haben auch eine Lesebegeisterung, die manchen Linken heute abgeht. So kommen wir nicht weiter. Deshalb finde ich, dass wir sie genau studieren sollten.
… Alles vom 5.11.2018 zu „“Niemand will mehr miteinander sprechen“ bitte lesen auf
https://www.sueddeutsche.de/kultur/lesung-stokowski-muenchen-1.4197825

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